Predigt

Blick durchs Schlüsselloch

Warten, dass Türen und Herzen sich öffnen, dass jemand den Schlüssel zu einer besseren Welt findet – ohne Krieg, Streit und Angst

PredigttextOffenbarung 3,7-13
Kirche / Ort:St. Martins-Kirche / Estebrügge (21635 York)
Datum:08.12.2013
Kirchenjahr:2. Sonntag im Advent
Autor:Pfarrerin PD Dr. Martina Janßen

Predigttext: Offenbarung 3,7-13 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

7 Und dem Engel der Gemeinde in Philadelphia schreibe: Das sagt der Heilige, der Wahrhaftige, der da hat den Schlüssel Davids, der auftut, und niemand schließt zu, der zuschließt, und niemand tut auf: 8 Ich kenne deine Werke. Siehe, ich habe vor dir eine Tür aufgetan, und niemand kann sie zuschließen; denn du hast eine kleine Kraft und hast mein Wort bewahrt und hast meinen Namen nicht verleugnet. 9 Siehe, ich werde schicken einige aus der Synagoge des Satans, die sagen, sie seien Juden, und sind's nicht, sondern lügen; siehe, ich will sie dazu bringen, daß sie kommen sollen und zu deinen Füßen niederfallen und erkennen, daß ich dich geliebt habe. 10 Weil du mein Wort von der Geduld bewahrt hast, will auch ich dich bewahren vor der Stunde der Versuchung, die kommen wird über den ganzen Weltkreis, zu versuchen, die auf Erden wohnen. 11 Siehe, ich komme bald; halte, was du hast, daß niemand deine Krone nehme! 12 Wer überwindet, den will ich machen zum Pfeiler in dem Tempel meines Gottes, und er soll nicht mehr hinausgehen, und ich will auf ihn schreiben den Namen meines Gottes und den Namen des neuen Jerusalem, der Stadt meines Gottes, die vom Himmel herniederkommt von meinem Gott, und meinen Namen, den neuen. 13 Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt!

Vorbemerkungen

Das Sendschreiben an die Gemeinde in Philadelphia (Offb 3,7-13) bietet als Predigttext für den ersten Advent einige Chancen, stellt aber auch vor etliche Herausforderungen. Das Motiv des „Aufschließens“ weckt adventliche Assoziationen (z.B. verschlossene Tür des Weihnachtszimmers, Adventskalender, Blick in den geöffneten Himmel, Christus als Inhaber der Schlüsselgewalt [vgl. auch EG 7,1; 27,1.6]; vgl. zum Stichwort „Tür“ auch EG 1,1.5) ebenso wie die Stichworte „Warten“ /„Geduld“ (Offb 3,10) und das in Aussicht gestellte (Wieder-)Kommen Christi“ (Offb 3,11). Auch der „Zeugnischarakter“ des Sendschreibens passt zur Adventszeit als Zeit der Einkehr und Buße.

Problematisch ist die Fremdartigkeit des Textes (u.a. durch die zahlreichen Motivanklänge an das Alte Testament, z.B. Völkerwahlfahrt (Offb 3,9 /Ps 86, 9; Jes 49,23; 60,8-14], Schlüsselgewalt [Offb 3,7 /Jes 22,22]). Vor allem aber der Ausdruck „Synagoge des Satans“ (Offb 3,9) stellt einen Stolperstein dar; auch die anklingende Werkgerechtigkeit (Offb 3,10f) ist (rechtfertigungs-) theologisch problematisch. Die in der Johannesapokalypse bezeugte Gemeindesituation ist kaum auf unsere Gemeindewirklichkeit hierzulande und heutzutage zu übertragen.

Historisch ist die Johannesapokalypse in die Zeit der Christenverfolgung unter Domitian einzuordnen, was sich in Stichworten wie „Versuchung“ (Offb 3,10) , „(aus-)halten“ (Offb 3,11) und nicht zuletzt in der Wendung „Synagoge des Satans“ (Offb 3,9) widerspiegelt: Satan ist in der Johannesapokalypse Bezeichnung für die römische Staatsgewalt, mit der einige jüdische Gemeinden kooperierten, weswegen sie für den Verfasser der Johannesapokalypse zu Gegnern und zur „Synagoge des Satans“ werden. Hier liegt m.E. eine homiletische Herausforderung: Verzichtet man auf die Lesung dieses Verses, lässt man den Begriff stehen, was angesichts des Evokationspotentials schwierig ist, oder thematisiert man ihn explizit, was einen homiletischen „Nebenschauplatz“ eröffnen und zu einer „Predigt in der Predigt“ (Verhältnis Juden-Christen; Abgrenzung vom Antjudaismus/Antisemitismus) führen könnte.

Ich stelle in meiner Predigt die Motive „Tür“ (Tür der verschlossenen Heiligabendstube / Blick durchs Schlüsselloch in das Weihnachtszimmer; Adventskalender; Tür zum neuen Jerusalem / geöffneter Himmel, Christus als Inhaber der Schlüsselgewalt) und „Warten“ (Ungeduld, Bilanzziehen, Sehnsucht nach der Zukunft) in den Vordergrund. Der narrative Predigteinstieg (kleines Kind sieht durch das Schlüsselloch die verheißungsvolle Weihnachtsstube) korrespondiert mit der narrativen Szene am Ende der Predigt (Markus als exemplarischer Gemeindechrist aus Philadelphia sieht vor seinem geistigen Auge den geöffneten Himmel): Auch wenn wir noch warten - Heiligabend bzw. Gottes neue Welt ist in Sichtweite! Unsere traditionellen (Kinder-)Weihnachtssehnsüchte (Licht, Süßes, Geschenke, Singen, fröhliche Stunden im Kreis der Familie) sind Bild für die umfassende Hoffnung auf Gottes neue Welt (Frieden, Heil-Sein des Menschen, Gottes Gegenwart).

Liedempfehlungen

"Macht hoch die Tür" (EG 1, Str. 1.2 u. 5, vor der Predigt) "O Heiland, reiß die Himmel auf (EG 7, Str. 1-5, nach der Predigt)

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