Predigt

Brot vom Himmel

Jesu Passion löste von Anfang an Irritationen und Widerstand aus

PredigttextJohannes 6,55-65
Kirche / Ort:66989 Nünschweiler
Datum:26.03.2017
Kirchenjahr:Laetare (4. Sonntag der Passionszeit)
Autor:Pfarrerin Anke Andrea Rheinheimer

Predigttext: Johannes 6,55-65 (Übersetzung nach Martin Luther)

Jesus, das Brot des Lebens 55 Denn mein Fleisch ist die wahre Speise, und mein Blut ist der wahre Trank. 56 Wer mein Fleisch isst und trinkt mein Blut, der bleibt in mir und ich in ihm. 57 Wie mich gesandt hat der lebendige Vater und ich lebe um des Vaters willen, so wird auch, wer mich isst, leben um meinetwillen. 58 Dies ist das Brot, das vom Himmel gekommen ist. Es ist nicht wie bei den Vätern, die gegessen haben und gestorben sind. Wer dies Brot isst, der wird leben in Ewigkeit. 59 Das sagte er in der Synagoge, als er in Kapernaum lehrte.

Spaltung unter den Jüngern 60 Viele nun seiner Jünger, die das hörten, sprachen: Das ist eine harte Rede; wer kann sie hören? 61 Da Jesus aber bei sich selbst merkte, dass seine Jünger darüber murrten, sprach er zu ihnen: Nehmt ihr daran Anstoß? 62 Wie, wenn ihr nun sehen werdet den Menschensohn auffahren dahin, wo er zuvor war? 63 Der Geist ist's, der da lebendig macht; das Fleisch ist nichts nütze. Die Worte, die ich zu euch geredet habe, die sind Geist und sind Leben. 64 Aber es sind etliche unter euch, die glauben nicht. Denn Jesus wusste von Anfang an, wer die waren, die nicht glaubten, und wer ihn verraten würde. 65 Und er sprach: Darum habe ich euch gesagt: Niemand kann zu mir kommen, es sei ihm denn vom Vater gegeben.

Exegetische und homiletische Anmerkungen

Die Predigt nimmt zunächst den kirchenjahreszeitlichen Platz des Sonntags Lätare in der Mitte der Passionszeit in den Fokus. Die österliche Freude im auferstandenen Herrn rückt näher mitten in der Zeit des Gedenkens an den leidenden und gekreuzigten Jesus. Die Perikopenordnung sieht für diesen Sonntag Lätare einen Abschnitt aus dem vierten Evangelium vor, in dem sich zentrale theologische Überzeugungen der johanneischen Schule wiederfinden: die Einheit von Vater und Sohn; die Menschwerdung Jesu Christi, explizit die Betonung seiner Fleischwerdung, die im ungewöhnlichen Begriffspaar „Fleisch/Blut“ statt des üblicheren Leibbegriffs zum Ausdruck kommt. Hierin zeichnet sich ein Grundanliegen des Johannesevangeliums ab, nämlich seine Kontroverse mit den doketischen Irrlehrern, charismatischen Wanderpredigern, die die Fleischwerdung Gottes in der Person Jesu verneinten.

Für die johanneische Schule, die vermutlich nach 100 n. Chr. im kleinasiatischen Bereich in der Stadt Ephesus ihren Sitz hatte (s. Schnelle, S. 539 und 541) ist hingegen der irdische Jesus identisch mit dem himmlischen Christus. Es ist der präexistente Logos (Joh 1,1), der sich inkarniert. Und der Kreuzestod des irdischen Jesus hat umgekehrt soteriologische Relevanz. Die Haltung gegenüber Christus und dem Kreuzesgeschehen ist heilsrelevant, wie der nachfolgende Abschnitt von der Spaltung in der Jüngerschaft zeigt: einige fallen von Jesus ab, da sie das Skandalon des Kreuzes nicht im Glauben annehmen können. Das Johannesevangelium insistiert auf das wirkliche Leiden Jesu, das nicht nur ein scheinbares war und nicht spiritualisiert werden darf. Dieser antidoketische Ansatz hat Relevanz für unseren Glauben heute, insofern wir im echten Leiden des Schmerzensmannes am Kreuz von Golgatha, Jesus von Nazareth, auch die vielfältigen Leiderfahrungen heutiger Menschen widergespiegelt finden.

Die expliziten Passionsverweise im Predigttext, in dem sich präsentische Aussagen und eine futurische Eschatologie mit Ausblick auf das ewige Leben mischen, zeigen das durchgängige Interesse des Johannesevangelium an der christologischen Thematik. Es ist der irdische Jesus, der hier in Galiläa heilend und helfend unterwegs ist, Zeichen tut, Menschen ganz leiblich speist und ihnen predigt, wie an dieser Stelle der Rede Jesu in der Synagoge von Kapernaum am See Genezareth. Und dieser Jesus ist identisch mit dem himmlischen Christus, an dem sich schon jetzt Glaube und Unglaube und damit auch die Rettung zum ewigen Leben im Eschaton entscheiden. Sakramental wird diese Einheit und Gemeinschaft mit ihm erfahrbar in der Feier des Abendmahls, auf das wir als Christen in österlicher Freude an den Ostergottesdiensten zugehen.

Für die Predigt sind dabei die literarkritischen Überlegungen unerheblich, ob der sakramentale Akzent im Predigttext einer sekundären, kirchlichen Redaktion zuzuschreiben ist, wie in der älteren Exegese oft behauptet (vgl. Schulz S. 1031 und 108²), oder durchaus vermittelbar ist mit dem antidoketischen christologischen Ansatz der Autorenschaft der johanneischen Schule (Schnelle S. 556³ und 5574). Die Nähe Gottes, der in und mit Jesus am Kreuz war, woran uns das Abendmahl erinnert, tröstet und stärkt uns mitten im Leid der Welt.

1 „So spricht alles dafür, dass die eucharistische Rede das Werk einer kirchlichen Redaktion, einer johanneischen Schule ist, die in engster Anlehnung an das Evangelium die Rede Jesu vom Brot des Lebens der klassisch von Ignatius von Antiochien repräsentierten Vorstellung vom Abendmahl als ‚Arznei der Unsterblichkeit‘ dienstbar gemacht hat.“

2 „Alle deutlichen Hinweise auf die Sakramente … sind in das Evangelium später, von einer kirchlichen Redaktion, nachgetragen, der das Fehlen der Sakramente zu anstößig erschien; …“

3 „Die Frage nach sekundären Überarbeitungen des 4. Evangeliums wird in der neuern Exegese nicht mehr unter dem missverständlichen Begriff eines ‚Kirchlichen Redaktors‘ behandelt, sondern man fragt nach Texten, die einer postevangelistischen Redaktion zuzuordnen sind.“

4 „Für die Erklärung der literarischen Gestalt und theologischen Intention von Joh 6,51c-58 ist der Rückgriff auf eine postjohanneische Redaktion weder literarisch noch theologisch überzeugend zu begründen.“ Literatur: Schnelle, Udo, Einleitung in das Neue Testament, Göttingen 1994. - Schulz, Siegfried, Das Evangelium nach Johannes (NTD Teilband 4), Berlin 1975.

Lieder

"Korn, das in die Erde“ (EG 98, Wochenlied)

"Jesu, meine Freude“ (EG 396)

"Nun gehören unsre Herzen ganz dem Mann von Golgatha“ (EG 93)

Psalm 84

Schriftlesung: 2. Korinther 1,3-7

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