“Cantate” – Grund zum Singen?

Zum Sonntag der Kirchenmusik - Musik kann die verstummte Seele eines Menschen wieder zum Klingen und Schwingen bringen

Predigttext: Matthäus 11,25-30 (mit exegetisch-homiletischen Impulsen und Gebeten)
Kirche / Ort: Trinitatiskirche / Berlin-Charlottenburg
Datum: 03.05.2015
Kirchenjahr: Kantate (4. Sonntag nach Ostern)
Autor/in: Pfarrer Mag. Theol. Ulrich Hutter-Wolandt

Predigttext: Matthäus 11,25-30 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984

Zu der Zeit fing Jesus an und sprach:Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du dies den Weisen und Klugen verborgen hast und hast es den Unmündigen offenbart. Ja, Vater; denn so hat es dir wohlgefallen. Alles ist mir übergeben von meinem Vater; und niemand kennt den Sohn als nur der Vater; und niemand kennt den Vater als nur der Sohn und wem es der Sohn offenbaren will. Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken. Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht.

Exegetische-homiletische Impulse

Im Predigttext Mt 11,25-30 begegnet dem Leser einer der bekanntesten Sätze des Neuen Testament: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid ...“. Der Vers 28 im 11. Kap, ist so etwas wie ein Scharnier, zwischen den Teilen Mt 5-7 (Bergpredigt), den öffentlichen Wundertaten Jesu (Mt 8-9) und der Reaktion des Volkes (Mt 10-11) sowie dem Kap 12, mit dem die Ablehnung Jesu durch die Religionsverantwortlichen des Judentums noch einmal sehr deutlich geschildert wird. Diese ablehnende Haltung der Pharisäer zeigt sich v.a. in dem Tötungsbeschluss Mt 12,14 und es dürfte kein Zufall sein, dass dieses Wort im Matthäusevangelium gerade hier steht, am Ende des 11. Kapitels.

Auf den ersten Blick erscheint Mt 11,25-30 als eine Einheit. Doch unter literarkritischen Gesichtspunkten lässt sich diese Einheitlichkeit nicht aufrecht erhalten. Denn 11, 25-27 entspricht ziemlich genau Lk 10, 21f., so dass diese Vers aus Q stammen. Die V 28-30 kommen nur im Mtev. vor, was darauf schließen lässt, dass sie nicht in Q gestanden haben; sie gehören zum Sondergut des Mt, wie Ulrich Luz in seinem Mt-Kommentar gezeigt hat (199ff.). Einige Exegeten erkennen in den Versen 25-30 sogar drei Abschnitte: Die V. 25-26 sind eine Toda, ein Dankgebet, wie es uns auch in den Psalmen oder in den Lobliedern aus Qumran begegnet. V 27 ist demnach ein Kommentarwort, mit dem Jesus eine Aussage über sich selbst und das wechselseitige Erkennen zwischen ihm und dem Vater gemacht hat, und die VV 28-30 sind eine freundliche Einladung an die Menschen, die sich immer abmühen. Diese Worte kommen den Einladungen aus der Weisheitsliteratur oder den Ansichten des Weisheitslehrers in der Weisheitsliteratur sehr nahe. Die früher von der Formgeschichte vertretene Ansicht, mit Mt 11, 25-30 liege eine dreiteilige Einheit vor, kann heute ad acta gelegt werden. Mt hat die ihm vorliegenden einzelnen Elemente durch geschickte Verbindungswörter zu einer schlüssigen Einheit verknüpft.

Nach den Weherufen Jesu (V 20-24) wendet sich Jesus in V. 25 mit einem Lobpreis an Gott, wie es damals im Judentum üblich war. Es stellt sich in diesem Vers 25 die Frage, warum Jesus hier Gott dafür preist, dass Gott sich so aktiv vor den „Weltweisen“ also den Klugen und Gebildeten verbirgt und sich den Einfältigen also den armen sozial benachteiligen Menschen offenbart? Jesus sieht hier Gott in der gleichen Richtung handeln wie er es schon im Alten Testament getan hat: er erwählt Schwache, nicht gebildete Menschen, sondern einfache Menschen, damit seine Macht und Herrlichkeit sichtbar werden. Damit wird in den Versen 25-26 festgehalten, dass das Thema der Zuwendung Gottes zu den Kleinen, Schwachen und Einfachen ein sehr tröstliches ist, weil wir Menschen uns Heil weder selbst machen noch zusprechen können. Nach dem Dankgebet Jesu wirkt V. 27 auf den Leser wie ein Kommentar zum vorher Gesagten. Und V. 27 wird danach mit Vers 28 sehr eng verbunden: Jesus belässt es nicht bei dem ihm übertragenen Wollen, sondern führt das bisher Gesagte mit dem anschließenden Heilandsruf zu einem Abschluss.

Die Verse 28-30 haben Parallelen in der jüdischen Weisheitsliteratur. Jesu Ruf an die Beladenen findet sich in ähnlicher Formulierung auch in einem Wort des Weisheitslehrers in Sir 51,23. Ob die in den Versen 28-30 angesprochenen Frommen der Einladung Jesu folgen? Für die im 12. Kap. auftretenden Pharisäer trifft dies nicht zu. Ihr Ansinnen ist, Jesus zu Fall zu bringen und das Todesurteil über ihn zu sprechen.
Der Mensch findet Heil einzig in der Nachfolge und Lehre Jesu. Während die Pharisäer die Erfüllung des Gesetzes fordern, was viele Menschen als Joch und Last erleben, wird Jesu Joch nicht als Last erfahren, sondern als mild und damit als Vorgriff auf das eschatologische Heil. Das heißt nicht, dass Jesu Jünger aller Belastung entledigt sind, doch werden sie von der Last des Alltags nicht erdrückt, sondern können in der Freiheit seiner Verkündigung aufatmen und Befreiung erfahren. Das führt zum Loben und Danken, ja zum Singen, weil es eine Herzensangelegenheit ist, Gott zu loben und zu preisen und weil es eine lebensbejahende Botschaft ist, die Jesus den Menschen verkündigt.

Die Zeit nach Ostern ist eine Wegezeit, so wie sie die Jünger auf dem Weg nach Emmaus erfahren haben. Diese Wegezeit will uns sagen: Ein Weg liegt vor dir. Und: Du hast Ruhe und Zeit. Es darf auch ganz langsam und sachte zugehen, dieser Weg vom Dunkel (Karfreitag) ins Licht (Ostern). Aber es gibt ihn, diesen Weg, auf dem du froh und heil werden kannst und darum kannst du ihn zuversichtlich und freudig gehen. Zu diesem heilsamen Prozess gehört, dass wir nicht so tun müssen, als seien Gesundheit, unsere Kraft und Lebensfreude unvergänglich. Es gehört zu dem Weg, dass wir unsere Grenzen und die Vergänglichkeit bejahen können. Mit Ostern erahnen wir einen möglichen Anfang, der uns den Ausgangspunkt und die Richtung weist, wo unser Leben hinführen soll. Können wir immer laut jubeln oder laut singen? Wie stimmen wir uns darauf ein? Vielleicht gelingt uns manchmal ja nur ein leises Summen. Aber die Melodie ist schon da, zuerst ganz fein. Immer deutlicher nimmt sie Gestalt an wird sicherer, will aus uns heraus, bekommt Klang und Widerhall in der Weite.

Jubilate, jubiliert so lautete das Thema des vorigen Sonntags, Kantate, singt! lautet das Thema des heutigen Sonntags. Der Jubel über die Auferstehung und das Singen bestimmen den heutigen Sonntag. Wir sind dabei immer auf der Suche nach dem richtigen Ton, der trifft und trägt. Das gemeinsame Einüben ins Singen gibt uns Hilfe und Kraft, wenn wir manchmal mühselig und beladen sind. Versuchen wir wieder stärker in unseren Kirchen und Schulen in Vereinen und Chören das Lied der Menschenfreundlichkeit Gottes anzustimmen. Und wenn wir diese Lieder anstimmen, die nicht von uns sind und dennoch ein Stück von uns werden können, weil wir ihnen unsere Stimme geben, dann kann dies zu einer Gotteserfahrung werden.

Lieder

"Lob Gott getrost mit Singen" (EG 243)
"Ich singe dir mit Herz und Mund" (EG 324)
"Kommt her zu mir" (EG 363)

Gebete

Eingangsgebet

Gott, manchmal träumen wir davon, dass unser Leben wie ein Lied ist, heiter und beschwingt. Es geht nicht allen Menschen so, weil sie entweder einen lieben Menschen verloren haben, im Beruf keine Erfüllung erfahren oder weil gerade eine Beziehung oder Ehe auseinandergegangen sind. Nicht immer können wir in die fröhlichen Kirchenlieder einstimmen. Und dennoch dürfen wir uns über die Schöpfung freuen, die wir täglich neu erleben und bewundern: in den Blumen, Blüten und Bäumen in unseren Gärten, in den Kindern, die wir heute in diesem Gottesdienst taufen, in den Menschen, die sich mögen. Dafür danken wir dir, Gott, und singen dein Lob.

Fürbitten

Barmherziger Gott, auch wenn wir freudig singen und mit der Musik dich loben und preisen, können wir die Not in der Welt nicht vergessen. Menschen leiden im Krieg in Nigeria, im Irak oder in Syrien. Hass und Gewalt bestimmen das Leben vieler Menschen in der Welt. Wir denken auch ganz besonders an die vielen Erdbebenopfer in Nepal. Auch wenn vielen Menschen dort nicht zum Singen zu Mute ist, stärke du sie mit deinem guten Wort und nimm die Last von den Schultern dieser Menschen in den krisengeschüttelten Regionen.

Tröstender Gott, wir möchten ein Lied der Hoffnung singen für alle Menschen, für Menschen, für die Tiere, für die Pflanzen. Mach uns immer wieder stark, dass wir uns für die Mühseligen und Beladenen einsetzen und deine Schöpfung, die du uns anvertraut hast, bewahren. Mach uns stark, dass wir gegen alles Unrecht, was auf dieser Welt geschieht, unsere Stimme erheben, uns einmischen und Menschen, die verfolgt oder bedroht werden aufnehmen und ihnen eine neue Heimat geben. Lass uns mit den Fremden als Nachbarinnen und Nachbarn leben und ihnen von deiner Menschenfreundlichkeit erzählen.

Lebendiger, mutmachender Gott, lass immer wieder neu die Musik bei uns erklingen, denn durch sie werden wir getröstet und gestärkt. Lass uns spüren und ahnen, wie du diese Welt mit all ihren Stärken und Schwächen gemeint hast. Segne alle Arbeit, die in unserer Kantorei und in unserem Jungen Vocalensemble geschieht und die den Menschen etwas von der fröhlichen und befreienden Botschaft des Evangeliums nahebringen möchte. Gemeinsam stimmen wir dein Loblied an.

Literatur

Peter Fiedler, Das Matthäusevangelium (ThKNT 1), Stuttgart 2006; Hubert Frankemölle, Matthäus. Kommentar 2, Düsseldorf 1997; Marlies Gielen, Das Matthäusevangelium. Blick zurück nach vorn. Die Verflechtung des Geschicks Jesu und Jerusalem in ihrer Bedeutung für die matthäische Gemeinde, in: BiKi (2007), 152-159; Joachim Gnilka, Das Matthäusevangelium I: Mt 1,1-13,58 (HThK I/1), Freiburg 1993; Matthias Konradt, Das Evangelium nach Matthäus. NTD, Teilband 1, Göttingen 2015 (gut lesbarer neuer Kommentar zum Matthäusevangelium des Heidelberger Neutestamentlers); Ulrich Luz, Das Evangelium nach Matthäus, Das Evangelium nach Matthäus Bd. 2: Mt 8-17 (EKK I/2), Düsseldorf/Neukirchen-Vluyn 2007 (4. Aufl.); William Manson, Bist du, der da kommen soll? Wolfgang Wiefel, Das Evangelium nach Matthäus (ThHKNT 1), Leipzig 1998.

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Kantate! Singt! Diese Aufforderung haben wir eben in der Übertragung des 98. Psalms gehört. Heute ist der Sonntag „Kantate“. Das Singen prägt diesen Gottesdienst. Auch wenn es schön ist, dem Jungen Vocalensemble, das uns heute aus seinem Repertoire neue Lieder vorstellt, zuzuhören, so möchte uns der heutige Sonntag daran erinnern und uns auch ermutigen, selber die Stimme erklingen zu lassen. Wir sind alle eingeladen, selber zu singen und mit unseren Liedern Gott zu loben. Keiner braucht sich zu schämen, keiner ist ausgeschlossen. Und keiner muss sagen, ich kann ja gar nicht singen. Sie und ihr alle seid herzlich eingeladen, mitzusingen, weil wir damit Gott loben und ihm die Ehre erweisen. Nehmen Sie den Imperativ des Sonntags Kantate als Ermutigung und Einladung: Singt, Kantate!

Im Evangelium des Sonntag Kantate steht auch eine Einladung. Wir hören Mt. 11, 25-30: Zu der Zeit rief Jesus aus: Ich preise dich, Vater, du Herr über Himmel und Erde, dass du das alles den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast.Ja, Vater, so hast du es gewollt, und dafür preise ich dich. Alles hat mir mein Vater übergeben. Niemand kennt den Sohn, nur der Vater kennt ihn; und auch den Vater kennt niemand, nur der Sohn – und die, denen der Sohn es offenbaren will. Kommt zu mir, ihr alle, die ihr euch plagt und von eurer Last fast erdrückt werdet; ich werde sie euch abnehmen. Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir, denn ich bin gütig und von Herzen demütig. So werdet ihr Ruhe finden für eure Seele. Denn mein Joch drückt nicht, und meine Last ist leicht.

Immer, wenn ich mit den KonfirmandInnen die Gottesdienstordnung bespreche, stelle ich die Frage: Was würdet ihr im Gottesdienst weglassen? Einige meinen, das Singen im Gottesdienst lassen zu können, Singen macht doch keinen Spaß, das ist doch langweilig. Andere meinten, die Orgel weglassen zu können. Die hat doch immer so hohe Reparaturkosten, auf die können wir verzichten. Wir haben doch noch den schönen Y.-Flügel! Für manche KonfirmandInnen reicht im Gottesdienst das Gebet, der Psalm, das Vater Unser und der Segen. Kommt Ihnen da nicht ein komisches Gefühl? Ein Gottesdienst ohne Singen? Viele Menschen können schon gar keine Kirchenlieder mehr! CD- oder MP3-Player sorgen dafür, dass wir nicht mehr singen. Viele können selbst bei bekannten Kirchenliedern nicht einmal die erste Strophe. Und wenn ich dann unsere Gottesdienste betrachte stelle ich fest, dass Woche für Woche Menschen zusammenkommen, die im Gottesdienst singen und zwar live und in Farbe.

Martin Luther hat einmal gesagt, dass die Musik nach dem Wort Gottes die schönste Gabe Gottes an uns. Die ganze Welt ist voll von Musik. Singen im Gottesdienst ist keine Spaßveranstaltung. Vielmehr drückt sich im Singen unser Bekenntnis zu Gott aus. Das gilt selbst dann noch, wenn sich der Gesang in Klagelieder verwandelt. Und Richtig traurig wird es dann, wenn Menschen verstummen. Die Bibel des Alten und Neuen Bundes ist voll von Liedern. Musik kann heilen. Auch dazu ist sie von Gott gegeben. Sie hilft wieder, dass Menschen mit sich in Einklang kommen. Sie kann die verstummte Seele eines Menschen wieder zum Klingen und Schwingen bringen. Denn wer zu Gottes Ehre singt, reiht sich ein in den Klang der Welt. Wer sehnt sich nicht danach. Singen ist: sich sehnen nach einer Welt, die die unsere übersteigt. Das können einfach gesprochene Worte nicht ausdrücken. In allen Kulturen der Welt ist darum Musik fester Bestandteil der Religion. Ich denke ganz sicher: auch die Jünger haben mit Jesus als ihrem Lebensmittelpunkt Lieder angestimmt. Mit diesen Liedern wollten sie Gott loben, sei es aus Vergnügen, sei es auch, um sich Mut zu machen, wenn die Angst zu groß war.

Tut denn Singen gut? Sie kennen vielleicht alle das Sprichwort: Wo man singt, da lass dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder!? Es gibt das Singen, dass weder Gottes Ehre noch des Menschen Würde sucht, das nicht die Seele erhöht, sondern das Leben erniedrigt. Dagegen singen wir an, wo wir im Gottesdienst den Mund für unsere Lieder auftun. Jesus verheißt uns, dass wir Lasten tragen sollen. Wenn Jesus in seiner Verkündigung Ruhe für die Seele verheißt, dann ist das keine neue Entspannungstechnik, die Jesus seiner Gemeinde empfiehlt. Und das war auch nicht zur Zeit Jesu der Fall. Gerade in unserer schnelllebigen Zeit suchen Menschen nach Techniken, wie sie Ruhe für ihre Seele finden können. Und diese Ruhe ist nicht etwas, was wir anfertigen oder herstellen können. Ruhe für die Seele, das Finden eines inneren Gleichgewichtes, das geschieht da, wo ein Mensch in einer lebendigen Beziehung zu Gott steht. Der Kirchenvater Augustin hat es einmal so formuliert: „Unruhig ist unser Herz, bis dass es Ruhe findet in dir.“ Der Weg zur Ruhe der Seele führt zu Gott. Doch dies ist keine Einbahnstraße, sondern eine Zweibahnstraße. Gott kommt uns Menschen entgegen, er wurde Mensch und kommt uns in Jesus ganz nahe. Er begegnet uns im menschenfreudlichen Gesicht Jesu. Und deshalb können wir, wenn wir Jesu Einladung folgen, zuversichtlich sein, dass Gott uns nahe ist und uns liebt.

Jesus lädt die Menschen zu sich ein. Er will uns in der Beziehung zu Gott bringen und damit zu einem inneren Gleichgewicht verhelfen. Das heißt: es muss sich an mir und in mir etwas ändern, damit Gott Gestalt in meinem Leben bekommen kann. Nicht ohne Grund kann Jesus deshalb sagen: „Lernt von mir!“ Wir kennen eben Gott nicht von Natur aus und erkennen ihn nicht durch unseren Verstand, wir kennen ihn durch Jesus und er gibt uns – im Vaterunser – einen direkten Zugang zu seinem Vater. Wir können mit ihm reden, wir können von ihm erzählen und ihn anklagen. All das hält er aus. Es ist die Einladung von Jesus Christus, zu ihm zu kommen mit allem was wir haben, mit allen Lasten, die uns bedrücken, kurzum so wie wir sind. Hier geht es nicht um Vorbedingungen, nicht um Leistung, wie dürfen kommen, so wie wir sind. Wir müssen nichts mitbringen, nichts vorweisen. Wir müssen nichts präsentieren, und auch unsere bisweilen tollen Zeugnisse zählen nichts. Deshalb ist es wichtig, auf die zu schauen, die am Boden liegen, die nichts haben, womit sie anderen imponieren können. Sie haben Würde vor Gott und darum dürfen wir uns auch dafür einsetzen, dass sie ihre Würde bei den Menschen behalten.

All das ist Grund genug zum Singen. Wir können Loblieder singen, weil wir aufatmen können. Denn Leben ist doch kein Wettkampf, bei dem es darauf ankommt, zu den Besten oder Ersten zu gehören. Die Botschaft an diesem Sonntag Kantate ist auch, dass wir Klagelieder anstimmen dürfen, weil die Welt nicht so ist, wie sie Gott gewollt hat. Immer noch müssen Menschen unter den verschiedenen Jochen leiden, der Leistungs- und Erfolgsgesellschaft, den Kriegen, den Entführungen in Nigeria oder der Erdbebenkatastrophe in Nepal, wo Tausende von Menschen bislang ums Leben gekommen sind. Denn immer noch werden zu viele Menschen unterjocht oder jochen sich freiwillig den falschen Prinzipien unter. In Jesus Christus ist Gott Mensch geworden, er hat die Menschen zur Freiheit berufen. Wir leben als freie Menschen unter Gottes Gebundenheit. Wir können aufatmen und Lieder anstimmen, die Dank, Lob und Klage, die Melodien in Dur und Moll singen, einzig deshalb, weil Gott sich uns zugewendet und uns von den unterschiedlichen Jochen befreit hat. Ist das nicht ein Grund zur Freude und zum Singen?

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Ein Kommentar zu ““Cantate” – Grund zum Singen?

  1. Pastor Heinz Rußmann

    Im Sinne seiner sehr erhellenden und tiefschürfenden Bibelauslegung im Vorspann beginnt der der Pfarrer seine Predigt mit der Aufforderung: Wir sind eingeladen Gott mit unseren Liedern zu loben, besonders am Sonntag Kantate. Im Predigttext preist Jesus seinen Vater im Himmel. Dann macht der Prediger auf die Krise aufmerksam, dass manche Konfirmanden und Gemeindemitglieder ungern singen im CD-Player Zeitalter. Dagegen setzt der Prediger sehr eindringliche und poetische Argumente für die Musik besonders in der Kirche. Für Luther war die Musik die schönste Gabe Gottes an uns nach dem Wort Gottes. Musik kann Seelen heilen. Wer zu Gottes Ehre singt, reiht sich ein in den Klang der Welt.Jesus hat sicher auch mit den Jüngern gesungen. Singen im Gottesdienst heilt die Unruhe in unseren Herzen bis wir Ruhe finden in Gott. Unsere Lieder steigen auf zu Gott und Gott kommt uns entgegen beim Singen und durch Jesus. Durch ihn haben wir immer wieder einen Zugang zu Gott. Ohne Vorleistung werden wir von Gott angenommen. Im Schlussabsatz bekräftigt der Prediger nach so vielen warmen Worten, dass wir auch in Moll und in Trübsal Dir, Gott, singen können. Dann spricht er aber noch über das Kriegselend in der Welt. Das Herz des Hörers zieht sich sicher kalt zusammen, bis der letzte Satz wieder heilende Wärme verspricht. Besonders die vielen tiefgründigen Aussagen über die Kirchenmusik gefallen sicher sehr gut.

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