Dankbares Singen befohlen!

Was wir nicht sagen können, können wir singen…

Predigttext: Kolosser 3,12-17
Kirche / Ort: Aachen
Datum: 15.05.2022
Kirchenjahr: Kantate (4. Sonntag nach Ostern)
Autor/in: Pfarrer Manfred Wussow

Predigttext: Kolosser 3,12-17 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 2017)

12 So zieht nun an als die Auserwählten Gottes, als die Heiligen und Geliebten, herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld; 13 und ertrage einer den andern und vergebt euch untereinander, wenn jemand Klage hat gegen den andern; wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr!
14 Über alles aber zieht an die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit.
15 Und der Friede Christi, zu dem ihr berufen seid in einem Leibe, regiere in euren Herzen; und seid dankbar.
16 Lasst das Wort Christi reichlich unter euch wohnen: Lehrt und ermahnt einander in aller Weisheit; mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern singt Gott dankbar in euren Herzen.
17 Und alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen des Herrn Jesus und dankt Gott, dem Vater, durch ihn.

Vorüberlegungen und homiletische Einstimmung

Über „Singen“ ließen sich große Reden halten, besser ist, viel zu singen. Die Predigt wird in einen großen Lobpreis eingebettet: Ich gebe keine Liednummern an – die Gottesdienstbesucher wählen Lied um Lied. Sogar die Responsorien werden ersetzt werden müssen, um die vielen Vorschläge und Wünsche überhaupt unterzubringen. Ein bunter Frühlingsstrauß! Nicht für die Augen, für Ohr und Herz. Die Aufforderung, die im Namen des Sonntags liegt – Cantate! – soll wörtlich genommen werden. Die Predigt ist dann wie eine Insel, um Luft zu holen.

Eine schöne Einstimmung in den Predigttext finden wir in der  Kantate von Dietrich Buxtehude:

„Alles was ihr tut mit Worten oder mit Werken“ (BuxWV 4): https://www.youtube.com/watch?v=zoavG7sRTRc

Chor

(Kol. 3, 17)

Alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen Jesu, und danket Gott und dem Vater durch ihn.

Aria

(anonym)

Dir, dir Höchster, dir alleine, alles, Alleshöchster, dir, Sinnen, Kräfte und Begier ich nur aufzuopfern meine, Alles sei nach aller Pflicht nur zu deinem Preis gericht. Helft mir spielen, jauchzen, singen, hebt die Herzen himmelan, jubele, was jubeln kann, lasst all’ Instrumenten klingen. Alles sei nach aller Pflicht nur zu deinem Preis gericht. Vater, hilf uns Jesu willen, lass das Loben löblich sein und zum Himmel dringen ein, unser Wünschen zu erfüllen, dass dein Herz nach Vaterspflicht sei zu unserm Heil gericht.

Arioso

(Ps. 37, 4)

Habe deine Lust am Herrn, der wird dir geben, was dein Herz wünscht.

Choral

(Georg Niege)

Gott will ich lassen raten, denn er all’ Ding vermag, er segne meine Taten, mein Vornehmen und mein Sach’, den ich’s ihm heimgestellt, mein’ Leib, mein’ Seel, mein Leben, und was er mir sonst geben: er mach’s, wie’s ihm gefällt. Darauf so sprech ich Amen, und zweifle nicht daran, Gott wird uns all’ zusammen ihm wohlgefallen lan. Drauf streck’ ich auf mein Hand, greif an das Werk mit Freuden, dazu mich Gott bescheiden in mein’m Beruf und Stand.

Chor

(Kol. 3, 17)

Alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen Jesu, und danket Gott und dem Vater durch ihn.

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Die Predigt atmet diese Kantate, wenn es dem Prediger, der Predigerin schon nicht gegeben ist, den markigen Einstieg auf der Kanzel volltönend zu singen: Alles, was ihr tut – alles, was ihr tut …

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Befohlenes Singen

Uns wird das Singen befohlen! Heute! Cantate! Auf deutsch: Singet! Ausrufezeichen! Was wir singen, wird nicht gesagt. Weder, was wir singen können noch was wir singen sollen. Aber das ist dann wohl auch nicht so wichtig. Die Auswahl ist riesengroß. So reich wie die Erfahrungen, die wir machen. Der Vorrat reicht für 24 Stunden. Und mehr. Für Jauchzer, für Klagen, für Liebeslieder. Liebeslieder – eins schöner als das andere. Oder sind Kirchenlieder gemeint? Die aus dem dicken Gesangbuch?

In unserem Gottesdienst nehmen wir den „Singebefehl“ heute wörtlich. Kein SLied ist angeschlagen, kein Lied ausgesucht. Sie haben Ihre Wünsche in die Kirche gerufen. Es gab sogar einen Wettstreit! Lieder auf Vorrat! Wir singen uns die Lieder zu. Die Lieder nehmen uns mit. Ist das eine Lied verklungen, fügt sich das andere an. Wir haben auch gehört:  „Lasst das Wort Christi reichlich unter euch wohnen: Lehrt und ermahnt einander in aller Weisheit; mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern singt Gott dankbar in euren Herzen.“

Unser Organist, unsere Organistin kommt aus dem Blättern nicht mehr heraus. Einen lieben Gruß an die Orgel: was für ein Glück, dass ihr alles begleitet! Danke! Ob ich auf Zuruf eine Predigt halten könnte? Wir probieren es demnächst mal aus. Mal schauen, wie weit der Mut reicht. Mit jedem Lied spüren wir die Bewegung, die durch die Kirche zieht. Es ist wie ein Tanz der Weisen. Alte Lieder, neue Lieder – bekannte, weniger bekannte – traurige, verwegene. Was wir nicht sagen können, können wir singen! Wir leihen uns Worte und Melodien. Und es werden unsere Worte, unsere Melodien.

Cantate! Singet!

So ganz nebenbei: Ermahnen heißt nicht einfach „kritisieren“ oder gute Ratschläge geben oder es besser zu wissen – Ermahnen heißt, sich gegenseitig aufzurichten, fröhlich zu machen, mutig zu werden. Siehst du, sagt das Lied: Ich kann das!

Alles

Dietrich Buxtehude – um 1637 in Dänemark geboren, gestorben 1707 – hat eine Kantate geschrieben: Alles, was ihr tut. Betont, am Anfang, am Ende: Alles, was ihr tut, alles, was ihr tut. Alles! Eine Kantate. Ein Chor singt, Solisten treten auf und Musikanten spielen. Was sofort auffällt, ist, dass Buxtehude unseren Predigttext vertont: Mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern singen wir Gott dankbar in unseren Herzen – und dann kommt der Höhepunkt:  „Und alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen des Herrn Jesus und dankt Gott, dem Vater, durch ihn.“ Wir singen, was wir tun – und wir tun, was wir singen. Buxtehude lässt den Chor singen: „Alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen Jesu, und danket Gott und dem Vater durch ihn“. Dann kommt eine Arie: 

„Dir, dir Höchster, dir alleine, alles, Alleshöchster, dir, Sinnen, Kräfte und Begier ich nur aufzuopfern meine, Alles sei nach aller Pflicht nur auf deinem Preis gericht. Helft mir spielen, jauchzen, singen, hebt die Herzen himmelan, jubele, was jubeln kann, lasst all’ Instrumenten klingen. Alles sei nach aller Pflicht nur zu deinem Preis gericht. Vater, hilf um Jesu willen, lass das Loben löblich sein und zum Himmel dringen ein, unser Wünschen zu erfüllen, dass dein Herz nach Vaterspflicht sei zu unserm Heil gericht“. Eine andere Stimme singt dann:

„Habe deine Lust am Herrn, der wird dir geben, was dein Herze wünscht“. (Ps. 37, 4) Ein Choral fügt sich an:

„Gott will ich lassen raten, denn er all’ Ding vermag, er segne meine Taten, mein Vornehmen und mein Sach’, den ich’s ihm heimgestellt, mein’ Leib, mein’ Seel, mein Leben, und was er mir sonst gegeben: er mach’s, wie’s ihm gefällt. Darauf so sprech ich Amen, und zweifle nicht daran, Gott wird uns all’ zusammen ihm wohlgefallen sein. Drauf streck’ ich auf mein Hand, greif an das Werk mit Freuden, dazu mich Gott beschieden in mein’m Beruf und Stand“. Am Ende singt der ganze Chor wieder:

„Alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen Jesu, und danket Gott und dem Vater durch ihn“.

Alles! Alles, was ihr tut!

Tatsächlich: Gesungen, vielstimmig gesungen, wird auch alles leicht. Leichter. Leicht wie eine Melodie, die unser Leben verzaubert. Viele Lieder drücken Erfahrungen aus, die Menschen vor uns gemacht haben. Viele Lieder auch, was Zeitgenossen zu singen wagen. Von Hoffnungen. Vertrauen. Manchmal schließen wir die Augen. Manchmal kommen sogar die Tränen. Unsere Seelen vibrieren, zittern, schwingen sich zum Himmel auf.  Im Kolosserbrief, unserem Predigttext, heißt es: Und der Friede Christi, zu dem ihr berufen seid in einem Leibe, regiere in euren Herzen; und seid dankbar.  Und jetzt sind Sie wieder dran: Was singen wir?

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