“Das Gebet, das die Welt umspannt”

Eine Nachdichtung zum Vater unser

Predigttext: Matthäus 6,(5-6 ) 7-13 (14-15 )
Kirche / Ort: Lübeck
Datum: 05.05.2013
Kirchenjahr: Rogate (5. Sonntag nach Ostern)
Autor/in: Pastores i.R. Heinz Rußmann und Christoph Kühne

Predigttext: Matthäus 6,9-139 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

Darum sollt ihr so beten: Unser Vater im Himmel! Dein Name werde geheiligt.  10 Dein Reich komme. Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.  11 Unser tägliches Brot gib uns heute.  12 Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.  13 Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. [ Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen. ]

Vorbemerkung

Das Vaterunser ist das verbreitetste  Gebet der Welt. Um es heute neu und interessant zu  predigen, empfehle ich, dem Theologen Eugen Drewermann folgen. Er vertritt in seinem Matthäus–Kommentar (Bd.1 S. 526 ff )  die originelle, neue These, dass man das Vaterunser in der Predigt nicht kommentieren und auslegen kann. Man kann es nur mit Empathie und Poesie nachdichten. Dafür gibt er in seinem Kommentar überzeugende Beispiele. Deswegen  die Empfehlung, das Vaterunser meditierend, paraphrasierend und poetisch zu predigen und verkündigen. Zur Bibel-Auslegung und zu den Predigtüberlegungen s. die Predigt-Impulse im DtPfrbl. 3/2013, S.159  von Heinz Rußmann.

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Wie können wir Christen das Vaterunser, unser wichtigstes Gebet, so verstehen, dass es aus tiefsten Herzen kommt und „Gott wohlgefällig ist“?  Der bekannte Theologe Drewermann hat darauf aufmerksam gemacht, dass unser  Vaterunser-Gebet  im Grunde ein Gedicht ist.  Wie geht man damit um?  Wie kann man erfassen, was es aussagen will?  Es gibt eine Grenze,  Gedichte zu analysieren und zu kommentieren.  Leicht  verfehlt man dann den tieferen Sinn und wird  nicht seelisch einschwingend eingewoben. Mit dieser Predigt möchte ich versuchen, das Vaterunser einfühlsam nachzudichten.  Ich lade Sie ein, den Weg dieses Gebets gemeinsam zu gehen.

Vater unser im Himmel

Wie gut, dass wir Dich so nennen können!  Hinter unserer so  widersprüchlichen Welt stehst Du als ein planender väterlicher und auch liebevoll mütterlicher Wille. Du bist unser ein und alles!  Davon sind wir überzeugt! Mit Dir erhält unsere Welt und die Entstehung des Lebens vom Einzeller bis zum intelligenten Menschen ihren Sinn und Zusammenhang!  Du bist die Energie, die Kraft und Macht und die Intelligenz hinter der   großen Wirklichkeit, die wir nicht ausloten können!  – Bei allen Abenteuern unseres  Lebens, die wir erleben und erleiden, wissen wir Dich  um uns. Du bist uns nah.  So wie ein lieber Vater, so wie eine liebe Mutter die  Wege ihrer Kinder  in Gedanken  liebe- und vertrauensvoll aus der Ferne begleitet, so denkst Du  „im Himmel“ an uns.   Du hilfst uns weiter, wenn wir Dich in Not wie ein Kind anflehen. Du tröstest uns, wenn wir uns im Leid  einsam fühlen. Du gibst uns einen Halt  mit   Mut und guten Gedanken, lässt uns wachsen und die Welt verstehen. Immer wieder lockst Du uns, mit Dir wie mit einem guten Vater zu reden. –  Wir blicken zurück auf unseren Lebensweg: wie oft hast Du uns in Not und Gefahr geholfen, ja gerettet!  Wie oft wurden wir in unserem Vertrauen  bestärkt,   dass hinter dem „Sternenzelt ein lieber Vater wohnen muß“ (Schiller )!  Lieber Vater im Himmel, gib dass diese  kleine und doch so große und reiche Erde ein friedlicher Wohnort wird für alle deine Menschen-Kinder und wir  nach Deiner Absicht geschwisterlich mit Dir als Vater    zusammenhalten und zusammenleben.

Geheiligt werde dein Name

Es gibt Augenblicke, in denen wir etwas von Deiner Liebe, Güte und Ewigkeit  spüren und  wir Dich anerkennen, lieben und ehren können. –  Gib, dass wir das Leben heiligen und Demut lernen und wir unter Deinem Namen einander wertschätzen.  Wie viele Menschen aus allen Nationen suchen Dich mit ihren Gottesdiensten, ihrer Verehrung, ihrer Liebe.  Gib, dass sie sich nicht zerstreiten wegen der „richtigen“ Verehrung. Dass sie nicht die  Art des Gottesglaubens  anderer arrogant, unverständig und intolerant beurteilen, sie  schlecht machen oder sogar mit Gewalt bekämpfen. So kann Dein Name doch nie geheiligt werden!  Durch den  aggressiven,  rechthaberischen, kompromisslosen  Streit um die rechte Heiligung,  wird Dein Name besonders entheiligt und entwürdigt. Der  kämpferische  Streit  der Religionen um Deine richtige Verehrung wird  bei denen, die Dich bisher nicht verehren  können,  zum besonderen  Grund für ihr hämisches Gespött.  Schenke uns, dass wir mit offenem und reinen Herzen Dich anerkennen, ehren. Das wir  es lernen, Dich und Deinen Namen zu  heiligen.- Besonders bitten wir Dich, dass Dein ewiges Friedens- Reich endlich kommt.

Dein Reich komme

Was Du planst und vorhast soll endlich  kommen.  In diesen wirren und unübersichtlichen Zeiten mit leider vielen Kriegsschauplätzen leuchtet trotzdem manchmal etwas von Deinem Reich auf.  Inseln des Friedens entstehen manchmal dort, wo Menschen sich sehen und begegnen, sich nahe kommen und versöhnen.  Du, Gott-Vater,  hast allein einen festen, total zuverlässigen Plan mit uns und führst deine Schöpfung zum Ziel. Du bist „unsere Zuflucht für und für“  (Psalm 90,1)und wirst alle Tränen trocknen.  Du bist unser fester Halt. Du bist treu, liebevoll und ewig. Du bist unterwegs mit Deinen Kindern auf der Wanderung durch die Zeit und führst sie zum ewigen Ziel, dem Friedensreich bei Dir!  Die Zeit verrinnt, bis sie umschlägt in die Ewigkeit.

Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden

Nicht nur in Deinem Himmelreich und im Gespräch mit Deinen Boten-Engeln und bei himmlischer  Sphären-Musik der Engel in Deiner Nähe soll Dein Wille in voller Harmonie geschehen! Bringe Du das liebevolle Miteinander in Deinem Himmelreich auf unsere  Erde, so  dass Menschen wie Jesus fragen, was der Andere wirklich will, was er braucht, woran er leidet, was seine berechtigte Sehnsucht ist.  Versöhne uns untereinander. Verwandle uns in Lichtgestalten, bis uns Dein ewiges Licht hinüberträgt zu Dir.

Unser tägliches Brot gib uns heute

Gib uns, soviel wir zum Leben notwendig brauchen! Viele von uns zersorgen sich um ihr tägliches Brot, um ihren Lebensunterhalt und um genug bezahlte Arbeit. Steh uns bei mit  unseren täglichen Sorgen um unser Leben. So brauchen wir uns nicht um unsere Zukunft zersorgen.  Schenke Vertrauen! – Öffne uns auch die Augen, Ohren, unser Herz und  unsere Hände, dass wir verstehen wie wichtig Dir das tägliche Brot für alle Menschen ist. Gib, dass wir an die Millionen von Hungernden denken und alles tun, um ihre Not zu lindern. Es gibt genug Nahrung auf der Erde.  Beschämend ist, dass wir sie nicht genug  verteilen  unter Deine Menschen.  Gib uns Freude, uns für „Brot für die Welt“ u.ä.  einzusetzen. Gib, dass wir  auch im Alltag uns für Schulbrot  für arme Kinder in Deutschland engagieren  und uns  für Arbeitsplätze für Arme einsetzen, uns umhören  und  Adressen verteilen.

Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern 

Verzeihe uns, lieber Vater im Himmel, und  kehre bitte  die Spuren fort, die wir lebensfeindlich in fremden Leben hinterlassen haben und die wir selbst nicht mehr in Ordnung bringen können!  Vergebung allein lässt uns leben, weitergehen, sodass wir nicht im Sumpf lähmender Schuld versinken. Schuld macht uns einsam. Hartherzige Verweigerung von Vergebung auch. Wunden werden geheilt durch verzeihende Liebe. Vergebung schafft neue Gemeinschaft. Wir gehen aufeinander zu, verlassen die Schuld und räumen aus dem Weg, was uns trennt. Wir fangen neu an, leben gemeinsam, Dann wird die Freude wachsen, weil unser Leben Kreise zieht.

Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen 

Versuchungen zeigen uns zwar oft Wege zu neuen Chancen unseres Lebens. Doch es gibt auch  immer wieder Versuchungen, die unser Leben gefährden. Sie können in Sucht und  Unglück führen, in Verletzungen, in  Irrwege und Sackgassen.  Die schlimmste Versuchung: Ohne Dich und gegen Dich zu leben.  Lieber Vater im Himmel ! Gib uns einen klaren, durch Jesus geschärften Blick für das Wesentliche, für das Notwendige, für das Leben, die Liebe  und die Freude!  Entreiße uns von allem versucherisch Bösen, Gierigem und Dummen und von der Mutlosigkeit, der  Lebensverweigerug und der lähmenden Angst!  Bewahre uns in allen  Versuchungen!

Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit   

Dein Reich möge uns alle aufnehmen mit Deiner liebevollen Energie und Großartigkeit – für alle Zeiten.  Gib uns vor allem, dass wir die starke Sehnsucht nach Deinem Friedensreich  nicht verlieren!

Amen 

Amen, ja das stimmt, das ist felsenfest wahr!  Denn Du, Gott lässt uns jetzt leben, gibst uns täglich,  was wir   brauchen. Deine Zukunfts- Visionen lassen uns aufblicken,   wenn unsere  Zuversicht dunkel und am Ende ist,  Du  stützt uns, wenn Stürme des Schicksals unsere  Pläne ins Wanken bringen. Ein gemeinsam gesprochenes Amen erinnert uns wohltuend an die durch Dich gestiftete Gemeinschaft und deshalb:  ja,  Amen, ich halte mich fest an Dir,  Du bist mein felsenfester Fels! Amen!

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Ein Kommentar zu ““Das Gebet, das die Welt umspannt”

  1. Hans-Dieter Krüger

    In einem homiletischen Seminar fiel einmal der Satz: „Eine gute Predigt sollte immer in der Sprache des Gebetes verfasst werden.“ Das ist hier vorzüglich gelungen. Die Formulierungen sind manchmal ungewohnt, aber in ihrer Originalität entfalten sie ihren besonderen Reiz. Souverän werden die aktuellen Themen, die Menschen bewegen, aufgenommen und vor Gott gebracht. Die Gemeinde als Gegenüber zum Predigenden tritt zurück. Sie wird in die Anbetung, Bitte und Fürbitte hineingenommen. Passt gut zum Sonntag Rogate.

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