Predigt

"Das Lächeln des Narren"

Ist Frömmigkeit zu einem Standortvorteil verkommen?

PredigttextJesaja 58,1-9a
Kirche / Ort:Christuskirche / Aachen
Datum:02.03.2014
Kirchenjahr:Estomihi
Autor:Pfarrer Manfred Wussow

Predigttext: Jesaja 58,1-9a (Uebersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

1 Rufe getrost, halte nicht an dich! Erhebe deine Stimme wie eine Posaune und verkündige meinem Volk seine Abtrünnigkeit und dem Hause Jakob seine Sünden! 2 Sie suchen mich täglich und begehren meine Wege zu wissen, als wären sie ein Volk, das die Gerechtigkeit schon getan und das Recht seines Gottes nicht verlassen hätte. Sie fordern von mir Recht, sie begehren, dass Gott sich nahe. 3 »Warum fasten wir und du siehst es nicht an? Warum kasteien wir unseren Leib und du willst's nicht wissen?«

Siehe, an dem Tag, da ihr fastet, geht ihr doch euren Geschäften nach und bedrückt alle eure Arbeiter. 4 Siehe, wenn ihr fastet, hadert und zankt ihr und schlagt mit gottloser Faust drein. Ihr sollt nicht so fasten, wie ihr jetzt tut, wenn eure Stimme in der Höhe gehört werden soll. 5 Soll das ein Fasten sein, an dem ich Gefallen habe, ein Tag, an dem man sich kasteit, wenn ein Mensch seinen Kopf hängen lässt wie Schilf und in Sack und Asche sich bettet? Wollt ihr das ein Fasten nennen und einen Tag, an dem der HERR Wohlgefallen hat? 6 Das aber ist ein Fasten, an dem ich Gefallen habe: Lass los, die du mit Unrecht gebunden hast, lass ledig, auf die du das Joch gelegt hast! Gib frei, die du bedrückst, reiß jedes Joch weg! 7 Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus! Wenn du einen nackt siehst, so kleide ihn, und entzieh dich nicht deinem Fleisch und Blut! 8 Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und deine Heilung wird schnell voranschreiten, und deine Gerechtigkeit wird vor dir hergehen, und die Herrlichkeit des HERRN wird deinen Zug beschließen. 9 Dann wirst du rufen und der HERR wird dir antworten. Wenn du schreist, wird er sagen: Siehe, hier bin ich.

Exegetisch-Homiletische Vorüberlegungen

Jes. 58,1-9a (der Text geht allerdings weiter als der Perikopenschnitt) ist eine „Gottesrede“: von (1) dem Auftrag an den Propheten, zu rufen und nicht an sich zu halten über (2) die Predigt an das Volk bis zu (3) der Verheißung, dass Gerechtigkeit und Herrlichkeit Anfang und Ende eines Weges markieren, der Menschen ins Leben führt. Jes. 58,1-9a wird Jesaja zugeschrieben. Doch der „anonyme“ Prophet, der als„dritter“ Jesaja in den Fußstapfen seiner Vorgänger geht, begleitet den Neuanfang seines Volkes. Nach der schrecklichsten Erfahrung (Fall des Tempels, Deportation nach Babel) kehrt das Volk Gottes in seine Heimat zurück oder bildet „Gemeinden“ in der Zerstreuung.

Schon die ältere Prophetie hatte das Augenmerk auf die soziale Seite der Bundestreue Jahwes gelegt und Frömmigkeitsformen, die einerseits entlasten, andererseits erstarren und zu einer falschen Sicherheit verführen, als tödlich gekennzeichnet. Das Exil konnte – oder musste - als Gericht Jahwes verstanden werden. Jes. 58,1-9a ist ein Aufruf, den neuen Anfang nicht mit alten Gewohnheiten und Versuchungen zu verspielen. Ein Beispiel greift der Prophet heraus: Fasten. Es ist - religionsgeschichtlich - eine altbewährte und weit verbreitete Frömmigkeitsübung. Die Vorbereitung schlechthin, Gott zu begegnen. Großes Beispiel ist Mose. Die Evangelien erzählen, dass Jesus fastet. Leere trifft auf Fülle. Jes. 58,1-9a deckt jedoch auch die Intentionen auf, die Fasten ins Leere führt: wenn Menschen Gott vereinnahmen, andererseits aber das Zusammenleben nicht nach seinem Gebot ausrichten, wird Fasten zu einem „Selbstläufer“. Die Gottesrede setzt dagegen: (6) Das aber ist ein Fasten, an dem ich Gefallen habe… und dann kommen Imperative, die weit über das hinausgehen, womit sich Fasten begnügt. Die Verantwortung der Menschen wird offen gelegt: „die du mit Unrecht gebunden hast“, „auf die du das Joch gelegt hast“.

Die homiletische Situation ist in einer doppelten Weise geprägt: Einmal werden an vielen Stellen Deutschlands die „tollen Tage“ begangen (Karneval), die – ursprünglich – Höhepunkt der Lebensfreude vor dem Fasten sind, andererseits haben Menschen „Fasten“ neu für sich entdeckt. Dabei findet nicht nur die „Fastenzeit“ – 40 Tage zwischen Aschermittwoch und Ostern – neue Freunde und Freundinnen , sondern auch die individuelle Herausforderung, sich in Entschlackung und Verschlankung zu üben ( vgl. http://www.heilfastenkur.de/). Die alte Frömmigskeitsübung „Fasten“ hat die Säkularisierung „heil“ überstanden, ja, sogar an Statur gewonnen, wenn auch individualisiert und profaniert: „Der Speck muss weg“. Wer versucht, den Buchmarkt zu überblicken, wird von der Fülle erschlagen. Dabei ist das Thema „Diät“ allerdings ein Wohlstandsthema – und viel näher an Jes. 58,1-9a dran als geahnt oder gewünscht. Rund zwei Millionen Menschen nehmen jedes Jahr an der Fastenaktion der evangelischen Kirche teil (Infos unter: http://www.sieben-wochen-ohne.de/). Die kath. Pfarrgemeinde St. Peter in Linz bietet einen virtuellen Fastenkalender an, der täglich „Impulse“ verschickt (Anmeldungen sind – kostenlos – möglich unter: http://www.fastenkalender.or.at/). Allerdings wird – im Spiegel von Jes. 58,1-9a – auch sichtbar, dass die gesellschaftlichen Herausforderungen immer neu zu entdecken sind. Was „ist ein Fasten, an dem ich Gefallen habe…“? – in der Globalisierung, auf den Märkten, in der Finanzwelt?

Sonntag vor der Passionszeit: Estomihi

Hinauf nach Jerusalem: Leidensankündigung und Ruf in die Nachfolge bestimmen das Evangelium (Mk 8,31-38) am Sonntag Estomihi, der seinen Namen von den Worten hat, mit denen der Leitvers zum Eingangspsalm beginnt: »Sei mir ein starker Fels und eine Burg...« (Ps 31). Kultkritische Töne schlägt die alttestamentliche Lesung Am 5,21-24 an: »Es ströme aber das Recht wie Wasser...« Quelle: http://www.velkd.de/405.php

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Die mit exegetischen Impulsen, Gebeten und einem Essay zu "Exegese und Homiletik" verbundenen Auslegungen wissen sich in einer weltweiten Communio, die "aus den Quellen des Heils" schöpft (Jesaja 12,3)... mehr lesen

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