"Das Licht scheint in der Finsternis …"
Jesus von Nazareth, das Licht der Welt, sucht Menschen, die sein Licht weiter tragen, Glaube, Hoffnung, Liebe
Predigttext | Johannes 8,12-16 |
---|---|
Kirche / Ort: | Lübeck |
Datum: | 26.12.2016 |
Kirchenjahr: | Christfest (2) |
Autor: | Pastor em. Hans-Dieter Krüger |
Predigttext: Johannes 8,12-16 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)
12 Da redete Jesus abermals zu ihnen und sprach: Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben. 13 Da sprachen die Pharisäer zu ihm: Du gibst Zeugnis von dir selbst; dein Zeugnis ist nicht wahr. 14 Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Auch wenn ich von mir selbst zeuge, ist mein Zeugnis wahr; denn ich weiß, woher ich gekommen bin und wohin ich gehe; ihr aber wißt nicht, woher ich komme oder wohin ich gehe. 15 Ihr richtet nach dem Fleisch, ich richte niemand. 16 Wenn ich aber richte, so ist mein Richten gerecht; denn ich bin's nicht allein, sondern ich und der Vater, der mich gesandt hat.
Licht und Schatten
Wie schön ist es, wenn wir von uns sagen können: In meinem Leben gibt es mehr Licht als Schatten, die guten Zeiten mit glücklichen Stunden überwiegen die dunklen Stunden. Wie dankbar können wir sein, wenn wir mit einem heiteren Sinn ausgestattet sind, der es uns ermöglicht, mit Enttäuschungen, Kränkungen und Schicksalsschlägen besser fertig zu werden als andere, deren Gemütslage eher durch Missmut und Trübsinn gekennzeichnet ist.
Ein fröhliches Herz ist ein großes Geschenk Gottes. Nun gibt es zu denen, die mit solch glücklicher Natur begnadet sind, auch eine negative Entsprechung: Dazu gehören die geborenen Pessimisten. Äußerlich geht es ihnen oft gar nicht mal schlecht. Sie haben Arbeit, Erfolg im Beruf, eine intakte Familie, sind gesund und könnten darüber froh und dankbar sein. Aber im Hintergrund ihres Herzens wirken Kräfte, die ihnen ständig Bilder der Sorge und Angst vor Augen malen. Wir kennen sicher solche Menschen. Ihnen ist das Jammern, Schimpfen und Klagen zum täglichen Ritual geworden. Nichts gibt es, was sie zufrieden stellen kann. An allem und jedem haben sie etwas auszusetzen. In jeder Suppe finden sie ein Haar. Ich hoffe, wir gehören nicht zu dieser Art von Zeitgenossen. Dennoch werden auch wir zuweilen von düsteren Gedanken bedrängt, schleichen sich Ängste in unsere Seele ein und trüben unsere Lebensfreude.
Da kann man die gut gemeinten Ratschläge und Aufrufe verstehen, die uns empfehlen, sich einen Ruck zu geben und den Schalter der Gemütslage wieder auf positiv zu stellen: „Lass die Sonne in dein Herz, schick die Sehnsucht himmelwärts“, so heißt es in einem bekannten, preisgekrönten Lied. Mancher versucht, durch das Anschauen einer Komödie seine traurige Stimmungslage aufzuhellen. Das lässt für eine Weile vergessen, was ihn bedrückt. Oder er flieht in die Welt des Alkohols und der Drogen und hofft dadurch Hilfe und Erleichterung zu finden. Eine zeitlang scheint das sogar zu gelingen. Aber bald kehrt die Traurigkeit zurück und legt sich wie Mehltau aufs Gemüt. Ganz schlimm ist es, wenn die dunklen Kräfte im Hintergrund des Herzens so mächtig werden, dass ein Mensch nicht mehr aus noch ein weiß, weil er alle Lebensfreude und jeden Lebenswillen verloren hat.
Jesus kennt diese Not. Er spricht von der Finsternis als einer Macht, die nach uns greift und beherrschen möchte. Einmal sagt er, dass wir mit dieser Wirklichkeit rechnen müssen und stellt nüchtern fest: „In der Welt habt ihr Angst.“ Die Angst ist auch ihm nicht fremd gewesen. Am heftigsten begegnete er ihr bei seinem Gebetskampf im Garten Gethsemane. Aber er wurde mit ihr fertig. Er besiegte sie im Vertrauen auf den himmlischen Vater: „Nicht mein, sondern dein Wille geschehe“. Damit war die Sache entschieden, der Kampf gewonnen. Darum konnte er am Kreuz auch die sieghaften Worte sprechen: „Es ist vollbracht“. Damit ist das Heilswerk Gottes gemeint.
Obwohl die Sonne ihren Schein verlor, leuchtete gerade in dieser Stunde das Evangelium in seiner ganzen Helligkeit auf. Gerade da dürfen wir die Vaterliebe Gottes erkennen. Gekrönt und besiegelt wurde dieser Sieg auf Golgatha am Ostersonntag, als über dem Grab Jesu die Sonne aufleuchtete und seine Auferstehung gefeiert wurde. Ab jetzt ist die Sehnsucht der Menschen nach Licht, nach Erlösung, nach Ewigkeit gestillt. Wenn wir auf unser unvermeidliches irdisches Ende blicken, richten wir unsere Hoffnung auf ihn und lassen uns stärken durch die Zusagen, dass wir ein Erbe antreten werden, das er für uns erworben hat. Es ist unvergänglich und verwelkt nicht (1. Petrus 1,4).
„Ich bin das Licht der Welt!“ sagt Jesus. Die Pharisäer haben seinerzeit widersprochen: „Was du von dir behauptest, ist nicht wahr”. Seitdem zieht sich dieser Einspruch wie eine misstönende Melodie durch die Geschichte. Johannes beschreibt diese ablehnende Haltung am Anfang seines Evangeliums: „Das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat’s nicht begriffen“ (Johannes 1,5). Kurz darnach heißt es: „Er kam in sein Eigentum; und die Seinen nahmen ihn nicht auf“ (1,11). Ich hoffe, dass wir nicht zu denen gehören, die das „Licht der Welt“ zurückweisen. Ich wünsche uns, dass wir zu denen zählen, von denen Johannes sagt, dass sie Gottes Kinder werden, weil sie ihn in ihr Leben aufnehmen. Was für eine wunderbare Welt tut sich da für uns auf: Welch ein Reichtum steht uns auf einmal zu Verfügung. In einem Lied heißt es: „Gottes Liebe ist wie die Sonne, sie ist immer und überall da. Streck dich ihr entgegen, nimm soviel du willst!“ Und Paul Gerhardt lässt uns singen: „Die Sonne, die mir lachet, ist mein Herr Jesus Christ…“
Licht der Welt
„Ich bin das Licht der Welt“ sagt Jesus. Im Alten Testament, der Bibel Jeus, heißt es in Psalm 27: „Der Herr ist mein Licht und mein Heil“. Für Sehgeschädigte und Blinde haben wir diese Bibelstelle in hübsche Gläser eingravieren lassen und sie ihnen bei Geburtstagen und Jubiläen überreicht. Über dem Text sind Strahlen eingearbeitet, die Licht und Sonne symbolhaft darstellen. Man kann die Gravur mit den Fingerspitzen ertasten und sich an die Bedeutung dieses Wortes erinnern lassen. Dazu stimmen wir mit ihnen immer wieder aus Paul Gerhardts Lied „Du meine Seele singe“ die für Blinde besonders zutreffende 6. Strophe an: „Er ist das Licht der Blinden, erleuchtet ihr Gesicht…“ In Psalm 104 preist David die Schöpferkraft Gottes: „Licht ist dein Kleid, das du anhast.“ Auf den ersten Seiten der Bibel wird berichtet, wie vor der Schöpfung das reine Chaos herrschte. Gottes erste Schöpfungstat war die Erschaffung des Lichts. Die Bibel lehrt, dass Jesus Christus dabei mitwirkte. Seine Rolle als Erlöser war von Anfang an vorgesehen.
Eine besonders eindrucksvolle Stelle finden wir in Psalm 139, dort beschreibt David Gottes Nähe zu uns. Ganz gleich, wo wir sind: Gott ist da und umgibt uns. Selbst im Tode sind wir nicht ohne Gott. Auch tiefste Dunkelheit muss weichen, wenn Gott kommt: „Spräche ich: Finsternis möge mich decken und Nacht um mich sein – so wäre auch die Finsternis nicht finster bei dir, und die Nacht leuchtete wie der Tag“. Wie vielen trauernden Menschen sind diese Gottesworte zum Segen geworden. Auch der Apostel Paulus machte diese trostvolle Erfahrung. Er konnte die Gemeinde in Philippi sogar zur Freude aufrufen, obwohl seine Situation beklagenswert war: Er saß nämlich im Gefängnis. Er war von der Außenwelt abgeschnitten. Trotzdem liegt der Glanz einer großen Freude über diesem Brief aus der Gefangenschaft. Und das liegt daran, dass er Jesus kannte und ihm nachfolgte.
Da wurde das Versprechen, das Jesus gegeben hat, eingelöst: Ihm wurde das Licht des Lebens geschenkt. Die Finsternis hatte keine Macht über ihn. Er nahm in Anspruch, was vorhanden war. Er ist in das strahlende Licht getreten, das Jesus Christus verbreitete. Martin Luther hat es später so ausgedrückt: „Um Sonne und Licht zu erfahren, da muss man aus dem dunklen Haus seines Lebens in die Sonne hineinspringen“. Diese Sonne leuchtet ja! So kann ich diese Wärme, diesen hellen Schein, ausnutzen, für mich in Anspruch nehmen. „Jesus, die Sonne, das strahlende Licht! Jesus, die Freude, die Mauern durchbricht …“ so besingen die Diakonissen aus Aidlingen diese Erfahrung in einem ihrer besten Lieder (Jesu Name 4, Nr. 1038 – Hänssler-Verlag). Der Erlöser ist gekommen, der Heiland ist erschienen. Das ist die Kernbotschaft von Weihnachten. Jesus Christus ist da und verbreitet Zuversicht und Hoffnung. Darum ist es richtig, wenn wir an diesen Festtagen viele Kerzen entzünden und durch sie uns immer wieder daran erinnern lassen.
Im Licht leben
Jesus hat von sich als dem „Licht der Welt“ gesprochen. Auch seinen Jüngern spricht er diesen besonderen Rang zu: „Ihr seid das Licht der Welt“ (Matthäus 5,14). Welch eine Würdigung ist das für sie gewesen und ist es für uns, die wir uns als seine Nachfolger betrachten dürfen. Wir möchten vielleicht zurückzucken vor so viel Ehre, die uns hier erwiesen wird. Vielleicht haben wir auch die verständliche Sorge, diesem hohen Anspruch nicht zu genügen. Wir möchten auch nicht verwechselt werden mit denen, die sich als bessere Christen hervortun und die Nase hoch tragen. So etwas gibt es ja leider. Ich hoffe, nicht bei uns. Aber diese Bedenken sind zweitrangig gegenüber unserer Berufung, Licht für die Welt zu sein. Jesus holt uns in seine unmittelbare Nähe. Er lässt uns teilhaben an der Lichtfülle und Strahlkraft, die seine Person kennzeichnet, auch wenn wir einschränkend dem Liederdichter zustimmen: „Er das Licht und wir der Schein“ (EG 251,1). Jesus wertet uns zu Trägern des Lichts auf. Wir werden dadurch hoffentlich zu einer Wohltat und einem Segen für unsere Umgebung.
Uns begegnen auf Schritt und Tritt verzagte und entmutigten Menschen. Wir hören täglich das Klagen über die schlechten Verhältnisse. Unglaube und Zweifel führen das Wort. Ständig werden wir mit abfälligen Reden über Abwesende konfrontiert. Wir erleben, wie Krankheitsnöte die Seelen niederdrücken, wie Fehler und Schuld Gemüter verstören. Wie Sorgen wegen der Familie das Leben trüben. Wie Zukunftsängste die Diskussionen bestimmen. Die Liste der unschönen und bedrückenden Möglichkeiten, die die Finsternis bereit hält, kann jeder für sich fortschreiben: Aber gerade hier zünden wir Lichter der Zuversicht, des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe an und leuchten auf diese Weise hinein in die Finsternis der Welt und das Dunkel der Menschenleben.
Hier stehen wir mit unserem Herrn in einer Linie. Damit reden wir nicht einem billigen Optimismus das Wort: „Alles wird gut!“ Was die irdischen Bereiche angeht, haben wir eher das Gegenteil zu erwarten. Jesus spricht davon, dass Kriege, Verfolgungen und Naturkatastrophen zunehmen werden. Wir haben vielleicht noch schwere Zeiten vor uns. Umso wichtiger ist es, auf die Verheißung zu achten, die Jesus denen zusagt, die ihm nachfolgen: Sie werden das „Licht des Lebens“ haben. Wie können wir darauf besser antworten als mit dem Lied, das wir gleich anstimmen, gedichtet von Friedrich Adolf Lampe (EG 597), wo es in der dritten Strophe heißt:
Lass in deinem Licht mich wandeln, o du heller Morgenstern. Lehr mich, dass ich recht zu handeln aus dem Wort des Lebens lern. Und gleichwie du für und für bist des Vaters Bild und Zier, also lass, Herr, deine Strahlen in mir auch dein Bildnis malen.