Gründonnerstag, Tag der Einsetzung des hl. Abendmahls. Der Tag, an dem Jesus ein letztes Mal während seiner Erdentage mit seinen Jüngern zusammen war. Wie so oft waren sie zum Abendbrot mit ihm um einen Tisch versammelt.
Abendmahl – Byzantinischer Meister
Sie wussten es zu schätzen. Gemeinsames Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen. Bei Jesus hatten sie gelernt und erfahren, wieviel Sinn und Halt eine Gemeinschaft geben kann. Gemeinschaft, „Koinonia“. Wie ein Brot, aus vielen Körnern. Ein Laib / Leib. Ein organisches Ganzes. Kein Organ führt ein Eigenleben, nur im Miteinander erfüllt es seine Bestimmung.
I.
„Das tut zu meinem Gedächtnis”, legte der Scheidende den Bleibenden ans Herz. Irgendwann, dachten die Ahnungslosen vielleicht. Trotz verschiedener Ankündigungen ihres Rabbi, was draußen vor den Toren Jerusalems bald geschehen werde, sie konnten und wollten es sich nicht vorstellen. Nicht zu denken an ein Leben ohne ihn. Hatten sie sich doch dafür entschieden, mit ihm das Leben zu teilen, auf Wanderschaft mit ihm zu gehen. Für Gott. Für die Menschen. Viele Jahre mit ihm würden noch folgen. Wer weiß, ob er sie nicht alle überleben wird?
„Das tut zu meinem Gedächtnis!” Was meint er? Was sollen wir tun? Zusammenkommen? So wie an diesem Abend? Und wie sie es auf den Wegen mit ihm gewohnt waren? Miteinander essen und trinken. Miteinander. Ja, das ist ihm wichtig. Weil wir dann erst wirklich satt werden, an Leib und Seele. Brot des Lebens, der Gemeinschaft, der Liebe, „Kommunion“. Alle an einem Tisch versammelt. Auf dem Tisch das Brot (ein Fladenbrot) und der Kelch, ein Becher, gefüllt mit dem Saft der Reben. Ein ihnen vertrauter Anblick. Brauch in jeder Familie.
Der Hausvater ist für das Tischgebet zuständig, es verbindet die Versammelten zur Gemeinschaft. Er nimmt das Brot, dankt und segnet das Brot mit den Worten: „Gepriesen seist Du, Adonaj, unser Gott, König der Welt, der das Brot aus der Erde hervorgehen lässt“ (das hebräische Wort Adonaj umschreibt den Gottesnamen des biblischen Israel, den die Juden aus Ehrfurcht bis heute nicht aussprechen, Martin Luther schreibt dafür „Herr“ mit drei Großbuchstaben). Die Tischgemeinschaft antwortet auf das Segensgebet mit einem bekräftigenden „Amen“. Daraufhin bricht er für jeden ein Stück vom Brot ab, zuletzt für sich, dann essen alle. So haben alle an einem Brot teil. Sie essen und spüren es. „Das Brot, das wir brechen“, geteiltes Brot. Brot der Gemeinschaft. Niemand ißt / ist für sich allein.
Nach dem Mahl fordert der Hausvater (oder ein Gast) die Tischgemeinschaft auf mit den Worten: „Lasset uns preisen Adonaj, unseren Gott, dem gehört, was wir genossen haben“. Alle antworten: „Gepriesen sei Adonaj, unser Gott für die Speise, die wir gegessen haben“. Danach nimmt er den Becher und spricht den Segen darüber: „Gepriesen seist Du, Adonaj, unser Gott, König der Welt, der Du die ganze Welt ernährst mit Güte, Gnade, Barmherzigkeit“. Nach dem „Amen“ der Tischgemeinschaft gibt der Hausvater den „gesegneten Kelch“, den „Segensbecher“, weiter. Alle trinken daraus. Alle eignen sich dadurch den Segen an, verleiben ihn ein. Sie trinken und spüren ihn. Niemand trinkt für sich allein. Gesegneter Kelch.
Alle an einem Tisch versammelt. Wir sehen einander. Auge in Auge. Und Er sieht uns. Heute am Tisch (hier) in der Kirche, seinem Tisch. Ein einfacher Tisch. Sein alltäglicher Gebrauch wird zum Symbol für gemeinsames Leben. Einander nicht aus den Augen lassen. Füreinander da sein. Miteinander gehen. Einander ein Segen sein. Gesegneter Kelch. Gesegnetes Brot.
II.
Jener Abend sollte für die Jünger Jesu zu einem denkwürdigen Datum werden. Noch waren sie ahnungslos, was am nächsten Tag geschehen wird. „Das tut zu meinem Gedächtnis.“ Was am nächsten Tag geschah, trieb sie auseinander. Hatte es jetzt noch Sinn, zusammen zu kommen. Genügte es nicht, wenn jeder seine früheren Wege geht und für sich allein trauert? Mit der Kreuzigung Jesu und seinem Tod war ihnen alles genommen, was ihr Leben an seiner Seite erfüllte. Bis der Totgeglaubte unerkannt Zweien seiner Jünger von neuem begegnet. Auf ihrem Weg nach Hause erzählen sie ihm, was sie mit jenem Hoffnungsträger aus Nazareth erlebten, und wie furchtbar sein Weg draußen vor den Toren Jerusalems endete. Als er, an ihrem Haus in Emmaus angekommen, gehen will, bitten sie ihn, noch zu bleiben.
Beim Abendessen geschieht das Unverhoffte. Überraschend begibt sich der fremde Gast in die Rolle des Hausvaters, nimmt das Brot, dankt, bricht es in Stücke und gibt es ihnen. Da werden ihre Augen geöffnet. Sie erkennen den so schmerzlich Vermissten. Erinnerungen werden wach. Das letzte Ma(h)l vor drei Tagen. Als er plötzlich vor ihnen verschwindet, teilen sie einander staunend mit, was sie an diesem ganz anderen Abend empfanden: „Brannte nicht unser Herz in uns?“ (Lukas 24,32). Gesegneter Kelch. Kelch des Heils. Gesegnetes Brot. Brot des Lebens. Sie können nicht für sich behalten, was sie erlebten. Die verstörten Elf in Jerusalem müssen es wissen.
„Das tut zu meinem Gedächtnis.“ Diese Worte bekommen jetzt einen neuen Klang. Wenn sie künftig zusammenkommen, gedenken sie nicht nur eines Toten, sondern feiern das Gedächtnis an Ihn, der lebt. Er hat dem Tod die Macht genommen und das Leben aufleuchten lassen (2. Timotheus 1,10). Evangelium, gute Nachricht. In der Tischgemeinschaft in seinem Sinn werden die Teilnehmenden zu Botschafterinnen und Botschaftern einer heilvollen Zeit. Zeit Gottes. Schon angebrochen. Jetzt. Hier und heute. Sie schmecken das Leben. Leben in Fülle. Leben, das mehr ist als was sie vor Augen sehen. Sie werden Jesu Aufruf befolgen und immer wieder tun, was er ihnen auftrug.
„Zu meinem Gedächtnis“, diese Worte hatten für sie noch einen anderen Sinn, der war ihnen aus ihrer Bibel vertraut. Darin ist vom Gedenken Gottes die Rede. Gott gedenkt. Darum bitten sie nach dem Pessachmahl, Gott möge seines Messias gedenken, indem er die ersehnte Wende herbeiführt. Dadurch wird die Tischgemeinschaft mit Brot und Kelch zu einem starken Symbol. Sie verbindet zur Gemeinde Jesu, des Messias / des Christus, die Gottes Name in der Welt ehrt und nicht müde wird, Gott anzurufen: „Gedenke an Deine Gemeinde, die zerstreut ist in aller Welt, und bringe sie zusammen in deinem Reich“.
III.
Was damals bei der Fortsetzung des gemeinsamen Mahls nach Ostern geschah, bekam „globale“ Bedeutung. Oft gehörte Bibelworte fingen ganz neu an zu sprechen, wie jene Ankündigungen des Propheten Jesaja: „Gott wird die Völker zu einem festlichen Mahl einladen“ (Jesaja 25,6), und: „Kein Volk wird mehr gegen das andere sein, sie werden nicht mehr lernen, Krieg zu führen“ (Jesaja 2,4). Globale Gemeinde. Weltweit. Alle gehören zusammen. Schwestern und Brüder.
Wenige Jahre nach Karfreitag und Ostern, jenen drei Tagen, die am Gründonnerstagabend begannen, kann Paulus von Tarsus von einer außergewöhnlichen Begegnung mit dem auferstandenen Herrn berichten. „Gott offenbarte in mir seinen Sohn“, schreibt er im Galaterbrief, „damit ich ihn durchs Evangelium verkündigen sollte unter den Völkern“ (Galater 1,15f.). Es war sein Erlebnis vor der syrischen Stadt Damaskus, das sein Leben radikal veränderte. Berufen zum Sendboten Jesu Christi, zum Apostel für die Völker.
Die Bedeutung jenes Gründonnerstags wurde dem Völkerapostel durch eine auf Jesus zurückgehende Überlieferung vermittelt. Seiner Gemeinde in Korinth schreibt er: „Denn ich habe von dem Herrn empfangen, was ich euch weitergegeben habe: Der Herr Jesus, in der Nacht, da er verraten ward, nahm er das Brot, dankte und brach’s und sprach: Das ist mein Leib für euch; das tut zu meinem Gedächtnis. Desgleichen nahm er auch den Kelch nach dem Mahl und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut; das tut, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis. Denn sooft ihr von diesem Brot esst und von dem Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt” (1. Korinther 11,23-26). Den Tod Jesu verkündigen? Dazu musste es erst Ostern / Pessach werden.
Im Licht des Ostermorgens verstanden die Jünger seine überraschenden Worte, als er am Gründonnerstagabend nach dem Dankgebet das Brot brach, es ihnen gab und sprach: „Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird“. Jesus verglich das gebrochene Brot mit seinem Leib, „für euch gegeben“, und den roten Wein im Kelch mit seinem Blut, „für euch vergossen“. Deutende Worte kannten die Jünger aus der Feier des Pessachmahles, sie waren ihnen vertraut. Das Pessachlamm erinnert an die Befreiung der Israeliten aus ägyptischer Sklaverei, das ungesäuerte Brot an die Eile des Auszugs, die Bitterkräuter an die Bitterkeit des Sklavendaseins. Darum konnten sie an jenem Abend die ungewöhnliche Deutung durch Jesus (noch) nicht verstehen.
Jesus, das Pessachlamm, das die Sünde der Welt trägt? Nichts musste ihnen zu diesem Zeitpunkt ferner liegen als ein solcher Gedanke. Bis in ihnen das Herz brannte und sie bejahen konnten, was der Apostel Paulus in die rhetorische Frage fasste und damit die auseinanderdriftende Gemeinde zur Einigkeit am Tisch des Herrn aufrief: „Der gesegnete Kelch, den wir segnen, ist der nicht die Gemeinschaft des Blutes Christi? Das Brot, das wir brechen, ist das nicht die Gemeinschaft des Leibes Christi? Denn ein Brot ist’s: So sind wir viele ein Leib, weil wir alle an einem Brot teilhaben“.
Meditation 1 (als Eingangsgebet)
Wanderndes Gottesvolk
ich bin unterwegs
ich habe ein ziel
ich bin nicht allein
viele gehen mit
gott begleitet uns
wir begleiten einander
wir sind unterwegs
wir sind einander verbunden
glauben hoffen lieben
Meditation 2 (vor dem Credo)
Salz der Erde
würze tut gut
macht geschmack
gut tun will ich
fragen
klären
begeistern
ermutigen
trösten
nicht fade werden
Meditation 3 (vor den Fürbitten)
Kirche oder: Haus der lebendigen Steine
ich bin teil eines ganzen
ich habe eine aufgabe
ich baue mit
leben schützen
frieden schaffen
wir gestalten beziehung
fügen zusammen
sind einfühlsam
steine die einander halten
Meditation 4 (vor dem Segen)
Leib Christi
ich bin lebendig
ich lebe in ihm
ich bin eingegliedert
in die gemeinschaft
in die hoffnung
wir leben füreinander
wir teilen freude
wir sehen leid
leib der zusammenhält
Text: Heinz Janssen