Das Wort Gottes in die Welt hinaustragen
Evangelium - Nachricht, die in Bewegung bringt
Predigttext: 2. Thessalonicher 3,1-5 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)
1 Weiter, liebe Brüder, betet für uns, dass das Wort des Herrn laufe und gepriesen werde wie bei euch
2 und dass wir erlöst werden von den falschen und bösen Menschen; denn der Glaube ist nicht jedermanns Ding.
3 Aber der Herr ist treu; der wird euch stärken und bewahren vor dem Bösen.
4 Wir haben aber das Vertrauen zu euch in dem Herrn, dass ihr tut und tun werdet, was wir gebieten.
5 Der Herr aber richte eure Herzen aus auf die Liebe Gottes und auf die Geduld Christi.
Vorbemerkung
Der Verfasser des 2. Thessalonicher-Briefes ist ein unbekannter Schreiber, der unter dem Pseudonym des Apostel Paulus schrieb. Möglicherweise hat der 1. Thessalonicher-Brief, der von Paulus geschrieben wurde, als Vorlage gedient. Die Makrostruktur dieses Briefes ist komplett übernommen worden. Ganze Passagen stimmen im Wortlaut beinahe überein. In der Eschatologie zB. unterscheiden sich 1. und 2. Thessalonicher. Bei Paulus steht der Auferstandene im Mittelpunkt, bei dem Schreiber des 2. Thessalonicher die Vernichtung des Antichristen.
2. Thessalonicher 3,1-5 ist ein Sammelsurium an Gedanken mit wenig geistlichem Tiefgang. Es gibt spannendere Predigt-Perikopen als diese. Unter dem Gedanken der Bewegung habe ich eine unter vielen möglichen Predigten versucht. Das Laufen des Evangeliums, das Beten für andere Menschen, das Vertrauen zu Gott bringt uns Christen in dynamische Prozesse und gibt uns Weite, die uns über unsere kirchliche ingroup hinausschauen lässt auf das, was uns nicht unbewegt (unberührt) lassen kann. So bewegen wir im Gottesdienst und in unserem Alltag unsere Herzen auf die Liebe Gottes und die Geduld Christi.
Laufen
Auf unserem zweiseitigen Gottesdienstblatt (Din-A-4), das wir Sonntag für Sonntag nach dem Gottesdienst in unseren rheinhessischen Kirchengemeinden Schornsheim und Udenheim an die Gottesdienstteilnehmerinnen und -teilnehmer verteilen, finden sich neben dem Schriftzug „Gottesdienst“ zwei Gestalten, die sich im Laufen befinden. Offensichtlich rennt der Pfarrer mit der Bibel in der Hand einem Sportler hinterher. Der Gedanke kommt dabei auf, dass der Pfarrer dem Sportler das Wort Gottes, das Evangelium, die gute Nachricht, wie eine Staffel übergeben möchte. Ein schönes Bild, das verdeutlicht, dass das Wort Gottes aus der Kirche in die Welt hinausgetragen wird (https://www.ev-schornsheim-udenheim.de/main2.html).
„Betet für uns, dass das Wort des Herrn laufe …!“ Schon sind wir inmitten eines dynamischen Prozesses. Vom Laufen, von einer Bewegung redet da der Schreiber des 2. Thessalonicher. Ihm liegt es am Herzen, dass das die gute Nachricht, das Wort des Herrn nicht nur bei den Thessalonichern gepriesen wird, sondern auch bei vielen anderen Menschen. Nun aber gab es zur Zeit unseres Briefschreibers kein Telefon, auch keine Zeitung, kein Radio und schon gar kein Fernsehen. Als Fortbewegungsmöglichkeit über Land blieb nur der Fußweg. Wer eine Nachricht überbringen wollte, musste laufen. Manchmal waren es große Strecken für einen Läufer oder Boten. Der bekannteste aus der Antike ist der Marathon-Läufer, der im Jahr 490 v. Chr. die Siegesnachricht der Athener über die Perser von Marathon nach Athen über eine stolze Entfernung von 42,2 km getragen hat.
Wir kennen die Redewendung: „Die Nachricht hat sich wie ein Lauffeuer verbreitet”, und wir gebrauchen sie, wenn sich eine Information in Windeseile ausbreitet und bekannt wird. In einem Dorf geht das bei brisanten Nachrichten schnell von Mund zu Mund, von Ohr zu Ohr. Zu Martin Luthers Zeiten ging es von Stadt zu Stadt über die Druckerpresse, die gerade erfunden war und Informationen über das gedruckte Wort verbreitete. Heute denken wir vor allem an das Internet. Wie schnell können sich über Facebook und Twitter Nachrichten über die ganze Welt ausbreiten und bekannt werden. Die Möglichkeiten, etwas bekannt zu machen, was uns am Herzen liegt, und an andere Menschen weiterzugeben, sind heute vielfältig wie nie zuvor. Auf diese Weise ist viel am Laufen.
Beten
Aber nicht nur das Laufen der guten Nachricht, das Umtriebigsein der frohen Botschaft ist ein dynamischer Prozess. Auch dass unser Schreiber des 2. Thessalonicher-Briefes die Angeredeten mit in die Pflicht nimmt. Er ermuntert sie und uns zum Beten. Auch damit setzt er einen dynamischen Prozess in Gang. Weil ein Gebet sich auf etwas zu bewegt. Weil ein Gebet ein Ziel verfolgt. Weil ein Gebet eine bessere Welt vor Augen hat. Unsere Fürbitte am Ende des Gottesdienstes nimmt gewisse Dinge in den Blick. Wir richten unser Augenmerk auf Probleme, die bestimmte Menschen haben. Oder wir benennen Krisen, Situationen, die katastrophal und beklagenswert sind. Dabei sehen wir in unseren Fürbitten das Bedrückende, das Lähmende, das Angstmachende, das Unvollkommene.
Doch wir bleiben dabei nicht stehen. Wir blicken stets über das unbefriedigende Jetzt hinaus auf mögliche positive Veränderungen. So wenden wir uns gegen einen Stillstand und gegen ein sich Zufriedengeben mit dem, was und wie es ist. Schon sind wir mitgenommen in eine Bewegung, die unsere Aufmerksamkeit gewinnt. Das Fokussieren und Benennen dessen, was sich ändern soll, macht uns hellsichtig für die Belange unserer Welt. Wann immer wir für jemanden oder für etwas beten, wird uns bewusst, wo die Welt im Argen liegt. Und es wird uns einsichtig, wofür wir eintreten und wo unsere Zuwendung gebraucht wird. Zu einer Herzensangelegenheit kann das für uns werden. Mit einem Male kreisen wir nicht mehr nur um uns selbst. Unser Blick gewinnt Weite, wenn wir andere mit in unser Gebet hineinnehmen.
Indem wir andere Menschen mit ins Gebet nehmen, ist die gute Nachricht, die frohe Botschaft, das Evangelium im Laufen. Unterwegs zu den Menschen. Da verlässt das Wort des Herrn den geschlossenen Raum der Kirche. Die frohe Botschaft überwindet die begrenzenden Mauern der Kirchengemeinde. Das Evangelium findet sich mitten in der Welt wieder. Da, wo gestritten wird – und man sich nach Versöhnung sehnt. Da, wo gelitten wird – und tröstender Beistand willkommen ist. Da, wo verwundet wird – und heilendes Verständnis nötig ist. In unseren Fürbitten legen wir den Finger in die Wunden dieser Welt. Wir wünschen uns nichts mehr, als dass diese Wunden heilen würden. Wir erkennen unsere Verantwortung und sehen eine Aufgabe darin, das Evangelium zu den Menschen zu bringen.
Vertrauen
„Der Glaube ist nicht jedermanns Ding“, stellt der Schreiber unseres 2. Thessalonicher-Briefes fest. Wäre es anders, hätten wir am Sonntagmorgen eine volle Kirche und an Mitarbeiter(inne)n würde es uns nicht mangeln. Wir würden zuversichtlicher in die Zukunft unserer Kirche schauen und nicht so sehr auf die Austrittsstatistiken und den demografischen Faktor schielen. Wir hätten keine Bange in der Frage des Pfarrer/innen-Nachwuchses. Wir müssten uns weniger Gedanken um die Finanzierbarkeit der Gebäude und kirchlicher Projekte, der zukünftigen Gehälter und Pensionen machen. Wir wären gelassener im Blick auf die Wirkung des Evangeliums in dieser Welt und unserer näheren Umgebung. So aber sind wir eher skeptisch, zuweilen etwas resigniert und auf lange Sicht gesehen mangelt es uns vielleicht an Hoffnung.
Da tut so ein Satz, wie ihn unser Schreiber mitteilt und in unsere düsteren Vorstellungen hinein spricht, gut: „Der Herr ist treu; der wird euch stärken und bewahren …!“ Vertrauen wir darauf? Ist das der Grund und Boden, auf dem wir stehen? Finden wir darin Zuversicht in unser Morgen? Auch das ist ein dynamischer Prozess: Auf den vertrauen, der uns stärken und bewahren wird. Wie hoch würden wir heute Morgen unser Vertrauen zu Gott in einer Skala von eins bis zehn beschreiben? Es wird mehr oder weniger davon abhängen, wie wir uns in unserer persönlichen Situation fühlen. Geht es uns gut, steigt unser Vertrauenslevel. Befinden wir uns in einer unguten Phase unseres Lebens, sinkt unser Vertrauenslevel. Darum müssen wir uns das immer wieder neu zusagen lassen, dass Gott uns stärken und bewahren will.
„Der Herr ist treu; der wird euch stärken und bewahren …!“ Je mehr wir darauf vertrauen, desto ernster werden wir unsere Fürbitten für andere nehmen. Desto mehr werden wir unseren Gebeten zutrauen, dass sie uns und die Welt verändern. Desto eher werden sie uns aus der Ohnmacht herausführen in ein kraftvolles Vertrauen und liebvolles Gestalten. Der Schreiber unseres Briefes beschreibt die rechte Bewegung darin, dass wir unsere Herzen ausrichten auf die Liebe Gottes und die Geduld Christi. In dieser Bewegung sind wir tagtäglich in unserem Alltag. Im Umgang mit unseren Mitmenschen, in der Zuwendung zu den Bedürftigen, in der Rücksicht auf die Schwachen, im Vertrauen zu Gott, in der Hoffnung auf das Evangelium. Die göttliche Liebe und Geduld, die wir erfahren, weiterzugeben, das hält das Evangelium am Laufen.
Gottes Liebe hält das Evangelium am Laufen. Unter diesem Thema predigt Pfarrer Klein überzeugend über die Sprüche – Sammlung eines Paulus -Nachfolgers. Das Evangelium soll sich wie ein Lauffeuer verbreiten. Das ist für unsere stagnierende Kirche heute ein aktuelles Thema. Pfarrer Klein empfiehlt zuerst bei uns intensiveres Beten. Zweitens sollten wir die Nöte der Welt uns noch stärker zu einer Herzensangelegenheit machen. Drittens sollte das Evangelium die Kirchenmauern überwinden und überall verbreitet werden: wo gestritten wird, könnte es Versöhnung bringen. Der Prediger übergeht die heutigen Probleme unserer Kirche nicht und die Sorgen um ihre Zukunft. Er ermutigt aber mit den Worten des Textes: Der Herr ist treu; der wird euch stärken und bewahren. Rhetorisch geschickt erinnert Pfarrer Klein im Schlussabsatz kurz an die Abschnitte seiner Predigt, um dann zum Anfang zurück zu kehren: Die Liebe Gottes hält das Evangelium am Laufen. – Eine sehr erfreuliche, gut aufgebaute und sich verdichtende Predigt zu einer Sprüchesammlung im Neuen Testament!