Den glimmenden Docht nicht auslöschen
Christsein im Alltag - das Schwache stärken
Predigttext: Jesaja 42,1-9 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)
1 Siehe, das ist mein Knecht – ich halte ihn – und mein Auserwählter, an dem meine Seele Wohlgefallen hat. Ich habe ihm meinen Geist gegeben; er wird das Recht unter die Heiden bringen. 2 Er wird nicht schreien noch rufen, und seine Stimme wird man nicht hören auf den Gassen. 3 Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen. In Treue trägt er das Recht hinaus. 4 Er selbst wird nicht verlöschen und nicht zerbrechen, bis er auf Erden das Recht aufrichte; und die Inseln warten auf seine Weisung. 5 So spricht Gott, der HERR, der die Himmel schafft und ausbreitet, der die Erde macht und ihr Gewächs, der dem Volk auf ihr den Odem gibt und den Geist denen, die auf ihr gehen: 6 Ich, der HERR, habe dich gerufen in Gerechtigkeit und halte dich bei der Hand und behüte dich und mache dich zum Bund für das Volk, zum Licht der Heiden, 7 dass du die Augen der Blinden öffnen sollst und die Gefangenen aus dem Gefängnis führen und, die da sitzen in der Finsternis, aus dem Kerker. 8 Ich, der HERR, das ist mein Name, ich will meine Ehre keinem andern geben noch meinen Ruhm den Götzen. 9 Siehe, was ich früher verkündigt habe, ist gekommen. So verkündige ich auch Neues; ehe denn es aufgeht, lasse ich's euch hören.
Exegetische -Überlegungen
Der zweite Jesaja, Deuterojesaja genannt, von dem die Kap. 40-55 des Jesaja-Buches stammen, gilt als der „Evangelist im Alten Testament.“ Nach Gerhard von Rad hat durch seinen Mund Gott „in Worten von bisher nie gehörter Großartigkeit und zugleich betörender Lockung gesprochen.“ Für die verbannten Landsleute in Babylon hat er vor 538 v. Chr. Trost-und Verheißungs- Sprüche geschrieben, aber auch Streit- und Scheltreden u.a. Er verkündete neue Hoffnung ja Gewißheit auf eine Rückkehr der verbannten Juden aus Babylon in ihre Heimat nach Jerusalem. Dabei erinnert er an den Auszug aus Ägypten. Gott wird als Schöpfer und Herr der Geschichte dabei neu herausgestellt. Gottes Kommen steht unmittelbar bevor. Vor allen Völkern wird er seine Macht offenbaren indem er sein Volk befreit und begleitet. Tatsächlich ist ja vieles durch das Kyros-Edikt erfüllt worden. - Besonders wichtig sind die vier Gottesknechts-Lieder, die von Christen als Verheißung auf Jesus gesehen werden (z.B. wird Kapitel 53 am Karfreitag gepredigt).
Der Predigttext steht in einem der vier Gottesknechts-Lieder. Jahwe stellt seinen Gottesknecht vor , wie ein König seinen Vasallen öffentlich neu beauftragt. Der Bevollmächtigte soll vor dem Hintergrund des neuen Auszugs auch glimmende Lichter trösten und Gerechtigkeit bringen. Deutlich ist, dass der Gottesknecht leise und nicht marktschreierisch auftritt. Vor allem hilft er und heilt er. - Wer der Gottesknecht ist und was er genau tun wird, gibt den Exegeten manche Rätsel auf: Ist es der namenlose Prophet selbst oder das Volk Israel, ein Anonymer in Babylon , der Perserkönig Kyros oder ein zukünftiger Messias , für Christen Jesus . Auf jeden Fall sprechen nach Gerhard von Rad die Gottesknechts-Lieder von der Bedeutung des Knechts, die weit über Israel hinausgeht, - Exegeten sind sich recht einig, dass die Verse 5-9 ein späterer Konkretisierungs-Versuch der ersten vier Verse sind. Die ganze vorgeschlagene Predigtperikope von V.1-9 ist so dichterisch und intensiv, dass ich empfehle, nur über den ersten Teil, d.h. die V.1-4, zu predigen. Dabei möchte ich besonders thematisieren: Jesus löscht glimmendes Lebenslicht nicht aus! Die mit Abstand tiefsinnigste Interpretation des Gottesknechtes und von Deutero -Jesaja finde ich bei Gerhard von Rad : Theologie des AT , Bd. 2. 248ff. Großartig ist auch die Auslegung von Eugen Drewermann: Tröstet, tröstet mein Volk!,S.388 ff.
Zu der Problematik und der Dialektik der Starken und Schwachen in der Natur und Gesellschaft möchte ich gern hinweisen auf Pierre Teilhard de Chardin siehe meinen Aufsatz: Die Stufen der Evolution nach Teilhard de Chardin -Heinz Rußmann unter Google-Suchwort oder Wikipädia-Link
Predigt-Überlegungen: Im Anschluss an Epiphanias sollte man am ersten Epiphanias-Sonntag konzentriert predigen über Jesus, das Licht der Welt: 1. Er wird als Gottesknecht, Beauftragter, Bevollmächtigter „den glimmenden Docht nicht verlöschen“ 2. Er selbst wird nicht ausgelöscht werden bis er seinen Auftrag erfüllt hat. Die Außenseiter- und Randsiedler-Problematik sollte in einer Themen-Predigt im Zentrum stehen.
Kerzen haben die ganze Weihnachtszeit lang unsere Wohnung und unsere Stimmung erhellt und erleuchtet. Sie erinnern uns immer wieder daran, dass Jesus als das Licht der Welt zu uns gekommen ist. Sein Licht wird nicht verlöschen, niemals! Kerzen sind auch ein gutes Symbol und Vorbild für unser persönliches Leben im neuen Jahr 2014. Schön wäre es doch, wenn wir wie Kerzen in unserer Umgebung etwas Licht und Wärme, helle Aufklärung bei schwierigen Fragen und freundliche Nähe statt kalter oder gar feindlicher Distanz verbreiten könnten.
Der Predigttext stammt vom so genannten Propheten Deutero-Jesaja. Er ist der Evangelist im Alten Testament und lebte und wirkte vor dem Jahr 538 vor Christus als Jude bei seinem nach Babylon verbannten Volk. Dieser Prophet fasziniert viele Christen und mich immer wieder ganz besonders. „Durch seinen Mund hat Gott Worte von faszinierender Großartigkeit und zugleich betörender Lockung gesprochen.“ (Gerhard von Rad). Als die Juden in Babylon verbannt waren und hoffnungslos zu verlöschen drohten, bekam er einen froh machenden Auftrag von Gott. Ganz entflammt und erfreut verkündete er, dass die Juden bald nach Jerusalem zurückkehren werden. Auch predigte er, dass ein Knecht Gottes von Gott gesandt wird. Von ihm sagt er: Er und sein Licht wird nicht verlöschen, niemals!
Genauso aktuell ist auch die andere Botschaft des Propheten: Den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen. Das ist eine sehr erfreuliche Botschaft auch an uns. Denn für uns Christen ist der verheißene Gottesknecht niemand anderer als Jesus selbst. Gottesknecht kann man auch mit Vasall, Bevollmächtigter, Gottes Kind und Gottes Sohn übersetzen. Der Sohn Gottes unterstützt uns nicht nur, wenn unsere Lebensflamme hell leuchtet. Er ist auch für uns da, wenn wir schwach sind und unser Lebenslicht glimmt. Denn von allem möglichen Verlöschen sind wir alle immer wieder bedroht. Aber Jesus wird unseren glimmenden Kerzendocht nicht auslöschen. Das ist auch sein soziales Programm für viele bis heute. Denn am Rande unserer Gesellschaft haben wir viele darbende Menschen vor Augen. Deren Lebenslicht brennt auf schwacher Sparflamme, droht zu verlöschen.
Leider ist früher der originelle und wortmächtige deutsche Philosoph, Dichter und Schriftsteller Friedrich Nietzsche unter krankhaft sensiblen Verwandten aufgewachsen. Er wurde von deren lebensuntüchtigen Überempfindlichkeit angesteckt. Als erwachsener Studierter wurde er von Mitleidsgefühlen überwältigt auf der Straße beim Blick auf ein gestresstes Kutschen-Pferd. Mit Tränen in den Augen musste er es immer wieder umarmen. Mit Groll gegen seine Erziehung und aus Angst, ein Schwächling zu sein, machte er auf hart. Gegen seine übertriebene Empfindlichkeit vertrat er als Philosoph die extreme, grausame These: Was so schwach ist, dass es zu fallen droht, soll man stürzen, wörtlich: „Was fällt, soll man auch noch stoßen”. Seine These wurde grausam in der Nazizeit aufgegriffen und verwirklicht. Ich berichte davon nur, damit wir nie vergessen, was es konkret bedeutet, den glimmenden Docht auszulöschen. Sind wir nicht alle davon bedroht, dass von einem Augenblick zum nächsten unsere Lebensflamme nur noch flackert ? Jeder, der plötzlich schwer krank wurde, kann davon berichten. Ein Unglück, ein Ski- oder Verkehrsunfall lässt die Lebensflamme plötzlich nur noch glimmen. Und wenn wir alt werden, drohen uns sowieso manche Schwächen.
Jesus wird schon beim Propheten Deuterojesaja angekündigt als der, welcher das glimmende Licht nicht auslöscht. Überall sollten wir heute seine Barmherzigkeit unter uns verbreiten. Die heute bewunderten Starken, Schönen, Intelligenten und Reichen trotzen vor Lebensenergie und kommen schon allein zurecht. Sicher haben alle begabten und starken Kinder ein Anrecht, dass man sie angemessen fördert. Aber auch ihre soziale Fähigkeit, mit Unbegabteren umzugehen, gehört zum Erziehungsprogramm. Im Übrigen haben wir alle unsere Stärken und Schwächen. Der intelligenteste und cleverste Mensch, den ich kenne, ist total unmusikalisch und kann nicht singen. Manche Hochintelligenten können mit der emotionalen Intelligenz und dem Einfühlungsvermögen von Menschen mit Down-Syndrom überhaupt nicht mithalten.
Nach Weihnachten und im neuen Jahr ist es gut, wenn wir einen Blick haben für die Hilfsbedürftigen, Schwachen, Randsiedler und nicht Beachteten. Die Frage: Kann ich hier helfen?, wird uns begleiten. So lassen wir – wie Jesus – den glimmenden Docht nicht verlöschen. Zum Thema gehört auch, dass – maßgeblich wegen des Einflusses von Jesus auf unser Gewissen in Deutschland – alle aktive Sterbehilfe gesetzmäßig verboten ist. Kein Sterbender darf getötet werden durch Ärzte, Helfer oder Verwandte. Aber liebevolle, barmherzige Schmerzerleichterung und Sterbebegleitung ist im Sinne Jesu. Schwaches Lebenslicht nicht auslöschen. Beim Menschen aber sollte es nur noch den Wettbewerb der humansten Weltanschauungen und Religionen geben. Tag für Tag kann jeder Mensch als Gottes Ebenbild wie Nathan der Weise zeigen, dass seine Religion und sein Lebensstil wirklich ohne Verbrechen und Terror die menschlichste ist. Ein Beispiel aus der Arbeitswelt: Jemand sagte: Ich arbeite sehr gern in meiner leistungsorientierten Firma. Unser Chef akzeptiert nämlich auch einige schwache Kandidaten und ekelt sie nicht aus der Firma raus. Deswegen haben wir alle keine Angst, bei vorübergehenden Schwächen gekündigt und aus der Gehaltsliste der Firma ausgelöscht zu werden, und arbeiten engagiert mit frohem Mut. Christsein im Alltag, das schwaches Lebenslicht nicht auslöscht. Wie gut, dass Jesus verspricht, uns bei Schwächen beizustehen! Das gibt einen festen Grund für unser Leben.
Das Bild vom glimmenden Docht, den Gott nicht auslöschen wird, hat der Prediger sehr gut in seiner historischen Bedeutung erklärt. Besonders schön und eindrucksvoll sind aber die Aktualisierungen. Ausgehend von Jesus, der sich als Licht der Welt bezeichnet hat, ruft er die Christen auf, selber zum Licht für andere zu werden. Einen breiten Raum nimmt die Predigt ein, um Menschen, in deren Leben nur wenig Licht zu finden ist, zu beschreiben und ihnen Trost zuzusprechen. Nietzsche führt er als negatives Beispiel an. Verstörend, aber zur Recht angebracht, sein schreckliches Wort: „Was fällt, soll man auch noch stoßen” mit dem Hinweis auf die Naziideologie, lebensunwertes Leben zu vernichten. Dagegen plädiert der Prediger im Sinne des Textes dafür, für alles Schwache da zu sein und sich für sie einzusetzen. Zum Schluss wird ein starkes, positives Beispiel aus der Arbeitswelt gebracht, wo ein Betriebsleiter auch kranke und schwache Arbeitnehmer akzeptiert. So ein fürsorgliches, christliches Handeln, gehört zu Recht an den Schluss der Predigt und erfreut und ermutigt die Hörer.
Ich bin nicht davon überzeugt, dass Jesus, der erst 500 Jahre nach der Prophezeiung Jesajas geboren und gewirkt hat, sondern mit dem Gottesknecht ist ein ganz anderer Mensch gemeint. Und den Begriff Mensch hat Mann immer schon auf den Mann übertragen-schon in de gefälschten Schöpfungsgeschichte. Doch viele Christen-die meisten-glauben alles und analysieren, geschweige denn hinterfragen – nichts. Der Gottesknecht, warum sollte diese Gestalt ein Mann sein? SIE könnte ebenso ein weiblicher MENSCH SEIN. Gott ist beides und noch weit aus mehr. Also, unser Schöpfer wird schon die für das neue Zeitalter richtige Gestalt erwählt haben. Und daran werden auch Männer nichts ändern können. Sie hatten schon viel zu lange die Macht in den Händen??? Und das schreibe ich als Mann, der Frauen in Führungspositionen grundsätzlich für geeigneter hält.