Der große Gewinn

Suche nach Sinn und Erfüllung

Predigttext: Philipper 3,1-7
Kirche / Ort: Melanchthon - u. Johannes-Brenzkirche / 70734 Fellbach
Datum: 24.07.2016
Kirchenjahr: 9. Sonntag nach Trinitatis
Autor/in: Pfarrer Jürgen Bossert

Predigttext: Philipper 3, 7-11 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

7 Aber was mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Schaden erachtet.
8 Ja, ich erachte es noch alles für Schaden gegenüber der überschwänglichen Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn. Um seinetwillen ist mir das alles ein Schaden geworden, und ich erachte es für Dreck, damit ich Christus gewinne
9 und in ihm gefunden werde, dass ich nicht habe meine Gerechtigkeit, die aus dem Gesetz kommt, sondern die durch den Glauben an Christus kommt, nämlich die Gerechtigkeit, die von Gott dem Glauben zugerechnet wird.
10 Ihn möchte ich erkennen und die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden und so seinem Tode gleich gestaltet werden,
11 damit ich gelange zur Auferstehung von den Toten.

Vorbemerkung zum Predigttext

Paulus nimmt uns mit in ihm wichtige Themen, wenn er hier von seiner Lebenswende erzählt und sein Leben bilanziert. Er redet in diesen wenigen dichten Versen von der Gerechtsprechung durch Gott allein durch den Glauben (Rechtfertigung), von der Bedeutung der Verbundenheit mit Christus, er bringt die Botschaft von der Auferstehung und die aus ihr resultierende Kraft für das Leben zur Sprache. Diese Themen koppelt Paulus biographisch zurück (Phil 3, 3-6). Wegen dieser Dichte werden die noch möglichen Verse 12 – 14 nicht einbezogen. Die Predigt möchte einladen, aus dem Vertrauen auf Jesus Christus Kraft zu schöpfen, gerade bei Lebenskrisen, und so sein Leben immer wieder neu zu gewichten und zu gewinnen.

Lieder

"Die güldne Sonne" (EG 449)
"Ich weiß, mein Gott, dass all mein Tun" (EG 497)
"Nun aufwärts froh den Blick gewandt" (EG 394)
"Bewahre uns Gott" ( EG 171)

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Was bringt eine Frau dazu, Mann und Kinder zu verlassen und ihr Leben radikal zu ändern? Manchmal ändern sich Menschen und ihr Leben radikal. So wird aus dem netten jungen Mann von nebenan ein fundamentalistischer Krieger, der in den Kampf gegen Menschen zieht, die anders denken und leben, der diese verfolgt. Obwohl der junge Mann in einem Land mit vielen Freiheiten und guten Möglichkeiten aufgewachsen ist. Was trieb ihn an? Abenteuerlust? Oder das Gefühl nicht gebraucht zu werden? Das Gefühl verloren zu sein? Suche nach Sinn und Erfüllung, nach Lebensgewinn? Immer wieder kommt man in Situationen, in denen man sich fragt: Was hat mir mein bisheriges Leben gebracht? Was war und ist mir wichtig? Wie möchte ich weiterleben? Welches Ziel verfolge ich? Was ist mir ein Gewinn? Solche Fragen können einen bei einem runden Geburtstag ergreifen oder wenn eine neue Lebensphase ansteht, nach einer Abschlussprüfung zum Beispiel. Sie können einen auch in einer Lebenskrise überkommen. Immer wieder ziehen wir Bilanz, machen eine persönliche Gewinn- und Verlustrechnung. Wir rechtfertigen uns vor uns je selbst, stehen Rede und Antwort über unseren Lebensstil, unsere Haltung und Gesinnung. Die Bibel erzählt von Menschen, die sich radikal verändert, die eine Lebenswende durchgemacht haben und entsprechend dann anders leben als zuvor. Einer davon ist der Apostel Paulus. Er nimmt uns mit hinein in seine Lebensbilanz, wie er sie im Predigttext für heute aus dem Philipperbrief zieht.

(Lesung des Predigttextes)

Paulus zieht eine Bilanz, die deutlich ist. Sein bisheriges, altes Leben verwirft er vollkommen. Alles, was ihm wichtig war, war nichts. Es hat ihm geschadet. Ja noch mehr: Es war Dreck! So sieht er es nun. Das ist hart und drastisch. Paulus erlebt eine Umwertung der Werte. Er wird vom Saulus zum Paulus. Vom Verfolger zum Verfolgten, der für seine neue Weltsicht und Glaubenshaltung ins Gefängnis kam – aus der Gefangenschaft schreibt er nämlich den Brief an die Philipper. Obwohl er auch vor seiner Lebenswende korrekt, engagiert und wohlgefällig gelebt hat, also untadelig war, wie er kurz vorher sagt (V 6), war es das nicht – es war Dreck. Warum hast Du Dich so geändert? So möchte ich Paulus fragen. Er würde vielleicht sagen:

Mir ist ein Licht aufgegangen, das zu dieser Umwertung der Werte, zu dieser Lebenswende geführt hat. Damals. Alles kam ins Wanken. Mein Lebensfundament. Meine Rechtfertigungen, also die Gründe, dich ich brauche um vor mir und anderen und auch Gott gut dazustehen. Unsicher und ungenügend fühlte ich mich. Reichte mein Engagement? Reichte es bestimmte Riten, Regeln und Gebote einzuhalten, um gut dazustehen? Genügten meine Leistungen, um anerkannt, also gerechtfertigt zu sein? Nein – es blieb große Unsicherheit und Verzweiflung. Da ging mir das Licht auf. Eine neue Kraft und Macht zog in mir ein, rief mich, überkam mich. Nämlich Christus. Der wurde mir sozusagen zum Hauptgewinn gegenüber dem alles andere zweitrangig wird und in dessen Licht ich alles andere wahrnehme. Dass ich mit Christus verbunden bin und mit ihm Gemeinschaft habe, dass ich in Christus gefunden wurde – das ist es.

Paulus hat so den beständigen Grund gefunden. Er weiß sich anerkannt, das gibt ihm Halt und Stärke. Das unruhig getriebene eifernde Herz kommt in Jesus Christus zur Ruhe. Sich mit Jesus verbunden zu fühlen und sich an ihm zu orientieren, das ist wichtig. Was ist der Gewinn dann? Paulus benennt, was er wichtig findet: Mit Christus verbunden: Ich spüre neue Lebenskraft – die Kraft seiner Auferstehung. Paulus will damit nicht auf ein Jenseits vertrösten, wie man vielleicht denken könnte. Die Kraft der Auferstehung, das beutet Lebensenergie für das Diesseits. Kraft für das Leben. Man akzeptiert nicht, dass der Tod das letzte Wort hat. Dort, wo der Tod das Leben unmöglich machen will, da stärkt einen diese Kraft und Menschen werden motiviert nach Wegen zum Leben zu suchen. Die Kraft der Auferstehung lässt einen mit Misserfolgen umgehen, dass man sein Leben nicht wegwirft oder eine todbringende Lebenswende vollzieht.

Auch das Jesu Leben scheint zunächst ein Misserfolg gewesen zu sein – wird er doch wie ein Verbrecher gekreuzigt. Doch das war es eben nicht. Die Kraft von Jesu Auferstehung ist eine Kraft des Trotzalledem. Man braucht sich nicht aufzugeben oder aggressiv werden aus Enttäuschung und Verbitterung. Die Kraft der Auferstehung entlastet vom Erfolgszwang und -druck. Ich muss nicht immer um den Erfolg kämpfen und dabei andere zur Seite drängen. Sie schenkt einem Freude am Leben, auch nach einem Fehlschlag. „In dir ist Freude trotz allem Leide“ (EG 398). Auch wenn etwas schiefgegangen ist, kann ich wieder ins Leben hinein erstehen und brauche mich nicht zu verstecken oder verschanzen. Ich kann trotzdem weiterleben, auch mit Freude und Freundlichkeit. Ich gewinne neue Kraft, auch zu einem Neustart, bei dem ich es versuche, besser zu machen.

Gemeinschaft mit Christus: Ich habe teil an seinem Leiden, das ist das nächste, das Paulus wichtig ist. Das Leben ist nicht nur harmonisch und schön. Es hat viele harte und dunkle Seiten, die wir täglich erleben und mitbekommen. Am eigenen Leib, im eigenen Leben und bei anderen Menschen. Das betrifft mich. Ich leide selbst. Ich leide mit. Aber ich kann auch Leiden auf mich nehmen. Ich darf schwach sein und weinen, klagen und hadern. Jesus war auch schwach, er hat gelitten und am Ende scheinbar sogar verloren. Das befreit mich von Ängsten. Ich leide mit auch mit dem Leiden anderer. Ich interessiere mich für ihre Lebenslasten und trage sie, wenn ich kann, mit. Lastenträger zu sein, da gibt es viele Gelegenheit in unserer Welt.

Wer sich mit Christus und seinem Leiden verbunden weiß, dem ist das Leiden anderer nicht egal, er bleibt nicht bloß Zuschauer. Noch etwas ist Paulus wichtig: Ich bin mit Jesu Tod verbunden und so komme ich auch zur Auferstehung. Das gibt Lebensmut. Ich brauche weder vor Tod noch Teufel, vor Scheitern und Misslingen Angst haben. Mit Niederlagen ist nicht alles aus. Gott schenkt immer wieder neues Leben, auch wenn ich meine, ich sei endgültig verloren. Und gerade dies ist der starke Gewinn – Mut zum Leben inmitten aller Vergänglichkeit. Ich bin weder im Leben noch im Sterben noch im Tod verloren. Das ist der große Gewinn. Was ist wichtig? Paulus hat eine radikale Lebenswende durchgemacht, um das zu erkennen. Was ist mir wichtig und Gewinn? Was Ihnen? Paulus lädt ein, uns von seinen Erfahrungen und Einsichten anstecken zu lassen. Das kann helfen, das Leben immer wieder neu zu gewichten und es dabei neu zu gewinnen.

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Ein Kommentar zu “Der große Gewinn

  1. Pastor i.R. Heinz Rußmann

    Kurz und prägnant bringt Pfarrer Bossert die ja weltgeschichtliche Bedeutung der Bekehrung des Paulus auf den Punkt. Paulus wurde nach seiner Bekehrung vom Feind Jesu zum Nachfolger von Jesus. Dadurch wurde er für Historiker zur drittwichtigsten Person nach Jesus und Mohammed. Die Predigt steigt anschaulich ein in die markanten Lebensänderungen heute. Manche Menschen beginnen auch heute ein neues Leben. Im Text zieht Paulus eine Bilanz, warum er Christ wurde. Vorher genügeten alle seine Leistungen nicht, um vor Gott zu bestehen. Christus war dan der Hauptgewinn seines Lebens. Paulus hatte durch Jesus einen beständigen Grund und Lebenssinn gefunden. Die Kraft der Auferstehung Jesu gab ihm neue Lebenskraft und Freude zum Leben, auch wenn Tod und Misserfolge weeiter zum Leben dazugehören. Die Gemeinschaft mit Christus bringt Freude auch in allem Leid. Jesus schenkt Lebensmut. Der Prediger lädt uns anschaulich und ermutigend ein, mit einer Lebenswende zu Jesus ein gelingendes Leben zu führen. Diese Predigt kann mir und uns bei unseren Problemen helfen. Sie verbreitet das Evangelium, die frohe Botschaft von Jesus prägnant und zentral.

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