Der notwendige Geist
Nicht von Angst und Furcht klein machen lassen
Predigttext | Römer 8,14-17 (mit Einführung) |
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Kirche / Ort: | Hamburg |
Datum: | 01.09.2024 |
Kirchenjahr: | 14. Sonntag nach Trinitatis |
Autor: | Pastor Christoph Kühne |
Predigttext: Römer 8,14-17 (Eigene Übersetzung Christoph Kühne)
Die von Gottes Geist getrieben werden, sind „Gottes Kinder“. Auf keinen Fall habt ihr (die Gemeinde in Rom) einen Sklavengeist bekommen, der euch das Fürchten gelehrt hätte. Vielmehr habt ihr (Nichtjuden) einen Geist der Adoption erhalten. Und daher können wir (Juden wie auch Nichtjuden) rufen: Abba! Oder Vater. Der Geist selbst bezeugt unserm Geist, dass wir (Juden wie Griechen) „Gottes Kinder“ sind. Sind wir aber Kinder, dann sind wir auch Erben Gottes und Miterben von Christus. Leiden wir nicht mit IHM? Also werden wir auch mit ihm „verherrlicht“ werden.
Erste Gedanken beim Lesen des Predigttextes
Interessant: Wir sind Kinder Gottes, wenn wir vom Geist „getrieben(e)“ sind. Umkehrschluss: Alt, erwachsen ist (und wird), wer nicht be-geistert ist. Der treibende Geist ist kein Sklavengeist, der in Abhängigkeiten führt. Durch Angst und Schrecken. Der treibende Geist ist ein „kindlicher Geist“, der uns zu Gott „Papa“ sagen lässt. Wer begeistert ist, hat einen kindlichen Geist. Darüber muss ich nachdenken …
Jener treibende Geist macht uns klar, dass wir „Kinder Gottes“ sind. Verhindert jener Geist Wachstum und Entwicklung? Ja, können wir als Kinder überhaupt Erben sein, Gottes Erben? Was gibt’s zu erben?
Nichts geringeres als „mit zur Herrlichkeit (Gottes) erhoben zu werden“. Das ist das Ziel für alle Geist-getriebenen „Kinder“ Gottes: Seine Herrlichkeit. Gilt das erst im „Jenseits“ oder vielleicht schon im Heute? Und wie sieht die Herrlichkeit aus?
Zur Situation der Perikope
Paulus schreibt diesen Brief im Winter 54/55 nC in Korinth kurz vor Antritt der Kollektenreise nach Jerusalem. Er will seine Missionsreise zum Westen des römischen Reiches fortsetzen und auf dem Weg dorthin die nicht von ihm gegründete, überwiegend heidenchristliche Gemeinde besuchen. Nach Rom wird das Christentum frühzeitig (vor 49/50), also gut 5 Jahre vorher, auf den Bahnen des Weltverkehrs gelangt sein. (Sachkunde Religion, Hg. Gert Otto, S. 75) Der Sitz im Leben des Römerbriefes ist also das jüdische Netzwerk in der ganzen Welt. „Man kannte sich, damals wie heute, in der jüdischen Welt über Länder und Meere hinweg“ (Ben Chorin 93).
Röm 8 „ist wie eine Hymne, die in ekstatischen Worten die neue Wirklichkeit preist, die ihm erschienen ist, die sich in der Geschichte offenbarte und seine ganze Existenz verwandelt hat. Paulus nennt dieses neue Sein „Christus“, sofern es zuerst in Jesus, sofern es im Geiste jedes einzelnen Christen und jeder Gemeinschaft von Christen überall und zu allen Zeiten verwirklicht ist.“ (Tillich 125)
Gedanken zur Predigt
Vor 85 Jahren begann der Zweite Weltkrieg. Heute wüten Kriege in Palästina und in der Ukraine. Was für ein Geist herrscht heute? Ein Geist der Knechtschaft – mit Richtung Angst?! Lösungen sind nicht sichtbar. Rezepte versagen. Gespräche, Verhandlungen scheinen nichts zu bringen. Ein neuer Geist ist gefragt.
Fragen
Woran erkenne ich, dass ich vom Geist Gottes - und nicht vom eigenen Geist „(an-) getrieben werde? Was ist ein „Geist der Knechtschaft“? Wäre das Gegenteil ein „Geist der Heiterkeit“ (Axel Hacke)? Wie fühlt sich ein „Geist der Adoption“ an? Wie ist die Kommunikation vom Geist Gottes mit unserem Menschen-Geist? Und wie fühlt sich ein „Zusammentreffen“ an? Als Ekstase? Als Adoptivkinder sind wir Erben Gottes. Gibt’s dann ein anderes, ein fröhlicheres, klareres Bewusstsein? Was bedeutet es, mit dem Christus, dem Messias, mitzuleiden? Und wie sieht dann der „Glanz“ aus, der in, mit, durch das Mitleid(-en) entsteht? Und wirkt dieser „Glanz“ schon in diesem Leben oder erst „drüben“?
Lieder
EG 302 Du meine Seele singe EG 107 Wir danken dir, Herr Jesu Christ EG 134 Komm o komm du Geist des Lebens
Literatur
Das neue Testament - jüdisch erklärt, 2021 Stuttgart. – Paul Tillich, In der Tiefe ist Wahrheit, Stuttgart, 5. Aufl., 1952 (Der Geist gibt Zeugnis unserem Geist Ss. 124-132). – Martin Luther, Der kleine Katechismus. – Josef Ratzinger, Kurze Einführung in das Christentum, 2023 München. – Jörg Lauster, Der Heilige Geist - eine Biographie, 2021 München (Explosive Geistesgegenwart: Paulus und die Christuspräsenz im Geist, Ss 36-46). – Axel Hacke, Über die Heiterkeit in schwierigen Zeiten und die Frage, wie wichtig uns der Ernst des Lebens sein sollte, 2023 Köln.