Predigt

"Despoten erheben sich und vergehen …"

Christen stehen ein für die Wahrheit, sie glauben oder wollen glauben, dass eine andere Welt voller Gerechtigkeit und Frieden möglich ist

PredigttextApostelgeschichte 12,1-11 (Exegetisch-homiletische Vorüberlegungen)
Kirche / Ort:St. Thomas / Lübeck
Datum:16.09.2018
Kirchenjahr:16. Sonntag nach Trinitatis
Autor:Pastor Björn Schneidereit

Predigttext: Apostelgeschichte 12, 1-11 (Übersetzung nach Martin Luther, Rev. 2017)

1 Um diese Zeit legte der König Herodes Hand an einige von der Gemeinde, sie zu misshandeln. 2 Er tötete aber Jakobus, den Bruder des Johannes, mit dem Schwert. 3 Und als er sah, dass es den Juden gefiel, fuhr er fort und nahm auch Petrus gefangen. Es waren aber eben die Tage der Ungesäuerten Brote. 4 Als er ihn nun ergriffen hatte, warf er ihn ins Gefängnis und überantwortete ihn vier Abteilungen von je vier Soldaten, ihn zu bewachen. Denn er gedachte, ihn nach dem Passafest vor das Volk zu stellen. 5 So wurde nun Petrus im Gefängnis festgehalten; aber die Gemeinde betete ohne Aufhören für ihn zu Gott. 6 Und in jener Nacht, als ihn Herodes vorführen lassen wollte, schlief Petrus zwischen zwei Soldaten, mit zwei Ketten gefesselt, und die Wachen vor der Tür bewachten das Gefängnis. 7 Und siehe, der Engel des Herrn kam herein und Licht leuchtete auf in dem Raum; und er stieß Petrus in die Seite und weckte ihn und sprach: Steh schnell auf! Und die Ketten fielen ihm von seinen Händen. 8 Und der Engel sprach zu ihm: Gürte dich und zieh deine Schuhe an! Und er tat es. Und er sprach zu ihm: Wirf deinen Mantel um und folge mir! 9 Und er ging hinaus und folgte ihm und wusste nicht, dass das wahrhaftig geschehe durch den Engel, sondern meinte, eine Erscheinung zu sehen. 10 Sie gingen aber durch die erste und zweite Wache und kamen zu dem eisernen Tor, das zur Stadt führt; das tat sich ihnen von selber auf. Und sie traten hinaus und gingen eine Gasse weiter, und alsbald verließ ihn der Engel. 11 Und als Petrus zu sich gekommen war, sprach er: Nun weiß ich wahrhaftig, dass der Herr seinen Engel gesandt und mich aus der Hand des Herodes errettet hat und von allem, was das jüdische Volk erwartete.

Exegetisch-homiletische Vorüberlegungen

Blicken wir auf den Inhalt des Predigttextes, wird deutlich, dass der Titel des Buches „Apostelgeschichte“ nur zum Teil eine gelungene Überschrift ist. Zweifellos steht im offensichtlichen Vordergrund die Erzählung, wie die Apostel den Auftrag Jesu aus dem bekannten Missionsbefehl (Mt 28,16-20) in Wort und Tat umsetzen und durch sie Menschen in das Reich Gottes eingeladen werden. Im Hintergrund jedoch wird immer wieder deutlich, dass Gott selbst durch den auferstandenen Jesus Christus, durch den Heiligen Geist und durch Engel beteiligt ist, und die Geschicke der Apostel segnend beeinflusst. Exemplarisch sei Apg 9,4 genannt „Saul, Saul, warum verfolgst du mich“ - der Auftakt zur Bekehrung des Saulus zum Paulus.

Im Predigttext für den 16. Sonntag nach Trinitatis 2018 ist es ein gesandter Engel, der in die Apostelgeschichte eingreift und ein Befreiungswunder für Petrus vollbringt. Ein bewusster Rettungsakt gegen die Angriffe des König Herodes auf das Friedensreich Jesu, das durch dessen Gemeinden beginnt zu wachsen. Dies führt – zumindest für diese Predigt – zur Entscheidung, den Hintergrund in den Vordergrund treten zu lassen. Die Kontrahenten in der Geschichte sind in diesem Sinne nicht Herodes und die Apostel, sondern es sind zwei Könige die miteinander ringen. König Herodes gegen König Jesus. Zu diesem Gedanken inspiriert mich u.a. der Kommentar von N. T. Wright. Wenn dies in den Vordergrund der Auslegung treten soll, muss jedoch auch der Ausgang erzählt werden, so dass Vers 11 nicht ausreicht, und daher die Reaktion des Herodes auf die göttliche Befreiung des Petrus mit in die Predigt aufgenommen wird.

Erschreckend aktuell sind die Vorgehensweisen des Herodes mit Blick auf Despoten unserer Zeit, die sich durch Menschen, die für die Wahrheit einstehen, leicht bedroht fühlen und nicht zögern, diese durch Inhaftierung mundtot zu machen. Der Fokus des Textes soll aber nicht durch einen Bezug zur Aktualität untergehen. Diesen Fokus sehe ich im Kampf der Gemeinde, der nicht durch Waffengewalt, sondern in der Fürbitte besteht und im Ringen mit den eigenen Zweifeln. Diese sind angedeutet bei Petrus selbst, der seiner wundersamen Befreiung erst nicht trauen kann und ebenso der Zweifel der Gemeinde an die Gebetserhörung als Petrus an die Tür klopft (siehe Anschluss des Predigttextes in Apg 12, 14-16). Die betende Gemeinde glaubt der Magd zunächst nicht und sie entsetzten sich, als sie Petrus gesund vor sich stehen sahen, obwohl dies vermutlich das Ziel ihres Gebets gewesen ist. Daher möchte ich wiederum als Ziel der Predigt zum Gemeindegebet trotz Zweifel ermutigen.

Der Fürbittteil jedes Gottesdienstes spiegelt m.E. die Kerngeschichte des Predigttextes wider. Wir beten zu Gott um Eingreifen in dieser Welt. Oft beten wir gegen Gewalt und Schreckensherrschaft für den Frieden. Dies macht nur Sinn, weil wir auf Gottes Wort vertrauen, das uns zum Gebet ermuntert und durch Gebetserhörungen ermutigt, es nicht zu lassen. Wer weiß, wie diese Welt ohne Gebet aussehen würde?

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Heinz Janssen
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