Die gute Schöpfung Gottes zum Leuchten bringen
Jeder Mensch kann einem anderen „Obrigkeit“ werden, je nach Lebensumgebung, Funktion und Stellung
Predigttext: Römer 13,1-7 (Übersetzung nach Martin Luther)
Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit außer von Gott; wo aber Obrigkeit ist, ist sie von Gott angeordnet.
Darum: Wer sich der Obrigkeit widersetzt, der widerstrebt Gottes Anordnung; die ihr aber widerstreben, werden ihr Urteil empfangen.
Denn die Gewalt haben, muss man nicht fürchten wegen guter, sondern wegen böser Werke. Willst du dich aber nicht fürchten vor der Obrigkeit, so tue Gutes, dann wirst du Lob von ihr erhalten.
Denn sie ist Gottes Dienerin, dir zugut. Tust du aber Böses, so fürchte dich; denn sie trägt das Schwert nicht umsonst. Sie ist Gottes Dienerin und vollzieht die Strafe an dem, der Böses tut.
Darum ist es notwendig, sich unterzuordnen, nicht allein um der Strafe, sondern auch um des Gewissens willen.
Deshalb zahlt ihr ja auch Steuer; denn sie sind Gottes Diener, auf diesen Dienst beständig bedacht.
So gebt nun jedem, was ihr schuldig seid: Steuer, dem die Steuer gebührt; Zoll, dem der Zoll gebührt; Furcht, dem die Furcht gebührt; Ehre, dem die Ehre gebührt.
Nein, Nein!
Armer Paulus! Heute musst du mit Attacken rechnen. Wappne dich! Du redest dem Untertanengeist gut zur? Du erwartest Gehorsam, blinden Gehorsam? Die Obrigkeit lässt du ungeschoren? Weißt du eigentlich, was du schreibst? In meinem Kopf jagen sich die Gedanken. Bilder aus der Geschichte kommen hoch, um dunkle Schatten zu werden. Wieviel Willkür müssen Menschen erleiden? Wieviel Rücken werden gebrochen? Wieviel Unrecht ertragen? Machtmissbrauch wird religiös verbrämt, gar instrumentalisiert. Gott muss für alles herhalten. Für Kriege in seinem Namen, für wirtschaftliche Interessen, für Geschichtsdeutungen jeder Art. „Nein“, „nein“, „bloß nicht“, schreit es in mir. Ob du, Paulus, eine Chance hast, doch noch gehört, womöglich verstanden zu werden?
Szene 1
Darf ich fragen, ob Sie die Namen Karl Artelt und Lothar Popp kennen? Nein? Karl Artelt war ein Matrose, Lothar Popp ein Werftarbeiter. Wir treffen sie in Kiel. Am 4. November 1918. Die Stadt ist in Aufruhr. Meuternde Heizer und Matrosen waren inhaftiert worden. Sie hatten sich geweigert, zu einer letzten – und sinnlosen – Schlacht auszufahren. Längst war der Krieg verloren. Seit Tagen wird ein Waffenstillstand gesucht. Wilhelm II., der Kaiser, soll abdanken. Der aber spielt auf Zeit. Und mit Menschen. Auch die Admirale wollen das Feld nicht kampflos räumen. Sie brauchen ein Seegefecht. Gegen die Engländer. Und wenn es das letzte Gefecht ist! Den Untergang der Flotte nehmen sie in Kauf. Es geht um Ehre, um ihre Ehre. Genau genommen meutern sie. Gegen den Reichskanzler. Gegen den gesunden Menschenverstand. Gegen ihre Matrosen.
Aber die Heizer schippen keine Kohle mehr, sie löschen die Feuer in den Kesseln der Kriegsschiffe. Sie ahnen, nein, sie wissen, dass sie den schrecklichsten Tod in den Tiefen finden werden. Matrosen weigern sich, Befehle auszuführen. Sie lassen sich nicht länger verheizen. Und missbrauchen als Kanonenfutter. Werftarbeiter solidarisieren sich mit ihnen. Die Luft ist zum Zerreißen gespannt.
3. November: Die Menge war einem Aufruf des Matrosen Karl Artelt und des Werftarbeiters Lothar Popp gefolgt. Unter der Losung „Frieden und Brot“ fordern sie die Freilassung der Meuterer, die Beendigung des Krieges und eine bessere Lebensmittelversorgung. Zuletzt ziehen die Teilnehmer zur Arrestanstalt, um die verhafteten Matrosen zu befreien. Doch auf dem Weg dahin werden 7 Personen getötet und 29 schwer verletzt. Auch aus der Demonstration heraus wird geschossen.
Die Nacht tut gut.
4. November: Gruppen der Aufständischen durchstreifen die Stadt, die große Kasernenanlage im Norden Kiels ist Schauplatz einer großen Demonstration.
Karl Artelt organisiert den ersten Soldatenrat, dem bald weitere folgten. Soldaten und Arbeiter bringen die öffentlichen und militärischen Einrichtungen Kiels unter ihre Kontrolle. Der Gouverneur der Marinebasis, Wilhelm Souchon, sieht sich gezwungen, zu verhandeln und die inhaftierten Matrosen freizulassen. Als entgegen seiner Absprache mit Artelt Truppen zur Niederschlagung der Bewegung anrücken, werden diese von den Aufständischen abgefangen. Sie kehren entweder um oder schließen sich der Aufstandsbewegung an. Am Abend des 4. November ist Kiel fest in der Hand von etwa 40.000 revoltierenden Matrosen, Soldaten und Arbeitern. Diese fordern nun auch die Abdankung der Hohenzollern sowie das freie und gleiche Wahlrecht für Männer und Frauen.
In einem Manifest wird die Entlassung aller politischen Gefangenen und die Rede- und Pressefreiheit gefordert. Unter den 14 Punkten stechen besonders zwei hervor: „Die Ausfahrt der Flotte hat unter allen Umständen zu unterbleiben“ und „Jegliche Schutzmaßnahmen mit Blutvergießen haben zu unterbleiben“. Viele Menschen in Kiel und anderswo im Reich hungern. Keine Familie, die nicht Opfer zu beklagen hätte. Die Menschen sind am Ende. Der Krieg auch. Nur die Hetzer nicht. Wenige Tage später wird die Republik ausgerufen.
Der 4. November, die Tage davor, die Tage danach, erzählen eine Geschichte, in der alte Ordnungen quasi über Nacht brechen müssen und von Akteuren, die von unten Machtverhältnisse umkrempeln. Die alte Ehe von Thron und Altar wird geschieden. Die Monarchen, von Gottes Gnaden, verschwinden. Ob Karl Artelt und Lothar Popp ahnten, was sie anrichteten? Wussten, was daraus erwachsen würde? Sie wollten eine neue Ordnung! Eine andere Obrigkeit! Sie träumten von einer Gesellschaft, in der „unten“ und „oben“ aufgehoben würden.
In den „Beschlüssen und Forderungen des Soldatenrates“ heißt es auch: „Es gibt außer Dienst keine Vorgesetzten mehr“. Hat es sie denn in der alten Zeit gegeben? Sich in Köpfe und Herzen eingegraben? Ein Theaterstück von Franz Theodor Csokor, einem österreichischen Dramatiker, 1937 im Burgtheater Wien uraufgeführt, trägt den Titel „3. November 1918“. In einem „Männerlied“ heißt es: „Männer haben die Welt gemacht. Männer haben den Tod gebracht. Krüppel und Weiber flennen und klagen, Männer werden die Kreuze tragen“. Ein Herr Zierowitz wagt zu sagen: „Ihr wohnt in einem Kadaver und tut so, als ob er noch lebte!“
Wenn ich zurückschaue, wenn ich Geschichte erzähle, wie einfach ist das dann. Klar, die morschen Mächte fallen, müssen fallen – so formuliert es Philipp Scheidemann, als er die Republik ausruft. Dann ruft er vom Balkon des Reichstages: „Es lebe das Neue, es lebe die deutsche Republik!”. Ich schaue nach Paulus. Er hat zugehört. Nur zugehört. In seinem Gesicht kann ich nicht lesen. Es ist unbewegt. Was denkt er? Man ist der Obrigkeit nicht untertan. Von Gottes Gnaden ist nichts geblieben.
Szene 2
In den letzten Tagen und Wochen hat ein kleines Waldstück, nicht weit von Aachen oder Köln, sich in die erste Reihe der Nachrichten und Kommentare gekämpft. Oder wurde dorthin bugsiert. Der Hambacher Forst. Gleichzeitig Rheinisches Braunkohlengebiet. Die Geschichte ist nicht schnell und auch nicht einfach erzählt. Viele Menschen wollen den Ausstieg aus der Braunkohle erzwingen. Jetzt. Sofort. Mit Baumbesetzungen, besetzten Schienen, besetzten Baggern. Und mit besetzten Häusern auch. Sie sind zwar längst verlassen. Aber es geht um symbolische Akte. Um Zeichen, den weiteren Abraum, die weitere Förderung von Braunkohle umgehend zu verhindern.
Auf der anderen Seite demonstrieren Kumpel für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze. Sie können auch andere Arbeitnehmer für ihre Sache gewinnen. Viele Familien leben davon, dass Menschen hier Arbeit haben. Die Braunkohle sichert so manches Haus. Auch so manche Steuereinnahme. Viele Ortschaften leben von der Braunkohle. Zum Energiemix, wie das heute heißt, gehört die Braunkohle eben auch. Zumindest: noch. Der Hambacher Forst darf vorerst nicht gerodet werden. Ein Gerichtsurteil. Trotzdem:
Zwei Welten geraten aneinander. Haben die Demonstranten Recht? Können sie ein Recht für sich beanspruchen? Das RWE – Rheinisch-Westfälisches Elektrizitätswerk -, aus kleinen Anfängen in Essen zu einem der größten Energieanbieter geworden, arbeitet nicht ungesetzlich. Seit Langem schon ist die Politik involviert. Es geht um den Ausstieg aus der fossilen Energie. Das Klima ist bedroht. Alle Berichte und Analysen wissen von einer Verantwortung der Menschen. Wie damit umgehen? In welchen Rahmen denken? Wie leidenschaftlich, wie sachlich können wir darüber reden? Dass der Politik unterstellt wird, sich mit den wirtschaftlichen Interessen des Unternehmens zu liieren, führt zu weiteren Attacken und zur moralischen Überlegenheit, die dann auch Umständen alles rechtfertigen kann. Auch Gewalt.
Unausgesprochen ist ein Thema im Raum: das Widerstandsrecht. Ziviler Ungehorsam. Auch gegen staatliche Entscheidungen, gegen politische Korrektheit, gegen gesellschaftliche Ruhe. Die Parteien aber reden übereinander, gegeneinander – nicht miteinander. Ob ein Konsensus überhaupt Ziel ist? Situationen fahren sich schnell fest. Vielleicht sollen sie das auch. Jeder will Sieger, jeder muss Verlierer sein. Ich schaue nach Paulus. Er hat zugehört. Nur zugehört. In seinem Gesicht kann ich nicht lesen. Es ist unbewegt. Was denkt er? Man ist der Obrigkeit nicht untertan. Sie wird angeklagt. Sie ist böse. Sie selbst.
Ein Gespräch
Ich möchte Paulus aus seiner Reserve locken. Habe ich ihm schon zu sehr zugesetzt? Er ist ja nun schließlich nicht irgendwer. Sein Brief an die Gemeinde zu Rom ist grandios. Große Weltliteratur. Die Geschichte gerade dieses Briefes zu erzählen, würde Stunden dauern. Ich fange lieber erst gar nicht an. Und dann sagt Paulus ganz unverhofft: Ja, ich habe alle deine Punkte verstanden. Aber du erzählst eben auch von Gewalt, von Verletzungen. Von verfahrenen Situationen.
Gott hat die Welt geordnet und geschützt. Die Obrigkeit hat er eingesetzt, damit Menschen gut zusammenleben können. Das zeigt sich besonders dann, wenn Menschen zu Opfern werden. Dem Unrecht muss doch gewehrt werden! Es kann doch nicht sein, dass Böses wuchert! Nein, die Obrigkeit soll in Gottes Namen gerecht sein. Darin ist sie zu bestärken. Dafür kommt ihr auch Achtung zu. Oder auch: Gehorsam . “Tue Gutes, dann wirst du Lob von ihr erhalten.“
Den Gedanken hätte ich fast übersehen. Mir geistert Gehorsam durch den Kopf, ich werde mich nicht unterwerfen. Dabei geht es um „Gutes tun“. Um Gutes für einen anderen Menschen. Ist das nicht Gottes Willen von Anfang an? Vielleicht auch eine glückliche Form von Unterwerfung? Die Obrigkeit stellt einen Raum dar, der mit Leben gefüllt wird. Die Obrigkeit steht selbst für die Gemeinschaft, die nur zusammen gut leben kann. Keiner ist alleine. Keiner wird alleine gelassen. Keiner hat die Wahrheit, keiner das Recht für sich gepachtet.
Soll ich damit zufrieden sein? Paulus, du nimmst doch die Obrigkeit so, wie sie ist. Oder? Woher willst du wissen, womöglich für alle Zeiten, wie sich eine Obrigkeit verhält? Du musst doch zugeben, dass es Obrigkeiten gibt, die weggefegt werden müssen. Beispiel: 4. November 1918. Du musst doch auch zugeben, dass einer Obrigkeit Beine gemacht werden kann. Beispiel: Hambacher Forst.
Gewiss, sagt Paulus. Gewiss. Aber wenn ich von Obrigkeit rede, meine ich die Ordnung, die Gott uns Menschen mitgegeben hat, um unser Leben zu schützen, die Schöpfung zu bewahren und allem Bösen zu wehren. Es ist eine Ordnung für das Leben. Weißt du überhaupt, was alles Obrigkeit ist? Du denkst an den Staat? Die Regierung? Du denkst viel zu klein. Obrigkeit ist alles, was den Auftrag hat, für andere zu sorgen, für andere auch Verantwortung zu übernehmen. Hier ein Vater, dort eine Mutter. Hier ein Meister, dort eine Lehrerin. Hier ein Minister, dort eine Finanzbeamtin. Hier eine Polizistin, dort eine Politesse. Hier ein Pfarrer, dort ein Diplomat. Obrigkeit gibt es in vielen Gestalten und Gesichtern. Gemeinsam ist allen, Perspektiven zu entwickeln, Dinge zu ordnen und gerecht zu sein. Das musste ich auch dem römischen Kaiser lassen! Paulus schmunzelt. Auszusetzen hatte ich an ihm viel. Zu viel. Seinen Allmachtswahn, seine Intrigen, seine Dummheit.
Ich bin jetzt überrascht. Nach Paulus kann jeder Mensch einem anderen „Obrigkeit“ werden, je nach Lebensumgebung, Funktion und Stellung. Paulus meint tatsächlich: Seid einander untertan. Es ist eines seiner Lieblingsthemen. Das habe ich doch auch geschrieben! Sagt er. Ich lese: „So gebt nun jedem, was ihr schuldig seid: Steuer, dem die Steuer gebührt; Zoll, dem der Zoll gebührt; Furcht, dem die Furcht gebührt; Ehre, dem die Ehre gebührt.“
Und dann schließt sich übergangslos an, als wäre es ein Satz, ein Gedanke:
“Seid niemandem etwas schuldig, außer dass ihr euch untereinander liebt; denn wer den andern liebt, der hat das Gesetz erfüllt. Denn was da gesagt ist (2.Mose 20,13-17): »Du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht töten; du sollst nicht stehlen; du sollst nicht begehren«, und was da sonst an Geboten ist, das wird in diesem Wort zusammengefasst (3.Mose 19,18): »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.« Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses. So ist nun die Liebe des Gesetzes Erfüllung”. (Römer 13,8-10)
Seid einander untertan: in der Liebe. Ich muss mich jetzt bei Paulus entschuldigen. Erst dachte ich, er hätte ein vollständig überholtes und verkorkstes Verständnis von Obrigkeit, dann, wir müssten uns möglichst schnell davon verabschieden. Attacke, Paulus. Doch selbst unsere moderne – und hart errungene, alles andere als selbstverständliche – Demokratie lebt von Voraussetzungen, die sie sich selbst nicht geben kann. Das beginnt mit der gemeinsamen Verantwortung und vollendet sich immer neu da, wo Menschen einander untertan sein können. Ob die Liebe das letzte Wort hat, lässt sich allerdings nie und von keinem Menschen verordnen. Einklagen lässt sie sich nicht. Recht und Liebe müssen auch nicht zusammen passen. Recht und Gerechtigkeit aber.
Ich möchte Paulus auch noch etwas erzählen. Eine Leidensgeschichte. Eine böse Geschichte. Demokratie und Rechtsstaat konntest du noch nicht kennen, aber du bist nicht nur missverstanden, du bist missbraucht worden. Christen und Theologen haben tatsächlich auch Hitler als gottgegebene Obrigkeit angesehen und ihm nicht widerstanden. Dass größte Unheil, das größte Unrecht , das größtmögliche Böse wurde gottgegeben. In intellektuellen Spitzfindigkeiten, Streitschriften und Broschüren, Zeitungen und Radiosendungen, wissenschaftlichen Arbeiten und Predigten aller Art wurde Unrecht zu Recht, Lüge zu Wahrheit, Hass zu Vaterlandsliebe erklärt.
Die Opfer fanden keine Anwälte. Sie sollten am Ende nicht einmal mehr Menschen sein. Nach dem 2. Weltkrieg waren nicht die, die der Verfolgung und dem Unrecht die Steigbügel hielten, sondern die Widerstandskämpfer Nestbeschmutzer, Defätisten und Vaterlandsverräter. Eine bittere Geschichte, die wehtut. Es hat lange gedauert, bis sich viele Kreise auch in der Evangelischen Kirche zur Demokratie bekennen konnten.
Der alte Obrigkeitsstaat hatte Krakenarme. Böses wurde so gut genannt, Gutes gebrandmarkt und verurteilt. „Tust du aber Böses, so fürchte dich; denn sie, die Obrigkeit, trägt das Schwert nicht umsonst. Sie ist Gottes Dienerin und vollzieht die Strafe an dem, der Böses tut.“ Was ist aber, wenn nicht mehr klar ist, was böse, was gut ist? Und wer befindet darüber? Wer versteht? So aktuell wie heute ist die Frage schon lange nicht mehr.
Dein Brief an diese alte Gemeinde in Rom ist bis heute ein Glanzstück, Paulus. So fremd, so unheimlich auch deine Worte klingen. Sie bringen die gute Schöpfung Gottes zum Leuchten – und seine Liebe. Sie erzählen von der Würde der Kinder Gottes und dem ängstlichen Harren der Kreaturen. Sie machen das Unheil der Welt sichtbar und zeigen doch die große Hoffnung. Weder Mächte noch Gewalten, nicht Hohes und nichts Tiefes können uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn ( Römer 8).
Letzte Gewissheit
Armer Paulus! Heute musstest du mit Attacken rechnen. Du hast dich gut gewappnet! Mit Untertanengeist hast du nichts am Hut. Du gibst der Liebe ihren Raum zurück, den Gott von Anfang an geschaffen hat. Der Obrigkeit lässt du Ungerechtigkeit und Willkür nicht durchgehen. Du weißt deine Worte wohl zu wägen.
Aber ich verstehe nicht alles. Bilder aus der Geschichte kommen hoch, um die große Verantwortung zu klären, die wir für einander haben. Wieviel Willkür müssen Menschen erleiden? Wieviel Rücken werden gebrochen? Wieviel Unrecht ertragen? Machtmissbrauch wird religiös verbrämt, gar instrumentalisiert. Gott muss für alles herhalten. Für Kriege in seinem Namen, für wirtschaftliche Interessen, für Geschichtsdeutungen jeder Art. Doch – die Liebe ist nicht verloren. An ihr will ich Maß nehmen. Ob du, Paulus, eine Chance hast, doch noch gehört, womöglich verstanden zu werden?
Paul Gerhardt, Zeuge des 30 jährigen Krieges, hat in seinem Pfingstlied „Zieh ein zu deinen Toren“ die Obrigkeiten ins Gebet genommen: “Beschirm die Obrigkeiten, richt auf des Rechtes Thron, steh treulich uns zur Seiten; Schmück wie mit einer Kron die Alten mit Verstand, mit Frömmigkeit die Jugend, mit Gottesfurcht und Tugend das Volk im ganzen Land. (EG 133,6)
Der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Sehr leidenschaftlich beginnt die Predigt mit Bildern aus der Geschichte vom Machtmißbrauch der Obrigkeit. Sehr interessant folgt die Bearbeitung des Problems in Bildern und Schritten. Pfarrer Wussow erinnert an den Matrosenaufstand gegen die Obrikeit 1918. Die morschen Ordnungen am Ende des Krieges müssen fallen. Die Republik wird ausgerufen. Paulus würde feststellen, daß die staatliche Ordnung zerbrochen wurde. Heute gibt es den Aufstand im Hambacher Forst wegen Kohleförderung und Verlust von Arbeitsplätzen. Man ist der Obrigkeit nicht untertan. Dann fragt der Pfarrer den Paulus, wie er wissen will, daß die Obrigkeit immer recht hat. Paulus denkt größer: Obrigkeit ist alles was dem Bösen wehrt. Von den Eltern, Lehrern Polizisten bis zu den Politikern. Auch Du kannst Obrikeit werden , wenn Du liebst und hilfst und Demokrtie förderst. Dunkel ist das Thema, daß viele Christen Hitler als Obrikeit anerkannten. Letzte Gewißheit ist, daß Gottes Liebe siegen wird.- Eine sehr lebendige und interessante und erhellende Predigt zu einem sehr schwierigen Text.