Predigt

Die Schuld im Meer versenken

Freude an Gott

PredigttextMicha 7,18-20
Kirche / Ort:Magdeburg
Datum:28.06.2020
Kirchenjahr:3. Sonntag nach Trinitatis
Autor:Pastor Dr. habil. theol. Günter Scholz

Predigttext: Micha 7,18-20 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 2017)

18 Wo ist solch ein Gott, wie du bist, der die Sünde vergibt und erlässt die Schuld denen, die geblieben sind als Rest seines Erbteils; der an seinem Zorn nicht ewig festhält, denn er hat Gefallen an Gnade! 19 Er wird sich unser wieder erbarmen, unsere Schuld unter die Füße treten und alle unsere Sünden in die Tiefen des Meeres werfen. 20 Du wirst Jakob die Treue halten und Abraham Gnade erweisen, wie du unsern Vätern vorzeiten geschworen hast.

Exegetische Bemerkungen

Ein kurzer Blick auf Aufbau und Entwicklungsgeschichte des Michabuches. Es besteht aus zwei zweigliedrigen eschatologischen Schemata, die beide erst Unheil, dann Heil zum Inhalt haben.

Authentische Michaworte sind ausschließlich Gerichtsworte über Samaria und Juda und in den Kap. 1–3 zu finden. Sie mischen sich hier mit Unheilsworten aus Michas Schülerkreis. In der Exilszeit wird die Sammlung dieser Worte fortgeschrieben (Kap. 4–5) „aus der Überzeugung heraus …, dass Jahwes verdientes Gericht … nicht das Ziel seiner Wege mit seinem Volk ist“ (Jörg Jeremias, Die Propheten Joel, Obadja, Jona, Micha, Göttingen 2007 [ATD 24,3], S.119): Heilsweissagungen schließen sich an.

In Mi 6,1 – 7,7 klagt ein weiterer Prophet über die Verderbnis des Volkes und kündigt das Gericht an. Diese Klage wird später durch eine Heilsliturgie (7,8-20) ergänzt. Beiden Prophetenschriften geht es erstens um die Bewahrung eines ambivalenten Gottesbildes (was hier freilich erst in diachronischer Stufenfolge entsteht) und zweitens um die letztendliche Gewissheit des Wahrwerdens der Verheißungen (Achtergewicht derselben).

In Mi 7,18-20 ist dieses Gottesbild in nuce zusammengefasst. Diese Verse sind die in Hymnus (7,18) und Zuspruch (7,19) gekleidete Gnadenformel aus Ex 34,6f (langsam zum Zorn, groß an Gnade und Treue). 7,20 dient der heilsgeschichtlichen Vergewisserung. Das Wesen und Wirken Gottes ist Vergebung. Dem korrespondiert ein Menschenbild, wie es aus Gen 8,21 bekannt ist und wie es hier durch „Sünde“ und „Schuld“ gekennzeichnet ist. In der göttlichen Verschränkung von Schuld und Vergebung liegt die Befreiung zum Leben.

Homiletische Bemerkungen

Wie bringe ich einen Hymnus homiletisch zur Sprache? Zu exorbitantem Jubel sehe ich zurzeit keinen Anlass. Ich hebe stärker den Ton des Zuspruchs hervor, der in V.19 durch das Futur erklingt. Außerdem bleibt nur noch, bekannte Hymnen aus Gesangbuch (z.B. EG 331), geistlichen Liedersammlungen (z.B. „Wie ein Fest nach langer Trauer“ oder: „Wenn die Seele wieder lächelt“) und aus der traditionellen Dichtung (z.B. Ode an die Freude) einzubeziehen.

Inhaltlich geht es um Gott, Sünde, Gnade. Zum Glück predige ich vor einem Publikum, das die Existenz Gottes nicht in Frage stellt. Sonst müsste ich von „letzter Verantwortung“ sprechen. Aber wo wird sie vielfach verortet? – Was ist Sünde/Schuld? Verweigerung der Verehrung Gottes? Der Theologe versteht es. Böse Machenschaften, Korruption, Willkür (Mi 7,3)? Der Bürger versteht es; aber geht das tief genug? Ich denke an die Schuldfalle, in die man kommt und aus der man ohne Vergebung nur schwer herauskommt. Darauf lege ich das Gewicht und lege die Predigt im Sinne des Zuspruchs an. – Was ist Gnade? Gnade setzt den Richtspruch voraus. Ohne ihn keine Begnadigung. Die Tat wird gerichtet, der Mensch aber gütig angesehen. Er hat eine Chance zum Neuanfang.

Ich verzichte auf Beispiele. Ich denke, der eine oder die andere wird Situationen in seinem Leben wiedererkennen, die der angesprochenen Ausweglosigkeit und der neuen Hoffnung entsprechen. Mir fallen lediglich zwei Beispiele aus der Corona-Zeit ein. Die will ich aber nicht traktieren; denn wir haben inzwischen genug darüber gehört (Ich meine die Schuldfalle der Ärzte ohne ausreichende Beatmungsgeräte und die Schuldgefühle derer, die Angehörige in bester Absicht in Heimen untergebracht haben, wo diese dann durch das Virus starben. Nicht zuletzt ist Vergebung auch ein Thema der Militärseelsorge).

Zum Gottesdienst

Ich nehme EG 331,1-3.6 als „Aufhänger“ (Lied vor der Predigt). Der Predigttext ist in die Predigt integriert. Die „modernen“ Lieder wurden bereits genannt. Nach der Predigt: EG 628 (Reg.-Teil Baden): „Ich lobe meinen Gott, der aus der Tiefe mich holt“ (Vorschlag G.Lämmlin in DPfBl 5/2020, 323). Ob am Schluss noch die „Ode an die Freude“ (ab)gespielt wird, sei dahingestellt.

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Die mit exegetischen Impulsen, Gebeten und einem Essay zu "Exegese und Homiletik" verbundenen Auslegungen wissen sich in einer weltweiten Communio, die "aus den Quellen des Heils" schöpft (Jesaja 12,3)... mehr lesen

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Heinz Janssen
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