Predigt

Die Tür ist offen

Am Buß- und Bettag geht es nicht ums Büßen für begangene Vergehen im Sinne von „bestraft werden“, sondern um eine Haltungsänderung, eine Umkehr zu Gott hin

PredigttextLukas 13,22-30
Kirche / Ort:Trinitatiskirche / Berlin-Charlottenburg
Datum:20.11.2013
Kirchenjahr:Buß und Bettag
Autor:Pfarrer Mag. theol. Ulrich Hutter-Wolandt

Predigttext: Lukas 13, 22-27 (Uebersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

22 Und er ging durch Städte und Dörfer und lehrte und nahm seinen Weg nach Jerusalem. 23 Es sprach aber einer zu ihm: Herr, meinst du, dass nur wenige selig werden? Er aber sprach zu ihnen: 24 Ringt darum, dass ihr durch die enge Pforte hineingeht; denn viele, das sage ich euch, werden danach trachten, wie sie hineinkommen, und werden's nicht können. 25 Wenn der Hausherr aufgestanden ist und die Tür verschlossen hat und ihr anfangt, draußen zu stehen und an die Tür zu klopfen und zu sagen: Herr, tu uns auf!, dann wird er antworten und zu euch sagen: Ich kenne euch nicht; wo seid ihr her? 26 Dann werdet ihr anfangen zu sagen: Wir haben vor dir gegessen und getrunken und auf unsern Straßen hast du gelehrt. 27 Und er wird zu euch sagen: Ich kenne euch nicht; wo seid ihr her? Weicht alle von mir, ihr Übeltäter! 28 Da wird Heulen und Zähneklappern sein, wenn ihr sehen werdet Abraham, Isaak und Jakob und alle Propheten im Reich Gottes, euch aber hinausgestoßen. 29 Und es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes. 30 Und siehe, es sind Letzte, die werden die Ersten sein, und sind Erste, die werden die Letzten sein.

Exegetischer Befund

Der Text Lk 13, 22-30 steht innerhalb des lukanischen Reiseberichtes (Lk 9,51 - 19,27). Die V. 22–30 bilden eine Einheit. In der Perikopenordnung sind zwar die V. 28–30 in Klammern gesetzt, doch sollten sie in der Predigt nicht weggelassen werden. Für sich allein genommen sind sie nicht aussagekräftig, erst im Zusammenhang der V. 22–30 kommen sie voll zur Geltung. In V. 22 wird in eine neue Situation übergeleitet und V. 31 markiert durch eine Zeitangabe ebenfalls einen Einschnitt zu dem vorher Dargestellten. Der Evangelist stellt hier den Weg Jesu nach Jerusalem dar, jener Stadt in der sich das Leiden, die Auferstehung und die Himmelfahrt ereignen werden. Lk entwirft den ausführlichen Reisebericht von der Erfahrung der nachösterlichen Gemeinde her. Die Gemeinde stand vor der Frage: Was sollen wir nun tun? Was passiert jetzt? Wann wird der auferstandene Herr wiederkommen? In dieser Situation lässt Lk sogar im Reisebericht die Gemeinde unterweisen, indem er überlieferte Jesusworte – sie stammen überwiegend aus der Spruchquelle Q - neu zusammenfügt und überarbeitet:

Jesus spricht so zu den JüngerInnen für die Zeit seiner Abwesenheit und gibt ihnen Anweisungen, nach denen sie handeln sollen. Hier wird von der Gemeinde die drängende Frage gestellt und von Jesus beantwortet: „Herr, sind es nur wenige, die gerettet werden?“ Bei der Antwort Jesu geht es nicht um Zahlen, sondern er macht deutlich, dass es um ein entschiedenes Kämpfen geht, wenn man durch die enge Tür will. In V. 23 stehen den „wenigen“ den „vielen“ gegenüber, die versuchen, durch die enge Tür zu gelangen (V. 24). Lukas fügt im Folgenden das Bild von der verschlossenen Tür und das Bild vom Festmahl ein. Den Abschluss bildet das Wort von den Ersten und den Letzten. Dabei fällt auf, wie dies auch sonst bei Lk zu finden ist, dass die Letzten nicht automatisch die Ersten sind. Es wird nur von manchen gesprochen.

Für Lk reicht es nicht aus, dass Menschen zu den Zeitgenossen Jesu gehört oder mit ihm gegessen und getrunken haben (V. 26f). Rettung erfolgt nicht durch das Eingebundensein in eine bestimmte Gruppe. Hier ist eine leise Kritik an der jüdischen Religion spürbar. Dies wird auch in den letzten Versen deutlich. In Jesus ist das Reich Gottes gegenwärtig, dieses Reich Gottes kommt aber nicht einfach so, sondern verlangt Einsatz, indem ich mich auf den Weg mache. Nach lukanischer Vorstellung heißt dies, dass sich Menschen aus ihrer jüdischen Gemeinde herauslösen. Der Hinweis auf das Gastmahl ist so zu verstehen, dass es bereits im Gang ist. Dies unterstreicht noch einmal die Dringlichkeit des Appells, dass eine rein äußerliche Verbundenheit mit Jesus nicht ausreicht, um zum Reich Gottes zu gelangen. Jeder und jede hat es selbst in der Hand.

Theologische Gedanken

„Buße“ hat für viele Menschen eine pejorative Bedeutung. Doch es geht an diesem Tag nicht ums Büßen für begangene Vergehen im Sinne von „bestraft werden“, sondern um eine Haltungsänderung, eine Umkehr zu Gott hin. Die tolerierbare Meinungsvielfalt hat da ihre Grenze, wo Menschen aufgrund bestimmter Anschauungen verletzt werden, körperlich und seelisch. Und weil wir das wissen, können und müssen wir uns dann auch fragen: Was müssen wir tun? Gewalt fängt schon früher an, auch schon da, wo einzelne Menschen und Personengruppen ausgegrenzt und stellvertretend für alle möglichen Probleme verantwortlich gemacht werden.

Gottes Wort halten und Liebe üben, das sucht Gott bei uns und das gehört zusammen. Liebe üben wird in Situationen, wo Menschen geschlagen oder gequält werden, zu der ganz konkreten Frage: Werde ich bereit sein, ein Risiko einzugehen und einem Einzelnen zu helfen, der angepöbelt und bedroht wird? Das ist in dieser Situation keine theoretische Frage mehr. Ich kann mir viele Gedanken machen über die Ebenbildlichkeit des Menschen, über seine Würde, aber was kann ich tun, um diesen Grundsatz auch aktiv zu schützen? Nicht wegschauen, so lautet die Forderung. Aufmerksam und hellhörig werden, aufmerksam mitgehen mit unserem Gott, der uns in solchen Situationen für unseren Nächsten braucht, das sucht Gott bei uns. Mit anderen gemeinsam können wir etwas tun.

Die für mich schönste Bußpredigt hat Jesus gehalten. Es ist das bekannte Gleichnis vom verlorenen Sohn. Nachdem der junge Mann sein Erbe verprasst hatte und es mit ihm bergab ging, wollte er sein Leben neu ausrichten und sich ändern, und er konnte es. Der Vater hat die Tür zwischen den beiden nicht zugeschlagen, sondern offen gehalten, um einen Weg zum Neuanfang zu eröffnen. Wir können es auch. Jeder kann an sich arbeiten, an seiner Persönlichkeit, seinem Charakter, seinem Verhalten. Gott hat Freude daran, wenn wir es tun, wenn wir Einsicht zeigen und den Willen zur Besserung haben. Er ist bereit, uns dabei zu helfen. Jeden Tag können wir von neuem unsere Lebenssicht überprüfen und wenn nötig, korrigieren. Gott kann viel aus unserem Leben machen, wenn wir die richtige Einstellung zu ihm finden, wenn wir auch untereinander immer wieder Türen offen halten. Ein Schritt nur, und wir sind wieder auf dem richtigen Weg und nicht mehr „draußen vor der Tür“. Für den Sohn im Gleichnis hieß das Schlüsselwort, das ihn rettete: “Umkehr“. „Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen.“ Der Vater empfing ihn mit offenen Armen. Alle Schuld ist vergeben. Seine Buße, also seine Rückkehr, seine Neubesinnung, seine Einsicht, seine Reue, das alles wird groß gefeiert.

So ist Gott: Gnädig und barmherzig und von großer Güte. Buße heißt für uns nicht: Ich kehre mich schweren Herzens von Dingen ab, die mir mal etwas bedeutet haben, aber nicht gut waren, sondern: Ich wende mich den Dingen zu, die mein Leben bereichern, und mich froh und dankbar machen. Und doch bleiben Fragen: Wo stehen wir eigentlich? Noch vor der Tür oder bereits hinter der Tür? Wo ist unser Platz als getaufte ChristInnen beim endzeitlichen Mahl? Welche Rolle spielt unser Tun? Buße ist Rückkehr zum Beginn, ist Neuanfang, den keiner selbst möglich machen kann. Wenn wir dies leben, dann werden sich uns Türen öffnen, zu Gott, zu Jesus, zu unseren Mitmenschen und zum Leben.

Literatur: François Bovon, Das Evangelium nach Lukas. EKK. III/2. Teilband, Neukirchen-Vluyn 1996. - Hans Klein, Das Lukasevangelium. KEK I/3, Göttingen 2006. - Michael Wolter, Das Lukasevangelium. HNT 5, Tübingen 2008.

Gebete

Eingangsgebet

Lieber Gott, viele Menschen warten auf Glück, Unterstützung, Hilfe und Geborgenheit. Guter Gott, zeige den Menschen einen Weg in ihrem Leben, immer wieder Menschen zu finden, die ihnen Liebe und gute Gefühle geben. Sei du, guter Gott, bei uns in diesem Gottesdienst und erhöre unser Gebet.

Fürbittengebet

Gott wir bitten dich, gib allen Menschen genug Kraft, damit sie ihre Aufgaben erfüllen. Gott, wir bitten dich, gib allen Verzweifelten Mut und Hoffnung. Gott, wir bitten dich, jeder Mensch hat eine zweite Chance verdient. Auch wenn der erste Versuch gescheitert ist. Gott wir bitten dich, sei bei uns und hilf uns, den rechten Weg zu finden. Gott, wir bitten dich, dass alle Menschen gleichberechtigt sind. Gott, wir bitten dich, dass die Menschen auf den Philippinen durch Helfer aus den westlichen Ländern tatkräftig unterstützt werden, damit sich ihre Not bald lindert und es nicht zu Hungersnöten und Seuchen in diesem Land kommt. Gott, manchmal möchte ich am liebsten weglaufen, vor mir und vor anderen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich nicht gut genug bin, dass ich nicht liebenswert bin. Gott, ich bitte dich für alle, denen es ähnlich geht. Auch für die, die mir gleichgültig sind, auch für die, die ich nicht mag.

Lieder

"Es wolle Gott uns gnädig sein" (EG 280) "Herr Jesu Christe" (EG 217, 1-3) "Aus tiefer Not" (EG 299) "Ich steh vor dir mit leeren Händen" (EG 382) "Ströme lebendigen Wassers" ( in: Singt Jubilate, München-Berlin 2012, Nr. 31)

Neuigkeiten

Aus den Quellen schöpfen

Die mit exegetischen Impulsen, Gebeten und einem Essay zu "Exegese und Homiletik" verbundenen Auslegungen wissen sich in einer weltweiten Communio, die "aus den Quellen des Heils" schöpft (Jesaja 12,3)... mehr lesen

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