„Dies tut zu meinem Gedächtnis…“
Geschwisterliche Praxis
Predigttext | 1. Korinther 11,23-26 |
---|---|
Kirche / Ort: | 09322 Penig |
Datum: | 17.04.2025 |
Kirchenjahr: | Gründonnerstag |
Autor: | Pfarrerin i. R. Ursula Bürger |
Predigttext: 1. Korinther 11,23-26 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 2017) 23 Denn ich habe von dem Herrn empfangen, was ich euch weitergegeben habe: Der Herr Jesus, in der Nacht, da er verraten[3] ward, nahm er das Brot, 24 dankte und brach’s und sprach: Das ist mein Leib für euch;[4] das tut zu meinem Gedächtnis. 25 Desgleichen nahm er auch den Kelch nach dem Mahl und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund[5] in meinem Blut; das tut, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis. 26 Denn sooft ihr von diesem Brot esst und von dem Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt.
Die Praxis des Abendmahls als Gradmesser der Liebe
Wir hören manchmal in der Gemeinde das Bedauern: „Früher war alles besser und schöner in der Kirche.“ Von welchem „Früher“ mag da die Rede sein? Dem Apostel Paulus, der ganz gewiß am frühen Beginn der Christenheit Gemeinde baute, kam zu Ohren, daß es in der Gemeinde zu Korinth Ärger um die Abendmahlsfeiern gibt. Da sollen sich unschöne Szenen abspielen. Einige Teilnehmer sollen sogar betrunken gewesen sein, während ärmere sogar hungrig waren! Und Paulus spricht seinen Tadel in einem Brief aus, den er von Ephesus aus schreibt: „Ich kann´s nicht loben, daß ihr nicht zu eurem Nutzen, sondern zu eurem Schaden zusammenkommt.“ (1. Kor11,17) Von Teilen konnte da wohl keine Rede sein. „Mit diesem Verhalten beschämt ihr die, die nichts haben.“ Und noch einmal O-Ton Paulus: „Hierin lobe ich euch nicht.“ (V.22) So stellt Paulus zweimal klar, daß und wie er die empfangene Abendmahlstradition an die Gemeinde weitergeben und pflegen möchte. Es ist ihm hier nicht vorrangig um die „richtige“ Lehre zu tun, sondern um die Praxis, die Ausübung gerade des Abendmahlsakraments. Der Blick auf die Glaubensgeschwister ist unabdingbar. Deshalb ist das immerwährende Bemühen um die Gestaltung der Abendmahlsfeiern nötig und wichtig. Auch, wenn man sich anschaut, wie sich die Abendmahlfeiern im Wandel der Zeiten mit gewandelt haben, ist der Wille deutlich, sich nicht den Tadel des Paulus zuzuziehen.
Ursprung des Abendmahls
Denn das Abendmahl hat eine uralte Geschichte. Paulus gibt es weiter als „vom Herrn“ empfangen. Und auch Jesus hat es nicht „erfunden“, sondern es ist die Fort- und Weiterführung des jüdischen Passahmahles, das bis heute zum Gedenken an die letzte Nacht vor dem Auszug unter Mose aus der Sklaverei in Ägypten gehalten wird. Die Passahmahltradition reicht tief in die Geschichte des Volkes Israel. Sie gehört zu seinem Gründungsmythos als Volk. Es war auch eine Nacht, als die Aufforderung von Mose kam, ein Lamm zu schlachten, es in der Familie aufzuessen, als Stärkung für den langen Weg, der vor ihnen lag in die Freiheit. Daß er 40 Jahre dauern würde, ahnte niemand. Und es war das Mahl der Verschonung. Der Engel Gottes, der in dieser Nacht in jedem Haus den Erstgeborenen tötete, sollte die Häuser verschonen, deren Pforten mit dem Blut des geschlachteten Lammes bestrichen waren. Indem Jesus nun mit seinen Jüngern das Passahmahl feiert, gibt er ihm eine neue Zielrichtung: Es wird zur Stiftung des neuen Bundes durch das Blut eines anderen Lammes, als das sich Jesus bezeichnet. Für die Jünger Jesu endet in dieser Nacht ihre jüdische Vergangenheit. Ein neues Morgen wird anbrechen. Woher sie kommen, wissen sie. Wohin sie gehen, werden sie später erfahren. Daß Jesus beim vertrauten Passahmahl vom Neuen Bund in seinem Blut spricht, muß ihnen ein Rätsel gewesen sein, wie es immer ist, wenn von der Zukunft die Rede ist..
Die neue Gestalt des alten Gottesglaubens
Mit den Ereignissen um den Tod und die Auferstehung Jesu gewinnt der neue Glaube die Gestalt des Christentums, deren besondere Ereignisse wir jedes Jahr wieder feiern. Der Gründonnerstag mit der Feier des Abendmahles gehört dazu. „Dies tut zu meinem Gedächtnis.“ So verbindet Jesus die Passahfeier mit sich als dem Opferlamm. Und diese Tradition, bei Paulus erst ca. 20 Jahre alt, wird auch in der jungen Korinther Christengemeinde praktiziert, und wie wir hören, ohne ethische Konsequenzen: Die Armen werden übersehen. Und das ist bei einem Sakrament besonders schmerzlich. „In der Nacht, da Jesus verraten wurde…“ Diese Worte aus der Abendmahlsliturgie sind uns vertraut. Unklar ist bis heute, worin eigentlich „der Verrat“ bestanden haben soll in der Nacht vor der Kreuzigung. Könnte nicht auch der Verrat darin bestehen, daß die Christenheit die Theorie des Abendmahls wohl „richtig“ versteht und trotzdem die Armen vergißt? Gerade in den schlimmen Auseinandersetzungen um das Abendmahlsverständnis, den Kriegen und Kirchenspaltungen um das Sakrament, wird die Verfehlung, der „Verrat“ an Jesu Botschaft deutlich. Das rügt Paulus an den Korinthern, daß mit diesem Verhalten, das den Bruder, die Schwester vergißt, die erlösende Kraft des Abendmahls verdunkelt, wenn nicht unmöglich gemacht wird. Deshalb ist es richtig und wichtig, daß wir uns Gedanken machen, wie wir das Abendmahl feiern, daß wir uns nicht den Tadel des Paulus zuziehen, wir würden die Armen beschämen, indem wir sie nicht beachten.
Das Abendmahl hält alles zusammen
Vom jüdischen Passahmahl herkommend, erfuhr es durch Jesus die neue Zielrichtung, die Personifizierung von Jesus als dem Osterlamm, das der Welt Sünde trägt. Damit wird das Passahmahl entgrenzt und bekommt seine Bedeutung über Israel hinaus, und doch bleibt sein Herkommen gewahrt in der Gestalt Jesu. „Aller Welt Enden sollen das Heil Gottes sehen und erleben können.“ Aber weil diese Erweiterung so atemberaubend ist, daß wir sie nicht aushalten, begrenzen wir sie selber, setzen eigene Schranken: nationale, religiöse, geschlechtliche, Eigentumsgrenzen. Damit ist dann ist auch die kraftgebende Wirkung des Sakraments beschränkt, dann ist die Hoffnung sehr klein, die sich mit diesem Ritual verbinden kann. Aber es bleibt dabei, daß trotz allem Fehlgebrauch das Abendmahl mit uns zieht und uns auf die Schwestern und Brüder weist, die mit auf dem Weg sind. Unsere Abendmahlspraxis soll sie nicht beschämen. Auch daran werden wir am Gründonnerstag erinnert.