Predigt

"Du musst verstehen lernen …"

„Denn der kommende Gott ist für alles da …“

Predigttext1. Korinther 4,1-5 (mit Einführung)
Kirche / Ort:Mosbach
Datum:12.12.2021
Kirchenjahr:3. Sonntag im Advent
Autor:Johannes-Diakonie Mosbach / Pfarrerin Birgit Lallathin

Predigttext: 1. Korinther 4, 1 – 5 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 2017)

Dafür halte uns jedermann: Für Diener Christi und Haushalter über Gottes Geheimnisse. Nun fordert man nicht mehr von den Haushaltern, als dass sie für treu befunden werden. Mir aber ist es ein Geringes, dass ich von euch gerichtet werde oder von einem menschlichen Gericht. Auch richte ich mich selbst nicht. Ich bin mir zwar nichts bewusst, aber darin bin ich gerechtfertigt. Der Herr ist es aber, der mich richtet. Darum richtet nicht vor der Zeit, bis der Herr kommt, der auch ans Licht bringen wird, was im Finstern verborgen ist, und wird das Trachten des Herzen offenbar machen. Dann wird einem jeden von Gott sein Lob zuteil werden.

Hinführung zum Predigttext

Das übergeordnete Thema des Sonntags gibt der Wochenspruch vor: „Bereitet dem Herrn den Weg, denn siehe, der Herr kommt gewaltig“ Jesaja 40,3 10

Deutlich zeigt sich hier die traditionelle Vorstellung von der Adventszeit als Vorbereitungs- und Reinigungszeit auf Wiederkehr Christi und Gericht. Adventszeit hat die liturgische Farbe Lila und ist Bußzeit. Ein Gedanke, der kaum noch zu vermitteln erscheint.

Allerdings leben wir im Advent 2021 mitten in der Pandemie von Sars–CoV-2. Eine derart starke Verunsicherung, wie sie zu erleben ist, hat es in Deutschland seit Jahrzehnten nicht gegeben. Das Vertrauen in medizinische Versorgung und staatliches Handeln ist erschüttert, eine zunehmende Aggressivität, die kaum noch rational zu begründen ist, greift um sich. Über Impfen oder Nicht-Geimpft-werden zerstreiten sich Familien. Sowohl wirtschaftliche aber besonders auch soziale Nöte nehmen stark zu. Schlichte bis schlichteste Lösungsmodelle werden von unseriösen Quellen angeboten und medial weitergereicht. Stimmen der Vernunft, wie wir sie zu Recht von Kirchen erwarten, dringen kaum in die breite Bevölkerung vor. Auch Kirchgänger*innen, deren Zahl durch die epidemische Lage weiter bedenklich abnimmt, sind tief verunsichert. Die Feier des Adventsgottesdienstes wie in vergangenen Jahren scheint durch Maskenpflicht und Impfnachweis, eingeschränkte musikalische Gestaltung und sogar behindertes Singen sehr erschwert.

Auch 1. Kor 4, 1 – 5 betont den Gerichtsgedanken. Allerdings ist im vorliegenden Text vom „Kommen“ des Herrn die Rede, nicht ausdrücklich vom Gericht Gottes. Das Kommen des Herrn versteht Paulus als „an das Licht bringen“, man könnte sagen: Aufklärung im Wortsinne! Wo das Licht klar scheint, haben Dunkelheit und Angst, Verwirrung und Fehlurteile keinen Platz mehr.Es sind vielmehr Menschen, die einander richten und sich das Leben buchstäblich zur Hölle machen. Christus tut es nicht, Paulus sieht sich gerechtfertigt und hat keine Angst, sein Handeln zu verantworten.

Erstaunlich ist der Schluss, den Paulus aus dem Kommen Christi zieht: „Dann wird einem jedem von Gott sein Lob zuteil werden“. Entgegen traditioneller Angstpredigt steht also die Erhellung, das nüchterne „bei Licht betrachtet“- Urteil im Vordergrund. Und Christus kommt in Liebe. Was nicht bedeutet, dass er nicht gerecht sein wird! Eine feine Abwägung ist vonnöten.

Exegetisch ist zu beachten, dass das Predigtwort nicht aus dem Kontext 1. Kor 1, 10 – 4,21 zu lösen ist, der das Problem der Parteiungen in Korinth behandelt. Sehr emotional kämpft Paulus hier um die Grundpositionen der christlichen Gemeinde und die Gruppierungen ihrer Anführer, von denen Apollos und Petrus-Kephas genannt werden. Strittig ist, ob es 3 oder 4 Gruppierungen gab. Paulus wendet sich gegen die Streitigkeiten generell und verweist darauf, dass allein Christus und die Predigt vom Gekreuzigten Grund des Glaubens sein kann. Wenn dies beachtet wird, ist klar, dass Kapitel 4 sich mit der Anrede „Diener Christi und Haushalter über Gottes Geheimnisse“ an die Verantwortungsträger in der Gemeinde wendet, die sich in Geltungssucht und Rechthaberei Urteile bilden. Dennoch darf der Schluss gezogen werden, dass die Zurechtweisung durch Paulus alle Christ*innen betrifft. H.Conzelmann/A.Lindemann, (Arbeitsbuch zum Neuen Testament, 5. Auflage 1980, S. 212) hält fest: „Kapitel 4 stellt die Demonstration des paulinischen Apostolats dar als Beispiel christlichen Lebens überhaupt“.

In Zeiten der Pandemie glaubwürdig Christ und Christin sein, auf das Kommen Christi in Liebe zu warten und sich diese Liebe zum Vorbild nehmen, kann der Kernpunkt dieser Predigt sein. Die Autorin wählt das glaubwürdige Beispiel der eigenen Großmutter, die hier, zugegeben, etwas idealisiert dargestellt wird. Positive Beispiele glaubwürdigen Christseins, besonders im christlich fundierten Handeln können die Predigt allerdings buchstäblich „erhellen“. Wir benötigen positive Beispiele des Menschseins.

Sollte der Schwerpunkt einer Predigtausarbeitung sich mehr auf die berufenen „Diener Christi und Haushalter über Gottes Geheimnisse“ beziehen, kommt mir das tägliche Gebet einer der Autorin gut vertrauten Schwesternschaft im Elsass (Communaute de Hohrodberg, Diakonissen aus Straßburg) in den Sinn. Täglich beten sie im Mittagsgebet für die Amtsträger*innen. Das Gebet lehnt sich an das frühkirchliche Gebet der Mönche aus der mozarabischen Kirche Spaniens an und sei hier auf Deutsch zitiert:

„Herr Gott, du hoher gnädiger Meister, wir erbitten dein Wohlwollen für deinen Knecht:…(es folgen drei Namen im Wechsel), den du erwählt hat, um ihn der Zahl derer zuzuführen, die du dir für deinen Dienst geweiht hast. Möge er weise und demütig sein / Wahr in dem, was er lebt, / groß im Gehorsam, / fügsam im Glauben, / gelassen gegenüber Vorwürfen, / liebevoll im Mitleiden, / verständig und eifrig in seinen Werken, / liebevoll im Mitleiden, / stark in der Anfechtung, / gegründet im Frieden, / großzügig in der Hingabe seiner selbst, / beharrlich im Gebet, / erbaulich im Tun der Barmherzigkeit, / gut gegenüber den Demütigen. /Herr, empfange gnädig seine Hingabe, und erfülle sein sehnliches Gebet, dein Angesicht zu schauen, / durch Jesus Christus, deinen Sohn, unseren Herrn und unseren Gott. Amen“ - Das Wissen um das Gebet für Amtsträger*innen kann sehr tröstlich sein, gerade jetzt.

Gebet und Lieder:

Im Wechsel der Tage, im Wechsel der Wachen, im Wechsel der Zeiten Was ist heute? Was war gestern? Was wird morgen sein?

Morgen

Ich könnte morgen nicht einmal denken, wenn da nicht wäre Die Erinnerung an Dich / Und das Warten darauf, / dass Du kommst, / Dein Advent / Dein Kommen in diese Welt. / Komm auch zu mir / Und lass Dich nicht übersehen, / wenn Du kommst. (Michael Lipps)

Drei Lieder unterstreichen die Botschaft der Predigt in Zeiten der Pandemie, ohne in Depression zu versinken:

EG 16 „Die Nacht ist vorgedrungen“ ist die eindeutige Antwort im Lied auf die Adventspredigt zu 1.Kor 4,1 – 5: Str 1 „…Auch wer zur Nacht geweinet…“, Str 5: „…Gott will im Dunkel wohnen und hat es doch erhellt.“

Auch EG 17 „Wir sagen euch an“ ist weit mehr als ein einfaches Kindergottesdienstlied. Str 3: „…Nun tragt eurer Güte hellen Schein weit in die dunkle Welt hinein.“

EG 19 „O komm, o komm, du Morgenstern“ nach dem in Großbritannien sehr beliebten „O come o come Emanuel“ hat es im deutschen Sprachraum leider noch nicht zu großer Bekanntheit gebracht.

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Die mit exegetischen Impulsen, Gebeten und einem Essay zu "Exegese und Homiletik" verbundenen Auslegungen wissen sich in einer weltweiten Communio, die "aus den Quellen des Heils" schöpft (Jesaja 12,3)... mehr lesen

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Heinz Janssen
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