"Durst nach Ewigkeit"
Durststrecken
Predigttext | Johannes 4,5-14 |
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Kirche / Ort: | Dalsheim und Wachenheim |
Datum: | 26.01.2025 |
Kirchenjahr: | 3. Sonntag nach Epiphanias |
Autor: | Pfarrerin Dorothea Zager |
Predigttext: Johannes 4,5-14 (Übersetzung nach Martin Luther)
Da kam er in eine Stadt Samariens, die heißt Sychar, nahe bei dem Feld, das Jakob seinem Sohn Josef gegeben hatte. Es war aber dort Jakobs Brunnen. Weil nun Jesus müde war von der Reise, setzte er sich an den Brunnen; es war um die sechste Stunde. Da kommt eine Frau aus Samarien, um Wasser zu schöpfen. Jesus spricht zu ihr: Gib mir zu trinken! Denn seine Jünger waren in die Stadt gegangen, um Speise zu kaufen. Da spricht die samaritische Frau zu ihm: Wie, du, ein Jude, erbittest etwas zu trinken von mir, einer samaritischen Frau? Denn die Juden haben keine Gemeinschaft mit den Samaritern. – Jesus antwortete und sprach zu ihr: Wenn du erkenntest die Gabe Gottes und wer der ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken!, du bätest ihn, und er gäbe dir lebendiges Wasser. Spricht zu ihm die Frau: Herr, du hast doch nichts, womit du schöpfen könntest, und der Brunnen ist tief; woher hast du denn lebendiges Wasser? Bist du etwa mehr als unser Vater Jakob, der uns diesen Brunnen gegeben hat? Und er hat daraus getrunken und seine Söhne und sein Vieh. Jesus antwortete und sprach zu ihr: Wer von diesem Wasser trinkt, den wird wieder dürsten; 14wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm gebe, den wird in Ewigkeit nicht dürsten, sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, das wird in ihm eine Quelle des Wassers werden, das in das ewige Leben quillt.
Vorbemerkung: Wenn eine Kurzpredigt gewünscht ist, kann Predigtteil II – Exkurs über das Verhältnis von "Samaritern und Juden" – weggelassen werden. Der Predigttext wird erst im Laufe des Predigtteils I "Durst" verlesen. Es empfiehlt sich, im Hinblick auf die Predigt Psalm 42 (EG 723) sprechen und EG 140 "Brunn alles Heils, dich ehren wir" oder EG 66,7 "Jesus ist kommen, die Quelle der Gnaden" singen zu lassen. -
Durst nach Wasser
Nach einer langen und mühsamen Wanderstrecke gibt es nichts Schöneres als eine Rast an einem Gebirgsbach. Frisches kühles Wasser sprudelt über die Steine. Man spürt es sogar in der Luft: sie ist kühler und feuchter, tatsächlich kann man das Wasser nicht nur hören, sondern sogar riechen. Wir nehmen einen Schluck aus dem Bach zum Trinken, ein Bad für die erschöpften Füße, eine Kühlung für Hände und Hals. Das Gefühl, wie der kühle Wasserstrahl über Arme und Gesicht rinnt, lässt plötzlich alle Anstrengungen vergessen. Wasser tut einfach gut, und es dauert nicht lang, und wir spüren Kraft und Lust, weiterzugehen auf unserem Wanderweg. Wasser ist unser bedeutsamstes Lebensmittel, denn es nimmt in unserem Körper zahlreiche lebenswichtige Aufgaben wahr.
Während wir mehrere Wochen ohne feste Nahrung auskommen, können wir Wasser nur höchstens vier bis fünf Tage lang entbehren. Der Mensch besteht zu 70% aus Wasser! Wasser sorgt für gute Leistungsfähigkeit, eine geregelte Verdauung und für eine einwandfreie Funktion von Nieren, Herz und Kreislauf. Wasser reguliert auch die Körpertemperatur und dient als Lösungs- und Transportmittel. Zudem benötigt unser Körper Wasser als Baustoff für Eiweiß- und Kohlenhydratverbindungen.
Jeder Mensch verliert Tag für Tag zwei bis drei Liter Flüssigkeit - über die Haut und ausgeatmete Luft, über das Ausscheiden. Wenn wir schwitzen, zum Beispiel in der Sauna, beim Sport oder bei sommerlichen Temperaturen, ist es sogar noch mehr. Denn Schweiß ist nichts anderes als Flüssigkeit, die unser Körper auf die Haut transportiert um uns so Kühlung zu verschaffen. Auch wenn wir krank sind, verliert unser Körper viel Flüssigkeit. Wenn Sie an die vielen Aufgaben von Wasser in unserem Körper denken, verstehen Sie, warum wir verlorene Flüssigkeit rasch nachfüllen sollten. Wasser ist also eine der größten Gaben der Schöpfung Gottes. Ohne Wasser kann nichts leben – weder Pflanze, noch Tier noch Mensch.
Das Wasser war im jüngeren der beiden Schöpfungsberichte unserer Bibel sogar als allererstes da, bevor noch Himmel und Erde erschaffen wurden: Im Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde. Und die Erde war wüst und leer, und Finsternis war über der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte über den Wassern. Und Gott sprach: Es werde Licht! und es ward Licht. (Genesis 1,1).
Wasser ist also nicht nur eine der größten sondern eine der wichtigsten Gaben der Schöpfung Gottes. Allerdings: Einmal trinken reicht nicht. Es wird so sein – das weiß jeder –, einige Stunden später werden wir wieder Durst haben, eine Quelle suchen oder einen Gebirgsbach oder eine kleine Gaststätte. Denn: Das Durstlöschen ist nur von kurzer Dauer.
Jesus hat sich genau darüber einmal mit einer Frau unterhalten, die an einem Brunnen Wasser geschöpft hat. Jesus hatte sie um einen Schluck Wasser gebeten und die beiden – das war eigentlich unüblich zur damaligen Zeit – kamen ins Gespräch. Ins Gespräch über das Wasser und den Durst – über die Sehnsucht und das Sehnsuchtstillen.
(Lesung des Predigttextes Johannes 4,5-14)
Samariter und Juden
Wissen Sie eigentlich, warum gläubige Juden zur Zeit Jesu und die Samariter einander nicht leiden konnten? Warum „Samariter“ damals – im Gegensatz zu heute – eher ein Schimpfwort war?
Das Land Samaria lag zwischen Judäa und Galiläa am Westufer des Jordans und hatte einmal zum Nordreich Israels gehört. Als die Assyrer den größten Teil der jüdischen Bevölkerung verschleppt hatten, siedelten sie auf dem frei gewordenen Land Menschen aus anderen Ländern an. Diese neuen Siedler übernahmen den Gott des Landes, nämlich Jahwe, behielten aber daneben ihre alten Götter. Und sie feierten ihre Gottesdienste nicht in Jerusalem sondern auf ihrem Heiligen Berg, dem Garizim.
Die Samariter, von denen im Neuen Testament öfter die Rede ist, waren Nachkommen dieser Siedler. Deshalb wurden sie von den „reinen“ Juden entschieden abgelehnt. Manche Juden nahmen auf ihrem Weg nach Jerusalem lieber einen großen Umweg östlich von Samarien in Kauf, auf dem sie sogar zweimal den Jordan überqueren mussten, als durch Samarien zu reisen.
Jesus tat das nicht. Ihn konnten überkommene Vorurteile nicht anfechten. Die Frau, die zum Jakobsbrunnen kam, war nicht nur eine Samariterin, sie war eine Frau. Allein deshalb reagierte sie höchst verwundert, dass Jesus sie ansprach und um Wasser bat.
Die beiden kommen also ins Gespräch über das Wasser, das man trinkt und dann doch wieder durstig wird und über das Wasser, das Christus uns gibt: Das Wasser, dessen Quelle ins ewige Leben quillt. Da dämmert es der Frau: der Mann, der hier mit ihr spricht, ist nicht einfach nur ein Jude, der sich über die Regeln des Abstands zwischen Samariter und Juden, zwischen Frauen und Männer hinwegsetzt. Sondern er ist mehr. Er ist ein Prophet.
Durst nach Leben
Kommen wir damit wieder zurück zu unserem Nachdenken über das Wasser und den Durst: Oft genug sehnen wir uns nämlich in unserem Leben nach einer anderen Art des Durststillens. Ist Ihnen schon mal aufgefallen, wie wir Zeiten nennen, in denen es uns nicht gut geht? Wir nennen sie „Durststrecken“ oder „auf dem Trockenen Liegen“. Wir verbinden Notzeiten mit dem Gefühl von Durst. Wir sehnen uns nach Kraft und Stärkung, nach neuem Lebensmut und neuer Zuversicht. Und diese Sehnsucht empfinden wir genauso brennend und quälend, wie den Durst.
Wann haben Sie das letzte Mal auch seelisch „auf dem Trockenen“ gelegen? Eine Durststrecke durchstehen müssen? Vielleicht durchleben Sie ja gerade eben eine solche Durststrecke. Friedrich Schlegel hat in einem Brief an seinen Bruder einmal geschrieben: „Die Quelle des Idelasist der heiße Durst nach Ewigkeit , die Sehnsucht nach Gott, also das Edelste unsrer Natur." (Friedrich Schlegel, An seinen Bruder, 17. Mai 1792). Genau von dieser Sehnsucht spricht auch Jesus am Brunnen.
Jesus bietet jener Frau am Brunnen eine Erfrischung an, die nicht nur für kurze Zeit anhält – so wie ein Schluck Wasser. Jesus, der an den Brunnen gekommen war, um selbst um Wasser zu bitten, wird plötzlich zum Gebenden: „Wer an mich glaubt, der wird nie wieder Durst haben.“ Er meint damit: Ich lösche nicht Euren Durst nach Wasser, sondern Euren Durst nach Leben. Wie aber soll das gehen? Was ist das für ein Durstlöschen, das er uns anbietet?
1. Jede und jeder von uns wünscht sich doch, als einzigartiger Mensch genau so geliebt zu werden, wie wir sind. Jesus vermittelt dies bereits während seiner Wirksamkeit auf unserer Erde jedem, der ihm begegnete. Er nahm die Menschen erst, so wie sie waren und mit den Schwierigkeiten, die sie hatten: ob es nun der fragende Jude Nikodemus war, die todgeweihte Ehebrecherin, der aus eigener Schuld aus der Gemeinschaft verstoßene Zachäus, ja selbst die Kinder, die sich auf seinen Schoß drängten. Er schenkte ihnen das, wonach sie am meisten dürsteten: Verständnis und menschliche Nähe. Und genau das schenkt er auch uns. In unseren Gedanken und in unserem Herzen.
2. Jede und jeder von uns wünscht sich doch, dass seine Mühen, seine Arbeit, sein Einsatz für die Menschen und für unsere Welt nicht umsonst ist und einfach verraucht, wenn wir einmal gehen. Jesus vermittelte dies bereits während seiner Wirksamkeit auf unserer Erde jedem, der ihm begegnete: Was Du tust für Gott, für die Menschen und für die Schöpfung ist nicht umsonst, sondern wird sehr wohl von Gott wahrgenommen und auch belohnt: „Mit demselben Maß, mit dem ihr messt, wird euch wieder gemessen werden, und es wird euch noch hinzugetan werden (Mt 7,2; Lk 6,38).
3. Jede und jeder von uns wünscht sich doch, dass unsere Erde, um die wir uns so sehr sorgen, weil sie gerade jetzt wieder politisch, ökologisch und wirtschaftlich am Abgrund taumelt, nicht verloren ist. Was gäben wir darum, wenn wir Kriegstreibern wie Putin oder Größenwahnsinnigen wie Trump das Handwerk legen, die Nahrung auf unserem Planeten gerechter verteilen und der Erderwärmung ein Ende setzen könnten. Aber das können wir nicht – und fühlen uns dabei oft winzig und hilflos. Jesus vermittelte bereits während seiner Wirksamkeit auf unserer Erde jedem, der ihm begegnete: In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden (Joh 6,33). Und er möchte, dass wir mit diesem Vertrauen auch durch die gegenwärtigen Zeitläufte gehen. „Ich weiß, dass du mein Gott bist. Auf Gott hoffe ich und fürchte mich nicht; was können mir Menschen tun?“
4. Letztlich wünscht sich doch jede und jeder von uns, dass wir nach unserem Leben nicht einfach verschwinden – unser Körper ins Grab und unsere Seele in ein unendliches Nichts. Wir, das heißt jeder und jede einzelne von uns, ist nicht nur ein Flöckchen Sternenstaub. Jesus vermittelte dies bereits während seiner Wirksamkeit auf unserer Erde jedem, der ihm begegnete: Der Tod ist nicht das Ende Deines Lebens, sondern der Anfang einer neuen Zeit in Gottes Nähe. Die Auferweckung des Lazarus oder die Erweckung von Jaïrus Töchterlein waren erste Zeichen dieser neuen fast unglaublichen Botschaft: Keine und keiner geht durch den Tod verloren, sondern wir werden auch nach seinem Tod in Gottes Liebe geborgen bleiben – in einer neuen, völlig veränderten Welt, wo unsere Sorgen und unsere Schmerzen verstummen und das gestillt wird, was uns oft so quält: unser Durst nach Leben.