Echter Osterglaube
Neue Wege finden, um die Auferstehung zu verstehen und zu glauben
Predigttext | 1.Korinther 15,19-28 |
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Kirche / Ort: | Gustav-Adolf-Kirche / Worms-Horchheim |
Datum: | 23.03.2008 |
Kirchenjahr: | Ostersonntag |
Autor: | Pfarrerin Dorothea Zager |
Predigttext: 1. Korinther 15,19-28 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)
Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die Elendesten unter allen Menschen. Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten als Erstling unter denen, die entschlafen sind. Denn da durch einen Menschen der Tod gekommen ist, so kommt auch durch einen Menschen die Auferstehung der Toten. Denn wie sie in Adam alle sterben, so werden sie in Christus alle lebendig gemacht werden. Ein jeder aber in seiner Ordnung: als Erstling Christus; danach, wenn er kommen wird, die, die Christus angehören; danach das Ende, wenn er das Reich Gott, dem Vater, übergeben wird, nachdem er alle Herrschaft und alle Macht und Gewalt vernichtet hat. Denn er muss herrschen, bis Gott ihm alle Feinde unter seine Füße legt. Der letzte Feind, der vernichtet wird, ist der Tod. Denn „alles hat er unter seine Füße getan“ (Psalm 8,7). Wenn es aber heißt, alles sei ihm unterworfen, so ist offenbar, dass der ausgenommen ist, der ihm alles unterworfen hat. Wenn aber alles ihm untertan sein wird, dann wird auch der Sohn selbst untertan sein dem, der ihm alles unterworfen hat, damit Gott sei alles in allem.
Liebe Gemeinde!
Das Fest der vielen Fragezeichen
Wir sagen gerne, liebe Gemeinde, Ostern sei das Fest der Freude. Aber wer ehrlich ist, muss zugeben: Ostern ist eher das Fest der vielen Fragezeichen. Sobald wir einmal ein bisschen genauer hinsehen – einen Blick riskieren hinter unseren österlichen Frühlingsschmuck, die bunten Eier, die Schokohäschen, die Blütenzweige in der Vase – sobald wir eindringen wollen in den Sinn und die Bedeutung des Festes auch für uns ganz persönlich – da sind sie wieder alle da: die vielen Fragezeichen: War das Grab wirklich leer? Wo ist Jesus hin? Zu Gott? Dann war er eigentlich auch gar nicht auferstanden. Ist er auf der Erde wirklich zurückgekommen? Wenn ja, warum erkannten ihn dann seine Jüngern nicht? Warum durfte Maria ihn nicht umarmen. Aber Thomas schon! Warum durfte der die Hände in die Wundmale legen. Und sollte das alles wirklich stimmen: Wie ist das dann mit unserem eigenen Tod, unserer eigenen Auferstehung? Kommt da wirklich etwas nach? Wie sieht es dann aus nach der Auferstehung? Gibt es ein Himmelreich? Insgeheim geht jeder ernsthafte Kirchgänger an Ostern mit der stillen Frage in die Kirche: Wird der Pfarrer oder die Pfarrerin es mir heute erklären können? Werde ich heute mit einem stärkeren Glauben nach Hause gehen oder werde ich meine alten Fragen wieder mitnehmen?
Wie war das mit der Auferstehung
Paulus kannte das. Auch er wurde von den jungen Christen gefragt: Wie war das mit der Auferstehung? Wie soll das zugegangen sein? Wie sollen wir uns das vorstellen? Erklär uns das mit der Auferstehung!
Paulus war ein echter Argumentationskünstler. Er hatte es in seiner Ausbildung gelernt, nach allen Regeln der Kunst ein Argument an das andere zu reihen und damit auch schwierigste Sachverhalte zu erklären. Genau in diesem Stil hat er auch geantwortet. (Der so genannte Diatriben-Stil ist eine philosphische Argumentationsmethode, in der entweder in Form eines Dialoges mit einem imaginären Gesprächspartner oder in Form einer Argumentations-Kette Gedankengänge verdeutlicht werden.)
(Lesung des Predigttextes)
Wenn sich Ihrer Brust bei diesen Worten ein Seufzer entringt, liebe Gemeinde, brauchen Sie sich dessen nicht zu schämen: Nein, das sind eigentlich nicht die Antworten, die wir uns an Ostern erhoffen! Was sollen wir damit anfangen? Den Fragen und Zweifeln offen ins Gesicht sehen
Einem Menschen, der es gewohnt ist, vernünftig und logisch zu denken, fällt es unsagbar schwer, sich die Rückkunft eines gestorbenen Menschen aus dem Tod vorzustellen. Dann über ein geistiges Wiederaufleben hinaus auch noch eine leibliche Auferstehung für möglich zu halten, also die Neubelebung des toten Körpers, dazu ist kaum ein aufgeklärt denkender Mensch ernsthaft in der Lage. „Das gibt es nicht!“, ruft in ihm eine innere Stimme. Und sie ruft es wie ein nagender Zweifel unter all dem Osterjubel in unseren Kirchen. Wenn wir die Osterlieder singen, das Osterevangelium hören, einer Osterpredigt folgen, leise oder manchmal sogar unüberhörbar tragen wir diese innere Stimme mit uns herum: „So etwas gibt es nicht“.
Wir spüren es selbst: Solange wir nicht bereit sind, dieser Frage und diesem Zweifel offen ins Gesicht zu sehen, ihn beim Namen zu nennen, ernst zu nehmen und ihm eine Antwort entgegenzusetzen, die ihn wirklich verstummen lässt, solange werden wir nie mit wahrhaft froher und befreiter Seele Ostern feiern können. Und solange bleibt uns auch eine unbestimmte Angst vor unserer eigenen Todesstunde; denn wir können nicht sicher sein, ob unser von Zweifeln geschüttelter Auferstehungsglaube uns dann wirklich noch tragen wird.
Neue Wege finden, um die Auferstehung zu verstehen und zu glauben
Liebe Gemeinde, die Leiblichkeit einer Auferstehung ist nicht das einzige, das vielen von uns an der Oster-Botschaft Mühe macht. Da sind auch die mit dem antiken Weltbild verknüpften Vorstellungen von himmlischer Welt, vom Totenreich, in das Jesus hinab gestiegen sei, und dass es eine Auferstehungs-Reihenfolge geben soll – diese antiken Vorstellungen können von uns so nicht mehr übernommen werden können; denn sie sind schlichtweg vergangen. Deshalb, liebe Gemeinde, haben Sie Mut: Sie brauchen diese Vorstellungen auch nicht übernehmen. Wir leben in der Zeit nach der Aufklärung. Das heißt: Wir dürfen – ja, wir müssen – neue Wege finden, die Auferstehung zu verstehen und zu glauben.
Paulus stellt die Auferstehung Jesu in den Denkhorizont jüdischer Endzeitvorstellungen hinein. Danach ist „Ostern“ sozusagen die „Initialzündung“ für das große Drama der Endzeit, das jetzt endlich seinem Abschluss entgegeneilt. So – und nur so! – sind die Argumente des Paulus auch zu verstehen, wenn er von einer Reihenfolge der Auferstehenden spricht, wer also zuerst dran ist mit dem Auferstehen und wer danach kommt; wer die Macht bekommt und über wem.
(Hier kann der/die Predigende oder eine andere Stimme zur Verdeutlichung noch einmal die entscheidenden Passagen des Predigttextes verlesen:) „Nun aber ist Christus von den Toten auferweckt worden als Erstling der Entschlafenen. Denn da der Tod durch einen Menschen gekommen ist, kommt auch die Auferstehung durch einen Menschen. Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus auch alle lebendig gemacht werden. Jeder aber in der ihm bestimmten Ordnung: als Erstling Christus, hernach die, welche zu Christus gehören, bei seiner Wiederkunft, dann das Ende, wenn er das Reich Gott, dem Vater, übergeben wird, wenn er jede Gewalt und Kraft wird zunichte gemacht haben.“
Im Urchristentum hat man Jesu Auferstehung als Beginn der allgemeinen (endzeitlichen) Toten-Auferstehung verstanden, die sich zusammen Wiederkunft Christi ereignen sollte – und zwar bald! Sehr bald! So bald, dass es viele von denen, die die Briefe des Apostels Paulus gelesen und gehört haben, es noch erleben sollten! Das hat sich aber, liebe Gemeinde, das müssen wir offen zugeben, ja gar nicht ereignet. Das, was da mit Jesu Auferstehung hätte eingeleitet werden sollen, hat nicht stattgefunden: Weder kam Jesus wieder, noch ereignete sich die allgemeine Auferstehung der Toten, noch fand das Jüngste Gericht statt. Wenn wir das so deutlich beim Namen nennen, liebe Gemeinde, entfacht das bei manchem einen Sturm der Entrüstung. Manchen macht das einfach nur Angst: Was bleibt uns denn dann von der Osterbotschaft, wenn das alles so nicht stimmt? Ja, wenn Paulus sich da geirrt hat?
Gottes Macht ist stärker als die vernichtende und trennende Kraft des Todes
Jeder, der an der Osterbotschaft rührt, muss mit Widerstand rechnen – nicht nur von Seiten pietistisch geprägter Christen, sondern auch von weltoffeneren und liberaler denkenden Christen. Man wird pochen auf den Kernbestand christlichen Glaubens und ihn ängstlich zu verteidigen suchen. Die Fragen aber des aufgeklärten Menschen sind berechtigt – deshalb müssen wir einen Weg finden, durch diese Fragen hindurch und nicht an ihnen vorbei zu einem wirklichen echten Osterglauben zu gelangen. „Ostern“ für uns heute gesagt, das bedeutet:
Jesus wurde nach seinem Tod in genau der gleichen Weise in Gottes Geborgenheit aufgenommen, so wie wir es für uns selbst auch erhoffen. Wir reihen uns mit dieser Hoffnung in die Jahrtausende alte Hoffnungskette derer ein, für die mit dem Tod nicht alles aus ist, sondern die darauf vertrauen, dass Gottes Macht stärker ist als die vernichtende und trennende Kraft des Todes. Diese Auferstehungshoffnung hat es auch schon vor Jesus gegeben – auch schon im Judentum.
Jesu Gegenwart
Zugleich war Jesus aber nach seinem Tod in den Herzen derer, die ihm nachgefolgt waren, die ihn liebten, immer noch in ganz besonderer Weise gegenwärtig und lebendig. Er hat sie gerufen, er hat sie angesprochen, er hat sie ermutigt und sie letztlich in die Welt hinaus gesandt mit dem Auftrag, Menschen für den Glauben zu gewinnen und zu befolgen, was Er ihn befohlen hatte. Diese Lebendigkeit Jesu in den Herzen derer, die ihn lieb haben, das ist das, was auch heute noch für uns Ostern bedeutet:
Wir müssen uns nicht zwingen, uns einen wieder lebendig gewordenen Jesus von Nazareth vorzustellen, der mit seinen Jüngern vor seiner Himmelfahrt auf dieser Erde vierzig Tage verkehrt sei. Jesus „nicht bei den Toten suchen“ heißt: mit ihm zu leben als dem lebendigen Herrn in unseren Gedanken und in unserem Herzen. Wenn wir Jesu Geist, seine Botschaft von der Liebe Gottes und seinen Willen zur Menschenliebe in uns Raum zu geben, dann ist und bleibt er in uns lebendig.
Liebe Gemeinde, dann können wir uns tatsächlich mit voller Überzeugung dem österlichen Jubelruf anschließen: „Der Herr ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden!“ Dann nämlich, wenn Jesu Worte und Jesu Verhalten uns überzeugt haben und uns den Weg ins Leben weisen. Wenn Jesu Geist in unserer Seele lebendig ist, dann ist Jesus für uns nicht bloß eine große Persönlichkeit der Vergangenheit, sondern er ist eine lebendige Größe in uns, die unsere Gegenwart entscheidend prägt: Jesus lebt für mich weiter, nicht weil berichtet wird, er sei auferstanden. Dass ist für mich unfassbar. Sondern Jesus lebt für mich weiter, weil ich selber fühle, wie er in mir spricht und ruft und durch mein Handeln und Reden zum Leben gelangen will.
Es ist, als ob Jesus selber Menschen – ja mich selbst! – braucht, um in dieser Welt lebendig zu sein. Jesus lebt – in uns und durch uns, indem er uns berührt und ruft und in die Welt hinausschickt, um dort als fröhliche, liebevolle und lebendige Christenmenschen Spuren der Liebe zu hinterlassen. Das, liebe Gemeinde, ist Ostern. Und das ist – weiß Gott! – ein Grund, dankbar und fröhlich zu sein.
Amen.
Entwurf für ein Osterlied
Von Rudolf Otto Wiemer (1905-1997)
Die Erde ist schön, und es lebt sich leicht im Tal der Hoffnung. Gebete werden erhört. Gott wohnt nah hinterm Zaun.
Die Zeitung weiß keine Zeile vom Turmbau. Das Messer findet den Mörder nicht. Er lacht mit Abel.
Das Gras ist unverwelklicher grün als der Lorbeer. Im Rohr der Rakete nisten die Tauben.
Nicht irr surrt die Fliege an tödlicher Scheibe. Alle Wege sind offen. Im Atlas fehlen die Grenzen.
Das Wort ist verstehbar. Wer Ja sagt, meint Ja, und Ich liebe bedeutet: jetzt und für ewig.
Der Zorn brennt langsam. Die Hand des Armen ist nie ohne Brot. Geschosse werden im Flug gestoppt.
Der Engel steht abends am Tor. Er hat gebräuchliche Namen und sagt, wenn ich sterbe: Steh auf.
Gebet
Aus dem Dunkel der Nacht, Christus, hast Du uns das Licht des Lebens wieder geschenkt. Wir bitten dich um Berührung für alle, die der Zweifel umtreibt, die nicht glauben können, dass du wahrhaftig die Tür zum Leben bist.
Aus dem Dunkel der Nacht, Heiliger Geist, bitten wir dich um das helle Licht des Glaubens für uns alle, die auf deiner Erde Ostern feiern, dass unser aller Herzen froh werden, dass wir uns geborgen wissen und dass wir nicht mehr aufhören, dieses Leben zu lieben.
Amen.