Ein glaubwürdiges Bild abgeben
Kantate - "Singt Gott dankbar in euren Herzen"
Predigttext: Kolosser 3,12-17 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)
So zieht nun an als die Auserwählten Gottes, als die Heiligen und Geliebten, herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld; und ertrage einer den andern und vergebt euch untereinander, wenn jemand Klage hat gegen den andern; wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr! Über alles aber zieht an die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit. Und der Friede Christi, zu dem ihr auch berufen seid in einem Leibe, regiere in euren Herzen; und seid dankbar. Lasst das Wort Christi reichlich unter euch wohnen: Lehrt und ermahnt einander in aller Weisheit; mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern singt Gott dankbar in euren Herzen. Und alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen des Herrn Jesus und dankt Gott, dem Vater, durch ihn.
Vorbemerkung zum Predigttext und zur Predigt
Die Verse des Predigttextes stehen im großen Zusammenhang der ethischen Ermahnung des Kolosserbriefes zum rechten Verhalten der Christen, die im Gegensatz zum alten Menschen nun einen Tugendkatalog einhalten und dadurch die Glaubwürdigkeit der christlichen Gemeinde unter Beweis stellen sollen. Dabei sind diese Tugenden ja nicht ausschließlich christlich orientiert, sondern nehmen auch bekannte Tugendforderungen aus der Antike auf.
In der Predigt lege ich den Schwerpunkt auf „Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld“, die im Kontext exemplarisch christliches Verhalten ausdrücken. Um nicht nur moralisch zu predigen, versuche ich, die Spannung zwischen den Möglichkeiten, aber auch den Grenzen dieses Verhaltens aufzuzeigen. Abkürzungsphantasien", in: Predigtmeditationen im christlich-jüdischen Kontext. Zur Perikopenreihe II, Wernsbach 2009, S.186ff.
Literatur: Mechthild Gunkel, Geduld- gegen alle „Abkürzungsphantasien", in: Predigtmeditationen im christlich-jüdischen Kontext. Zur Perikopenreihe II, Wernsbach 2009, S. 186ff.
Brauchen Sie gute Ratschläge? Legen Sie Wert auf Empfehlungen, wie Sie sich am besten verhalten? Dass Sie höflich, zuvorkommend, immer freundlich, zurückhaltend und geduldig sein sollen? In manchen Firmen und Branchen gibt es ja sogar genaue Schulungen für Mitarbeiter, damit sie wissen, wie sie sich gegenüber Kunden verhalten sollen. Damit gewissermaßen der Geist von Firma und Betrieb ausstrahlt und Werbung macht und Kunden sich höflich und angenommen fühlen und gerne wiederkommen. Solche Empfehlungen sind eigentlich nichts Neues und manchmal tatsächlich Grund für den Erfolg eines Unternehmens. Kundenorientierung ist ja zu einem Begriff geworden, der auch in der Kirche besprochen und umgesetzt wird. Tatsächlich gibt es bei uns hier manche Geschäfte, die für ausgesuchte Freundlichkeit, Geduld und Höflichkeit bekannt sind. Wo Kunden freundlich gegrüßt und wahrgenommen werden.
Selbst vormals spröde Behörden bemühen sich, Menschen nicht mehr als Bittsteller, sondern als Kunden wahrzunehmen. Tatsächlich sind solche Umgangsformen nicht mehr selbstverständlich, sondern müssen immer wieder neu eingeübt, gepredigt und geschult werden. Es stimmt ja, dass gegenseitiger Respekt, Achtung und Zurückhaltung zu einem besseren Klima in der Gesellschaft beitragen können. Es ist ja auch eine bekannte Erfahrung; dass Verhalten und Umgang auf Wert und Inhalt schließen lassen. Das wussten auch schon die ersten Christen, dass das entsprechende rücksichtsvolle Verhalten Werbung für die Gemeinde und ein Ausweis der Glaubwürdigkeit ist. So war auch schon für die ersten christlichen Gemeinden klar, dass die Botschaft von der Liebe und Freundlichkeit Gottes auch durch die Gemeinden selbst ausstrahlen muss. Also hören wir heute an diesem 4. Sonntag nach Ostern, am Sonntag Kantate, d. h. „Singet“, wie der Aposteln seine Gemeindeglieder zu diesem Umgang miteinander ermahnt, damit sie ein glaubwürdiges Bild abgeben und Werbung für die Gemeinde machen. Diese Empfehlungen stehen im Predigttext.
(Lesung des Predigttextes)
Wirklich neu sind sie nicht, diese ganzen Empfehlungen und Ermahnungen. Aber trotzdem immer wieder nötig: Der Aufruf zu Versöhnung und Verständnis, zu Achtung und Anteilnahme, zu Rücksicht und Barmherzigkeit. Dennoch sind das nicht nur allgemeine Ermahnungen, sondern sie prägen die Grundlagen unserer Werte und Gesellschaft. Dabei stellt sich immer wieder die Frage nach ihrer Umsetzung. Denn auch an Christen und Kirche werden diese Erwartungen in aller Selbstverständlichkeit gestellt. Aber sind sie wirklich so ganz ohne weiteres einzuhalten? Gibt es nicht auch für Demut, Sanftmut und Geduld Grenzen?
Nicht immer ist Freundlichkeit angebracht, manches Mal muss es auch Härte sein. Nicht immer ist Demut angesagt, manches Mal braucht es auch Selbstbewusstsein. Nicht immer ist Geduld der richtige Weg, manches Mal müssen auch Grenzen sein. Nicht immer ist Sanftmut angezeigt, manches Mal muss es auch Strenge sein.
„Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld“ können ja nicht nur das Leben lebenswert machen, sondern auch Menschen Raum geben, für die diese Werte keine große Rolle spielen. Freundlichkeit kann leicht mit Zustimmung, Demut leicht mit Unsicherheit, Geduld mit Duldung und Sanftmut mit Harmlosigkeit verwechselt werden. Gerade auch in der Auseinandersetzung mit Staaten ist ja nicht immer Nachgeben angesagt, sondern auch Durchsetzung. Der islamische Staat kann nicht durch gutes Zureden zurückgedrängt werden, sondern nur mit Entschiedenheit. Gerade auch in der Politik ist ja bei aller Freundlichkeit immer auch Deutlichkeit nötig. Und ein klares Bekenntnis zu unseren Werten von Gleichberechtigung und Meinungsfreiheit auch gegenüber Politikern, die Kritik als Majestätsbeleidigung auffassen. Es ist gar nicht so einfach, diese Empfehlungen umzusetzen. Gerade Kirche verliert bei der unkritischen Beachtung dieser Empfehlungen schnell ihre Wirkung und ist nur noch harmlos.
„Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld“. Wer das aber wirklich in seinem ganzen Leben übt, wird schnell nicht mehr Ernst genommen. Gerade in der Schule erwarten Schüler von den Lehrern nicht nur Sanftmut, sondern auch Strafe.„Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld.“ Damit ist aber eben nicht diese typisch kirchliche Verständnisbereitschaft gemeint, die sich alles gefallen lässt und an allem Gefallen findet. Auch diese Empfehlungen orientieren sich an der ganzen Bibel. „Lasst das Wort Christi reichlich unter Euch wohnen.“ Darauf kommt es an. Auf das ganze Wort Gottes. Darauf, dass Liebe, Demut, Sanftmut, Geduld ihre Bedeutung aus der ganzen Bibel gewinnen und eben nicht ohne Gebote und Gesetze Gottes zu verstehen sind. Im nächsten Jahr jährt sich das 500jährige Reformationsjubiläum. In diesem Zusammenhang haben viele schon kritisch angemerkt, dass leider auch dadurch Gesetze und Gebote der Bibel etwas vernachlässigt wurden. Da geht es dann doch darum, diese Gebote und Gesetze in die Empfehlung von Demut, Sanftmut, Geduld wieder einzubetten. Dass die Einhaltung dieser Empfehlungen einen Raum braucht, in dem durch Gebote und Gesetze Menschen geschützt werden.
„So zieht nun an als die Auserwählten Gottes, als die Heiligen und Geliebten“. Die Auserwählten Gottes sind aber keine Menschen, die besser als andere sind, sondern, die um die besondere Aufgabe und besondere Geschichte Gottes wissen.
Menschen, die wissen, dass Gott mit uns und der Welt eine Geschichte vorhat. Menschen, die wissen, dass das Wort Gottes eine Bedeutung in der Gegenwart hat. Die Erwählung Gottes stellt die einen nicht höher als andere, sondern nimmt sie in eine besondere Verantwortung. In der biblischen Geschichte wurde von den Auserwählten Gottes mehr verlangt als von anderen. Demut, Sanftmut, Geduld. Das ist immer wieder eine persönliche Herausforderung: sich selbst eben nicht so wichtig zu nehmen und sich nicht für das Maß aller Dinge zu halten. Gerade diese Unduldsamkeit und Unerbittlichkeit kann das Leben so schwer machen. Wenn nur die eigene Meinung, der eigene Glaube und Lebensstil gelten und für andere verbindlich sein sollen. Im Gegenteil: Demut, Sanftmut, Geduld räumen auch anderen ihre Vorstellung vom Leben ein. Dass es nicht darum geht, nach welchen Formen jemand sein Leben gestaltet, mit wem er zusammenlebt, sondern ob Beziehungen sich auf Liebe, Treue und Verständnis gründen.
„Freundlichkeit, Demut, Sanftmut Geduld.“ Was an uns liegt, das können wir tatsächlich tun. Und immer wieder entscheiden, wann wir diese Empfehlungen üben können und wann wir sie im Horizont der gesamten Bibel verstehen müssen. Es ist diese Entscheidung, die Gott uns zutraut. Brauchen wir also gute Empfehlungen? Als Christen und Kirche brauchen wir Erinnerung an das Wort Gottes. „Über alles aber ziehet an die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit.“ Schaffen wir das immer? Das glaube ich nicht. Gott sei Dank hält Gott selbst uns mit dem Band seiner Liebe wirklich fest. Es ist die Liebe Gottes, auf die wir uns verlassen können. Gott sei Dank ist Gott selbst mit uns freundlich, sanftmütig und geduldig – in Ewigkeit.