Ein Gott, der mit uns geht

Predigttext: Josua 3, 5 – 11.(12-16).17 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 2017)

5 Und Josua sprach zum Volk: Heiligt euch, denn morgen wird der Herr Wunder unter euch tun. 6 Und Josua sprach zu den Priestern: Hebt die Bundeslade auf und geht vor dem Volk her! Da hoben sie die Bundeslade auf und gingen vor dem Volk her. 7 Und der Herr sprach zu Josua: Heute will ich anfangen, dich groß zu machen vor ganz Israel, damit sie wissen: Wie ich mit Mose gewesen bin, so werde ich auch mit dir sein. 8 Und du gebiete den Priestern, die die Bundeslade tragen, und sprich: Wenn ihr an das Wasser des Jordans herankommt, so bleibt im Jordan stehen. 9Und Josua sprach zu den Israeliten: Herzu! Hört die Worte des Herrn, eures Gottes! 10 Daran sollt ihr merken, dass ein lebendiger Gott unter euch ist und dass er vor euch vertreiben wird die Kanaaniter, Hetiter, Hiwiter, Perisiter, Girgaschiter, Amoriter und Jebusiter: 11 Siehe, die Lade des Bundes des Herrn der ganzen Erde wird vor euch hergehen in den Jordan. 12 So nehmt nun zwölf Männer aus den Stämmen Israels, aus jedem Stamm einen. 13 Wenn dann die Fußsohlen der Priester, die die Lade des Herrn, des Herrn der ganzen Erde, tragen, in dem Wasser des Jordans stillstehen, so wird das Wasser des Jordans, das von oben herabfließt, nicht weiterlaufen, sondern stehen bleiben wie ein einziger Wall. 14 Als nun das Volk aus seinen Zelten auszog, um durch den Jordan zu gehen, und die Priester die Bundeslade vor dem Volk hertrugen, 15 und als die Träger der Lade an den Jordan kamen und die Füße der Priester, die die Lade trugen, ins Wasser tauchten – der Jordan aber war die ganze Zeit der Ernte über alle seine Ufer getreten –, 16 da stand das Wasser, das von oben herniederkam, aufgerichtet wie ein einziger Wall, sehr fern, bei der Stadt Adam, die zur Seite von Zaretan liegt; aber das Wasser, das zum Meer der Araba hinunterlief, zum Salzmeer, das nahm ab und floss ganz weg. So ging das Volk hindurch gegenüber von Jericho. 17 Und die Priester, die die Lade des Bundes des Herrn trugen, standen still im Trockenen mitten im Jordan. Und ganz Israel ging auf trockenem Boden hindurch, bis das ganze Volk über den Jordan gekommen war.

Hinführung zum Predigttext

Die Sonntage nach Epiphanias berichten von verschiedenen Arten und Orten der Erscheinung Gottes unter uns Menschen. Der 1. Sonntag nach Epiphanias stellt die Erinnerung an die Taufe Jesu am Jordan in den Mittelpunkt. Mit dem Predigttext verbindet sich nicht nur der Ort, sondern eine ganze Reihe von Themen, die Predigende gut inspirieren können (vgl. hierzu den Abschnitt „Bezug zum Kirchenjahr“ der Auslegung des Predigttextes von J. Krause und Chr. Barnbrock; https://www.die-bibel.de/ressourcen/efp/reihe1/1-nach-epiphanias-josua-3, abgerufen im Januar 2025).

Für mich wichtig ist auch die Beobachtung A. Deegs, dass Gottes Erscheinen sich anders vollzieht, als Josua es erwartet und ankündigt. Menschliche Erwartung und Ankündigung und Gottes freies Handeln unterscheiden sich in unserem Predigttext (vgl. Deeg, A. u.a., Die neuen alttestamentlichen Perikopentexte, 5. Aufl., Leipzig 2021, S. 146.). Ich lese deshalb den vollständigen Abschnitt Josua 3,5-17 und begrenze nicht, wie die Perikope das vorsieht.

Lieder

Neben den vorgeschlagenen Wochenliedern: „Ich möcht’, dass einer mit mir geht“ (EG 209) „Wir haben Gottes Spuren festgestellt“ (EG RWL 648)

„Über den Jordan gehen“

Neulich bei uns zu Hause: Ich suche die Gießkanne, mit der wir unsere Blumen gießen. Sie hat eigentlich einen festen Platz in unserer Wohnung. Aber da ist sie nun nicht mehr. Ich frage meine Frau. Sie weiß, was los ist: „Die Kanne gibt es nicht mehr. Sie ist neulich über den Jordan gegangen“. „Ah,“ denke ich, „dann weiß ich Bescheid“. Sie auch? Kennen Sie die Redewendung? Ganz bestimmt, oder? Wenn etwas endgültig kaputt ist oder wenn jemand verstorben ist, hört man schon mal das Sprichwort, dass etwas oder jemand „über den Jordan“ gegangen ist. Wie viele andere Sprichworte auch kommt das Sprichwort aus der Bibel. Die Geschichte, in der das Sprichwort seinen Ursprung hat, ist heute unser Predigttext. Sie steht im Buch Josua im 3. Kapitel.

(Lesung des Predigttextes)

Die Biblische Geschichte hinter dem Sprichwort

Das Volk Israel ist schon einmal durch einen Fluss gewandert. Unmittelbar nach dem Auszug aus Ägypten ziehen sie trockenen Fußes durch das Schilfmeer. Damals ist Mose der Anführer und Gott rettet durch die Teilung des Wassers sein Volk vor der Verfolgung durch den Pharao.

Daran haben sicher auch die Israeliten gedacht, die jetzt mit Josua durch den Jordan gezogen sind. Sie konnten erkennen: so, wie Gott Mose unterstützt hat bei der Wanderung, so wird er das nun auch mit Josua tun. Gott bestätigt Josua als den Nachfolger von Mose. Nach der 40-jährigen Wanderung durch die Wüste ziehen die Israeliten nun mit Josua über den Fluss Jordan nach Israel in das Heilige Land oder Gelobte Land. Der Jordan ist ein Fluss in Israel. Er führt durch den See Genezareth und mündet ins Tote Meer.

Das Überschreiten des Flusses bringt die Israeliten ihrem Ziel ein ganzes Stück näher. Es gibt kein Zurück mehr. Sie sind im Gelobten Land angekommen. Gott hat seine Verheißung erfüllt. Auch hier hilft Gott seinem Volk durch ein Wunder. Josua kündigt dieses Wunder vollmundig an: Gott wird das Wasser teilen wie einst am Schilfmeer. Auf der einen Seite wird eine Wasserwand stehen, auf der anderen Seite das Wasser ablaufen und die Menschen werden trockenen Fußes durch den Fluss ziehen. So kommt es auch, aber das Wasser staut sich viel weiter flussaufwärts. Die Israeliten können den Punkt des Staus gar nicht sehen, so weit ist er weg. Vor ihnen liegt ein trockenes Flussbett, die angekündigte Wasserwand ist mehr als 60 Kilometer weg.

Gott erfüllt seine Verheißung. Josua erwartet ein großes Wunder, erlebt aber eine eher unspektakuläre Wanderung. Wir wissen nicht, wie die Israeliten darauf reagierten, dass das Wunder anders abläuft, als Josua es angekündigt hat. Manch einer wird gedacht haben: Gott handelt anders, als wir Menschen uns das manchmal vorstellen und auch ankündigen. Diese Erfahrung haben sicher auch manche von Ihnen schon gemacht: Gott hilft, aber selten so, wie wir es erwarten.

Die biblischen Texte des Sonntags und der Jordan

Ein paar Jahrhunderte später wird ein junger Mann an den Fluss kommen. Jesus von Nazareth. Auch er heißt eigentlich Josua, allerdings hat sich durch die Überlieferung des Neuen Testaments die griechische Namensvariante etabliert: Jesus von Nazareth.

Auch für ihn ist das Ereignis am Jordan ein Geschehen, das sein ganzes Leben verändern wird. Das Wasser des Jordans und die Erscheinung des Geistes Gottes als Taube markieren den Übergang in den Teil der öffentlichen Wirksamkeit im Leben Jesu. Wie bei Josua hebt Gott durch sein Erscheinen die Bedeutung des Menschen Jesu hervor: Er ist göttlichen Ursprungs.

Jesu Reden und Handeln sind in besonderer Weise von Gott begleitet. Mit seiner Taufe beginnt eine neue Zeit, im übertragenen Sinn wird neues Land betreten.

Bis auf den heutigen Tag ist auch die Taufe jedes einzelnen Christen und jeder einzelnen Christin ein solcher Neubeginn. Gott verbindet sich in der Taufe mit jedem einzelnen in besonderer Weise und diese Verbindung wird zumindest von Gottes Seite nicht mehr gelöst. Die Erscheinungen Gottes am Jordan stehen für Übergangssituationen. An entscheidenden Stellen unseres Lebens greift Gott ein.

Gotteserfahrungen am eigenen Jordan

Nun werden wir selbst selten am Fluss Jordan stehen. Aber im übertragenen Sinn gibt es auch in unserem Leben Momente, in denen wir von der einen auf die andere Seite gehen und sich alles verändert. Sehr schön kann man das bei der Einschulung der Erstklässler sehen. Da sitzen ganz aufgeregte 6-jährige Menschen und können es kaum erwarten, den ersten Schritt hinein in die Schule zu setzen. Und Eltern und Großeltern stehen drumherum und erinnern sich daran, wie es war, als sie diesen Schritt gemacht haben. Aus gutem Grund feiern wir bei diesem „Gang über den Jordan“ einen Gottesdienst. Wenn diese jungen Menschen später im Leben das Elternhaus verlassen und einen anderen Menschen gefunden haben, mit dem sie das Leben teilen möchten, sprechen sie bei der kirchlichen Hochzeit beide Ja zueinander und bitten um Gottes Hilfe, die dann als Segen für die kommende Zeit den Übergang markiert.

Das sind nur zwei Beispiele dafür, dass der Gang über den Jordan ein wichtiger Teil unseres Lebens ist. Ohne ihn kommen wir im Leben nicht voran. Hin und wieder muss man Altgewohntes verlassen und Neues beginnen. Genau bei diesen Übergängen dürfen wir darauf vertrauen, dass Gott uns begleitet. Er fügt die Dinge zu einem guten, großen, Ganzen zusammen. Selten so, wie wir es erwarten, aber immer so, wie es uns hilft und stärkt. Auch bei unserem letzten „Gang über den Jordan“ ist das so. Hier schließt sich der Kreis des Sprichworts:

Da das Gelobte Land mit dem Himmelreich gleichgesetzt wurde und wir daran glauben, nach dem Tod in den Himmel zu gelangen, entwickelte sich daraus die Redensart, dass jemand über den Jordan geht, wenn er stirbt. Die beiden Geschichten am Jordan, die wir heute gehört haben, sollen unsere Zuversicht stärken, dass Gott uns bei wichtigen Übergängen in unserem Leben begleitet. Vom Tag unserer eigenen Taufe an sind wir Teil der großen Geschichte Gottes mit uns Menschen.

Wie er damals am Jordan seinem Volk geholfen und seinen Sohn Jesus begleitet hat, so dürfen auch wir darauf vertrauen, dass er uns stärkt und hilft, wenn wir auf der Schwelle hinein in etwas Neues stehen.