Eingeladen an den Tisch des Friedens

Kein Blutvergießen mehr

Predigttext: 2. Mose / Exodus 12,1.3-4.6-7.11-14
Kirche / Ort: St. Cyriak / 79295 Sulzburg / Ev. Landeskirche in Baden
Datum: 28.03.2013
Kirchenjahr: Gründonnerstag
Autor/in: Pfarrerin Eva Böhme

Predigttext: 2. Mose 12,1.3-4.6-7.11-14 (Übersetzung Martin Luther, Revision1984)

1Der HERR aber sprach zu Mose und Aaron in Ägyptenland:
3 Sagt der ganzen Gemeinde Israel: Am zehnten Tage dieses Monats nehme jeder Hausvater ein Lamm, je ein Lamm für ein Haus.
4 Wenn aber in einem Hause für ein Lamm zu wenige sind, so nehme er's mit seinem Nachbarn, der seinem Hause am nächsten wohnt, bis es so viele sind, dass sie das Lamm aufessen können.
6 und sollt es verwahren bis zum vierzehnten Tag des Monats. Da soll es die ganze Gemeinde Israel schlachten gegen Abend.
7 Und sie sollen von seinem Blut nehmen und beide Pfosten an der Tür und die obere Schwelle damit bestreichen an den Häusern, in denen sie's essen,
11 So sollt ihr's aber essen: Um eure Lenden sollt ihr gegürtet sein und eure Schuhe an euren Füßen haben und den Stab in der Hand und sollt es essen als die, die hinwegeilen; es ist des HERRN Passa.
12 Denn ich will in derselben Nacht durch Ägyptenland gehen und alle Erstgeburt schlagen in Ägyptenland unter Mensch und Vieh und will Strafgericht halten über alle Götter der Ägypter, ich, der HERR.
13 Dann aber soll das Blut euer Zeichen sein an den Häusern, in denen ihr seid: Wo ich das Blut sehe, will ich an euch vorübergehen und die Plage soll euch nicht widerfahren, die das Verderben bringt, wenn ich Ägyptenland schlage.
14 Ihr sollt diesen Tag als Gedenktag haben und sollt ihn feiern als ein Fest für den HERRN, ihr und alle eure Nachkommen, als ewige Ordnung.

Theologische Entscheidungen und Gedanken zur Predigt

1. Als Christen feiern wir kein Passah. Die Ausführungsbestimmungen sind uns fremd. Sie machen uns deutlich: Passahfeier heißt: Noch einmal durchleben, was damals geschehen ist. Es ins Heute holen. Heute am Tisch sitzen, als ob es gestern wäre. - Fremd, sehr fremd sogar, sind uns die Erinnerungen an die Tötung der Erstgeburt. Strafgericht Gottes. Aus der Blickrichtung der Ägypter ein schreckliches Geschehen. Für die Israeliten Tor zur Freiheit. Dankbar feiern kann nur, wer in der Haut der Israeliten steckt. Wer in ihr steckt, dankt heute noch Gott für die Rettung von damals. - Trotz der Unähnlichkeiten gibt es Überschneidungen, was die Feier des Abendmahls und des Passahfestes betrifft. Sie herauszuarbeiten, um damit der Feier des Abendmahls Tiefe zu verleihen, habe ich mir in der Predigt zur Aufgabe gemacht.

Folgende Punkte sind mir in meiner Predigt wichtig. a) Abendmahl und Passahfest feiern beide die Freude an Gott, der rettet und befreit. Die Geretteten danken Gott für ihr Leben. b) Was in der Nacht geschieht, in der Jesus verraten wird, bleibt einmaliges Geschehen. Auch wenn es vergegenwärtigt wird, bleibt es geschehen in der Nacht, in der Jesus verraten wurde. c) Passahfest und Abendmahl erzählen von der Gefangenschaft und von der Notwendigkeit des Auszugs. Zur Mahlfeier gehört die Frage, die im Bußgebet ihren Platz hat: Wer oder was hält uns gefangen? Woraus sollten wir ausziehen und aufbrechen in ein anderes Leben?  d) Wie die Israeliten kommen auch wir nicht selber heraus. Wie sie rufen wir nach Gott und bitten um sein Erbarmen. e) Gott hört die Schreie. Die der Israeliten damals und unsere heute.  f) Passahmahl und Abendmahl sind keine harmlosen Feiern. Es fließt Blut. Und im Blut ist Leben. Im Blick auf das Abendmahl gilt: Diese eine Mal musste Blut fließen. Jedes weitere Mal ist Sünde. Jedes weitere Blutvergießen im Namen Gottes ist Schuld. g) Das Blut an den Häusern ist ein Schutzeichen für die, die darin wohnen. Auch im Abendmahl geht es um Schutz. Im Abendmahl fliehen wir uns zu dem, der uns schützen kann. Weshalb wir zum Ausgang hören: “Das stärke und bewahre euch im Glauben zum ewigen Leben”.

Lieder: „Du hast zu deinem Abendmahl“ (EG 224)
„Er ist das Brot“ (EG 228)

Dankgebet (s. Zitat in der Predigt)

 

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Manchmal habe ich den Eindruck, dass ich dabei bin, das Passahfest zu verharmlosen. Ich erzähle dann in der Schule davon oder im Kindergottesdienst oder im Konfirmandenunterricht. Ich decke den Tisch mit den Kerzen, dem Krug mit dem Salzwasser, den bitteren Kräutern und dem Lammknochen. Das sieht sehr festlich aus, einladend und schön. Ein friedliches Bild entsteht. Es lässt sich eben gut feiern, wenn das Übel hinter einem liegt. Wer feiert, hat überlebt. Gehört zu den Geretteten. Darf aufatmen. Das Passahfest ist ein Mahl der Freude. Es spiegelt die Freude am Leben und die Freude zu leben. Auch beim Abendmahl, das wir heute feiern werden, ist das so. Auch das Abendmahl ist ein Mahl der Freude. Auch wir gehören geistlich gesehen zu den Überlebenden. Zu den Geretteten im Glauben. Wir werden deswegen beten: „Wo sind wir so geborgen wie bei dir, Herr? Wo hat die Welt einen solchen friedlichen Glanz wie an deinem Tisch? Wo sind die Menschen so viel wert wie bei dir, Herr? Danke.“ Abendmahl und Passahfest, beide feiern die Freude an dem Gott, der uns lebend will.

Aber wie gesagt. Manchmal habe ich den Eindruck, das Passahfest zu verharmlosen. Es ist anders gedacht. Für einen Juden ist es das erneute Durchleiden des Elends. Das Salzwasser und die bitteren Kräuter erinnern an die bittere Zeit der Knechtschaft. Sie beschwören diese Zeit förmlich wieder herauf. Es ist als ob Damals und Heute sich verschränken. Jeder Einzelne soll das Damals erleben, als ob es heute wäre und sein Heute als ob es damals wäre. Wer das Passahfest feiert, ist heute gerüstet für den Aufbruch und ist erfüllt von der Sorge von damals, was kommt. Wenn wir Abendmahl feiern, dann verschränkt sich wohl auch manches, aber eine Grenze bleibt. Was „in der Nacht“, geschieht, in der Jesus verraten ward,“ und danach, ist einmal geschehen und dann so nicht wieder. Sicher, es gibt noch manche Nächte, in denen wir da stehen, wo Judas, Petrus und die andern damals standen. Und „noch manche Nacht wird fallen auf Menschenleid und –schuld“. Aber nur einmal ist Jesus gestorben. Nur einmal ist er den Weg gegangen, der hinausführt nach Golgatha. Nur einmal wurde er, oder wahrscheinlich ist es doch besser zu sagen, hat er, sich geopfert. Einmal und ein für allemal. In diesen beiden Worten bündelt sich unser Glaube. Allerdings lebt unser Glaube davon: Was damals geschah, hat seine Bedeutung bis heute. Mit solchen Augen möchte ich nun auch auf das Passahfest schauen. Was geschah damals und was davon berührt uns bis heute? Fünf Punkte möchte ich ansprechen.

Der erste: Das Passahfest erzählt von der Gefangenschaft und von der Notwendigkeit des Auszugs. Die Israeliten damals leben wie Sklaven. Sie sind eingespannt in die Pläne eines anderen. Sie dürfen wohl leben, essen, schlafen, arbeiten, aber sie sollen funktionieren. Ein anderer bestimmt, was sie zu tun und zu lassen haben. Und dieser andere ist nicht Gott. Es ist der Pharao. Das Passahfest erzählt von der Gefangenschaft und von der Notwendigkeit des Auszugs. Auch wir werden uns heute (im Gebet) fragen, was uns gefangen hält. Woraus wir besser ausziehen sollten. Und wie für uns der Andere heißt, der nicht Gott ist. Das zweite. Die Israeliten damals kommen selber nicht heraus. Sie versuchen, was sie können. Aber sie sind zu schwach. Was ihnen bleibt, ist zu schreien. Und so schreien sie zu Gott. Klagen ihm ihr Leid, hoffen, dass er sie hört. Auch wir kommen selber nicht heraus. Manchmal merken wir das auch. Wir spüren dann, dass wir funktionieren, erfahren, dass wir gefangen sind in Vorstellungen, Gewohnheiten und dem, wie wir nun einmal sind. Wir wollen wohl heraus. Aber wir kommen nicht heraus. Und so schreien auch wir zu Gott: Herr, erbarme dich.

Das dritte: Wir kommen nicht heraus. Aber Gott holt uns heraus. Das ist das Schöne am Passahfest. Gott hört das Schreien und er sieht die Not und er lässt sich bewegen einzugreifen. So nehmen die Geschehnisse ihren Lauf. Mose kommt, stellt sich vor den Pharao. Der will nicht hören, aber dann muss er doch hören. Freilich, und das ist das vierte. Es muss erst noch Blut fließen. Im Blut ist Leben.  Lämmer müssen geschlachtet werden. Ein Passahlamm muss getötet werden.  Jeder und jede soll etwas davon haben. Das ist der Punkt, wo ich meine, dass wir in der Gefahr stehen, das Passahmahl zu verharmlosen. Nein, harmlos ist es nicht. Blut muss fließen. Ein Lamm muss geschlachtet werden. Im Blut ist Leben. Auch das Abendmahl kennt diese Züge. Auch das Abendmahl dürfen wir nicht verharmlosen. „Christi Blut für dich vergossen“, hören wir und glauben: Im Blut ist Leben. Und wissen gleichzeitig: Dieses eine Mal musste Blut fließen. Aber jedes weitere Mal ist Sünde. Jedes weitere Blutvergießen im Namen Gottes ist Schuld. Und was ist mit dem einen Blutvergießen? Ist es nicht nur schrecklich? Und was ist mit den Lämmern, die beim Passahfest geschlachtet werden? Ist nicht auch das einfach nur schrecklich? Die Geschichte erzählt es anders. Sie erzählt. Die Israeliten damals und ich füge hinzu, auch wir heute, müssen geschützt werden. Und zwar nicht nur vor den Menschen, und auch nicht nur vor uns selbst, sondern auch vor Gott.

Wo aber das Blut war, da ging die Heiligkeit Gottes vorüber, heißt es. Genau: „Und das Blut soll ein Schutzzeichen sein für euch, heißt es, an den Häusern, in denen ihr seid. Wenn ich das Blut sehe, werde ich an euch vorübergehen und kein Schlag soll euch vernichtend treffen, wenn ich das Land Ägypten schlage“. Ich glaube nicht, dass wir mit solchen Sätzen jemals fertig sind. Ich meine aber. Das Geheimnis des Abendmahls schließt auch dieses mit ein, dass Gott uns schützen will, und wir uns zu dem fliehen dürfen und sollen, der uns schützen kann. In der Osternacht werden wir die Frage hören: Warum ist diese Nacht anders als alle anderen Nächte? Warum sollen wir immer wieder hören, wie Gott das Passahmahl gestiftet hat? Und die Antwort wird heißen: Damit wir nicht vergessen, dass wir noch heute Gäste dieses Mahles sind, in dem uns Gott seinen Beistand und Schutz gewährt, uns, die wir uns immer wieder neu aufmachen zum verheißenen Ziel seines ewigen Friedens.

 

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