Predigt

(ER-)TRAGEN

Die Comfort-Zone verlassen

PredigttextHebräer 13,12-14
Kirche / Ort:Hamburg
Datum:06.04.2014
Kirchenjahr:Judika (5. Sonntag der Passionszeit)
Autor:Pastor Christoph Kühne

Predigttext: Hebräer 13, 12-14 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

12 Darum hat auch Jesus, damit er das Volk heilige durch sein eigenes Blut, gelitten draußen vor dem Tor. 13 So laßt uns nun zu ihm hinausgehen aus dem Lager und seine Schmach tragen. 14 Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.

(Eigene Übersetzung Christoph Kühne)

12 Jesus hat außerhalb des (Stadt-) Tores gelitten, um das Volk durch das eigene Blut zu heiligen. 13 Somit lasst uns zu ihm hinausgehen, aus dem Lager, seine Schmach tragend! 14 Denn wir haben hier nicht eine bleibende Stadt (lat. civitas), sondern die zukünftige erstreben wir.

Zum Text

12 Einige Handschriften ersetzen „Tor“ mit „Lager“ 13 Eine Aufforderung ergeht an die Leser/Gläubigen: Verlasst das Lager, die ihr seine Schmach tragt (Pt. praes.)! Lager: Im Hb nur noch 13,11; es erinnert an die Zeremonie am Versöhnungstag: Der Hohepriester trat in das Allerheiligste und besprengte es mit dem Blut der Opfertiere; die Leiber der Tiere wurden dann außerhalb des Lagers verbrannt Schmach: im Hb 10,33 (geschmähte Gläubige). 11,26 (Mose und die Schmach Christi) 14 Beachte die Ähnlichkeit der griech. Wörter für „bleibend“ und „zukünftig“ Der Text ist gut überliefert; in gutem Griechisch geschrieben.

Erste Gedanken beim Lesen

Natürlich klingt in mir das „Deutsche Requiem“ von Brahms an! „Wir haben hier keine bleibende Stadt“ ist zu einem Motto für mich geworden, das mich die vielen Stationen in meinem Leben begleitet hat. Doch dann blicke ich auf die beiden anderen Verse. Ich lese „Draußen vor dem Tor“ und denke an Wolfgang Borcherts Buch. Jesus hat „draußen vor der Tür“ gelitten, damit er „das Volk heilige durch sein eigenes Blut“. Schwere Gedanken. Das Bild von den Kreuzwegstationen taucht vor mir auf. In katholischen Kirchen sind sie präsent, in den evangelischen eher selten. Kreuzwege heute? Was bedeutet es heute, „zu ihm hinauszugehen aus dem Lager und seine Schmach tragen“? Ich bin eingestimmt, den griechischen Text zu lesen und zu übersetzen.

Betrachtung

Der Brief „An die Hebräer“ ist von einem Anonymus zwischen 80 und 90 nC an einem unbekannten Ort wahrscheinlich an Heidenchristen geschrieben worden. Der Predigttext steht in einem „Anhang“ (c. 13). Der Verfasser war mit dem Judentum nicht sehr vertraut, versucht aber ein Bild aus dem israelitisch-jüdischen Kult zu verwenden, ohne sich damit intensiv auseinanderzusetzen: das Bild der „Heiligung“ „vor dem (Stadt-?) Tor“. Gegen die Gnosis ist das Heilswerk Christi eph hapax = ein für allemal geschehen (Hb7,27. 9,12.10,10 und zweimal bei Paulus): Sein Blut heiligt „das Volk“. Wir sind aufgerufen, zu ihm zu gehen und seine „Schmach“ zu tragen.

Die Situation der Christen scheint durch Verfolgungen geprägt zu sein („Wir haben hier keine bleibende Stadt“). Auch werben (hellenistische) Irrlehrer für ihre Religionen. Außerdem scheint der erste Schwung der Christen zu erlahmen, weil die Wiederkunft Christi (noch) nicht stattgefunden hat. Vielleicht daher die Aufforderung an die (verunsicherten) Christen, aktiv zu werden und das bedeutet: die Stadt („civitas“) zu verlassen und sich - wie die Israeliten seinerzeit - auf den Weg (durch die Wüste) zu machen - in das Gelobte Land (die „zukünftige Stadt“).

Mich spricht der Aufruf an, das (sichere) Lager zu verlassen, die Comfort-Zone, in der wir uns religiös wie insbesondere wirtschaftlich eingerichtet haben. Verlasst die Festung (Europa!?)! Geht vor das Tor, wo Christus leidet, und tragt seine Schmach (mit) - wie seinerzeit der Afrikaner (Simon) aus Kyrene das Kreuz Christi (Lk 23,26)! Was ist die Schmach Christi? Das griechische Wort meint „schmähen, vorwerfen, tadeln“. Klingt hier das alttestamentliche Verbot an: „Du sollst den Namen Gottes nicht unnütz führen = schmähen!“ Gotteslästerung ist noch im Spätjudentum todeswürdig!

Die Schmach tragen, Sünden tragen, Schuld tragen, das Versagen des Anderen tragen. „Einer trage des andern Last ...“ (Gl 6,2). Last ist ursprünglich (griech. baros) das Schwere, dann aber auch der Kummer. oneidismos ist noch mehr. Es ist der stärkste Ausdruck persönlicher Verleumdung! Man denkt an die Gottesknechtslieder: Der unsere Krankheit und unsre Strafe trug, soll von Gott geschlagen und verwundet sein. (Js 53, 4ff) Mir fällt die Gestalt des Christophorus ein, der Christus (und seine Schmach?!) über das große Wasser trägt. Christus soll nicht außen vor bleiben. Als Christen sind wir ein Teil von Ihm, tragen Schuld und Schmerz von Menschen - und tragen damit ein Licht in die Welt. Nein: Wir werden und wollen wie Christus in dieser Welt licht sein. Sind wir es nicht schon?

Betrachtung

Gott sei Dank für meinen freien Willen und dass ich in diesem Lande die Freiheit genießen kann Ich kann gehen, wohin ich will kann das tun, wozu ich Lust habe Doch dann stellt sich mir Gott in den Weg Ein Konflikt, eine ungeplante Katastrophe hindert meinen Fortgang Ich bin Schmähungen ausgesetzt, Kränkungen Warum muss ich dieses Kreuz, diese Dornenkrone tragen? Soll ich abwerfen, was mich belastet? Ist das denn mein Problem? Was mir im Nacken sitzt - Du, Gott -, will mich weiterbringen? Ist auf der anderen Seite wirklich ein neues Land? Und ich weiß mich getragen von Dir. Geheimnis des Glaubens. Ich verlasse meinen sicheren Ort Ich verlasse mich auf Dich. „geh nun und bleibe nicht stehen in der tiefe ich bin die last, die du trägst und der dich segnet zugleich“

Lieder

„Strahlen brechen viele“ (EG 268) „Lasset uns mit Jesus ziehen“ (EG 384) „O Herr, mach mich zu einem Werkzeug“ (EG 416) „Wir haben hier keine bleibende Stadt“ (Jahreslosungskanon 2013, beim Autor erhältlich)

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