Predigt

"Erkenne dich selbst"

Mich im Licht Gottes erkennen als der Mensch, der ich von Gott gemeint bin

Predigttext2.Samuel 12,1-10.13-15a
Kirche / Ort:Hamburg
Datum:31.08.2014
Kirchenjahr:11. Sonntag nach Trinitatis
Autor:Pastor Christoph Kühne

Predigttext: 2. Samuel 12,1-15 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

1 Und der HERR sandte Nathan zu David. Als der zu ihm kam, sprach er zu ihm:Es waren zwei Männer in einer Stadt, der eine reich, der andere arm. Der Reiche hatte sehr viele Schafe und Rinder; aber der Arme hatte nichts als ein einziges kleines Schäflein, das er gekauft hatte. Und er nährte es, dass es groß wurde bei ihm zugleich mit seinen Kindern. Es aß von seinem Bissen und trank aus seinem Becher und schlief in seinem Schoß und er hielt's wie eine Tochter. Als aber zu dem reichen Mann ein Gast kam, brachte er's nicht über sich, von seinen Schafen und Rindern zu nehmen, um dem Gast etwas zuzurichten, der zu ihm gekommen war, sondern er nahm das Schaf des armen Mannes und richtete es dem Mann zu, der zu ihm gekommen war. Da geriet David in großen Zorn über den Mann und sprach zu Nathan:So wahr der HERR lebt:Der Mann ist ein Kind des Todes, der das getan hat! Dazu soll er das Schaf vierfach bezahlen, weil er das getan und sein eigenes geschont hat. Da sprach Nathan zu David: Du bist der Mann! So spricht der HERR, der Gott Israels:Ich habe dich zum König gesalbt über Israel und habe dich errettet aus der Hand Sauls und habe dir deines Herrn Haus gegeben, dazu seine Frauen, und habe dir das Haus Israel und Juda gegeben; und ist das zu wenig, will ich noch dies und das dazutun. Warum hast du denn das Wort des HERRN verachtet, dass du getan hast, was ihm missfiel? Uria, den Hetiter, hast du erschlagen mit dem Schwert, seine Frau hast du dir zur Frau genommen, ihn aber hast du umgebracht durchs Schwert der Ammoniter. Nun, so soll von deinem Hause das Schwert nimmermehr lassen, weil du mich verachtet und die Frau Urias, des Hetiters, genommen hast, dass sie deine Frau sei.

Da sprach David zu Nathan: Ich habe gesündigt gegen den HERRN. Nathan sprach zu David: So hat auch der HERR deine Sünde weggenommen; du wirst nicht sterben. Aber weil du die Feinde des HERRN durch diese Sache zum Lästern gebracht hast, wird der Sohn, der dir geboren ist, des Todes sterben. Und Nathan ging heim.

Erste Gedanken beim Lesen

Die Geschichte bewegt mich, seit ich sie kenne. Der „mächtige König der Ehren“ hält sich einen Propheten, der ihm die Wahrheit sagen darf. Und Nathan verhilft David mit einer Geschichte zu einer Erkenntnis, die ihn verändert. „Non vi sed verbo“.

(Eigene Übersetzung Christoph Kühne)

12,1 Und Gott sandte Nathan zu David. Und er kam zu ihm und erzählte ihm eine Geschichte: Zwei Leute lebten in einer Stadt. Der eine war reich und der andere arm. 2 Dem Reichen mehrten sich das Kleinvieh und die Rinder - 3 und der Arme hatte nichts – außer einem (weiblichen) Lämmchen, einem kleinen, das er gekauft hatte. Das hielt er am Leben. Und es wuchs heran mit ihm und mit seinen Söhnen zusammen. Von seinem Bissen aß es, und aus seinem (schalenförmigen Trink-) Becher trank es, und es war ihm wie eine Tochter. 4 Und es kam ein Besuch zum reichen Mann. Doch er konnte es nicht über sich bringen, ein Tier von seinem Kleinvieh oder von seinen Rindern zu nehmen, um den Wandernden, der zu ihm gekommen war, zu bewirten. Und er nahm das Schäfchen des armen Mannes, und bewirtete damit den Mann, der zu ihm gekommen war

5 Da entbrannte der Zorn Davids über den Mann sehr. Und er sprach zu Nathan: So wahr Gott lebt! Der Mann ist tot, der so etwas tut! 6 Und für das Lamm soll er vierfachen Ersatz leisten! Dafür dass er das getan hat und dafür, dass er kein Mitleid empfunden hat! 7 Und Nathan sprach zu David: Du bist der Mann! So hat ER, der Gott Israels, gesprochen: ICH habe dich gesalbt zum König über Israel, und ICH habe dich aus der Hand Sauls errettet. 8 Und ich habe dir gegeben das Haus deines Herren und die Frauen deines Herren in deinen Schoß, und ich habe dir gegeben das Haus Israel und Juda. Und wenn dies noch zu wenig sein sollte, füge ich noch dies oder das hinzu! 9 Weswegen schätzt du gering das Wort von Gott, dass du das Böse vor meinen Augen tust? Uriah, den Hethiter, hast du erschlagen mit dem Schwert, und seine Frau hast du dir zur Frau genommen. Und ihn hast du getötet durch das Schwert der Ammoniter. 10 Von jetzt an wird das Schwert nicht von deinem Haus „in Ewigkeit“ - dafür, dass du mich gering geschätzt hast und genommen hast die Frau Urias, des Hethiters, dass sie deine Frau werde. …

13 Da sprach David zu Nathan: Ich habe mich versündigt gegen Gott! Da sprach Nathan zu David: Dann hat auch Gott deine Verfehlung vergeben: Du sollst nicht sterben! 14 Jedoch weil verspottet, ja du durch diese Sache IHN verspottet hast, wird der Sohn, der dir geboren wird, wird auf jeden Fall sterben! 15 Und Nathan ging nach Hause …

Anmerkungen zum Text

Die Geschichte erzählt von einem Auftritt des Propheten Nathan bei dem König David. Keine Vorrede, kein Reden übers Wetter – der Prophet erzählt eine Geschichte und der König hört zu: Das Bild des armen Mannes rührt an. Es ist eine Idylle, die Nathan von dem Armen malt, der wohl ohne Frau mit seinen Söhnen zusammenlebt. Die Schilderung des Reichen fällt kurz und bündig aus. Von einem besonderen Verhältnis dieses Mannes zu seinen Tieren ist nicht die Rede. Dieser reiche Mann bekommt Besuch von einem Wanderer. Die Bewirtung ist schnell geregelt: Das kleine Schäfchen des armen Mannes muss her! Nathan berichtet sachlich, fast trocken, emotionslos. Wie wird der König reagieren? Auf seine Reaktion hin ist diese Geschichte ausgerichtet. Gut vier Verse.

Die Reaktion Davids ist explosiv. Er hält die Spannung, die Ungerechtigkeit nicht mehr aus, kann sich nicht mehr zurückhalten. Ein Schwur fährt in die Rede des Propheten: Der Mann ist tot, der so etwas macht! Und 4-fach soll er das Lamm entschädigen für diese Tat und dafür, dass er das Wichtigste nicht kannte: Mitleid!

Und jetzt wird der Geschichtenerzähler zum Propheten: Du bist der Mann – hebräisch: attah ha´isch. Es muss wie ein Spiegel gewesen sein, in dem sich der König sogleich selber erkennt. Der folgende Kommentar Nathans schildert die Bewusstwerdung der furchtbaren und ungerechten Ereignisse, die David seinerzeit (unbewusst) veranlasst hat. Er erinnert an seinen Aufstieg zum König:

- V 7b seine Salbung durch den Propheten Samuel - V 7b seine Rettung aus der Hand Sauls - V 8a Einzug in den Palast des Saul - V 8a Heirat der Töchter Sauls - V 9a der Mord an dem Hethiter Uriah – beachte die Bedeutung seines Namens „IHVH ist Licht“

V 10 zeigt, dass die Strafe auf dem Fuß folgt: Das Schwert wird David „für alle Ewigkeit“, besser: „ für alle Tage deines Lebens“ folgen: Der Friede ist dahin! Hier fällt in die Stille das Wort Davids, überraschend?: Ich habe gesündigt – chatati ladonai! Sogleich, in selben Atemzug, ohne Umschweife reagiert der Prophet im Namen Gottes: Dann hat auf IHVH dir vergeben: DU sollst nicht sterben! Soll der Sohn (der Batseba) stellvertretend für seinen Vater sterben? Die Schuld ist an David vorübergegangen aufgrund seines Schuldbekenntnisses.

Exkurs: Geschichten drängen sich auf, in denen der Sohn das Opfer der Eltern ist, in denen das Kind stirbt, krank wird. So im NT beschrieben. Auch das „Opfer Abrahams“ mag gegenwärtig werden. Doch da fällt „der Engel“ dem Vater in den Arm – anders als bei der „Opferung“ Jesu! Auch heutige systemische Ansätze kennen das Kindesopfer: So nimmt ein Kind alle möglichen Drangsale auf sich, bleibt brav und angepasst, „opfert sich“, damit die Eltern z.B. zusammen bleiben.

V 14 ist nicht zu verstehen, außer man streicht mit M je`be Feinde: „weil du IHN gelästert hast“. Der Prophet hat seine Mission erfüllt. Ohne „Nachgespräch“ geht er nach Hause und überlässt David sich selber. Seine Seelsorge bestand in einem Gleichnis, das den König – und damit auch den Hörer der Geschichte – wach rütteln sollte …

Lieder

"Vertraut den neuen Wegen" (EG 395) "Such wer da will" (EG 346) "Kehret um" (EG NRW 589) "Er weckt mich alle Morgen" (EG 452)

Literatur

R. Gradwohl, Bibelauslegungen aus jüdischen Quellen Bd. 2.

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