“Erlöse uns von dem Bösen”

Vorsicht, wenn die Maßstäbe durcheinander geworfen werden, wenn die Halbwahrheiten kursieren und die Gerüchte, wenn Anschuldigungen in die Welt gesetzt werden

Predigttext: 1. Petrus 5, 5b-11
Kirche / Ort: Pauluskirche / 76275 Ettlingen
Datum: 04.09.2016
Kirchenjahr: 15. Sonntag nach Trinitatis
Autor/in: Pfarrerin Kira Busch-Wagner

Predigttext: 1. Petrus 5, 5b-11 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

Alle aber miteinander haltet fest an der Demut; denn Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade.
6 So demütigt euch nun unter die gewaltige Hand Gottes, damit er euch erhöhe zu seiner Zeit. 7 Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch.
8 Seid nüchtern und wacht; denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge.
9 Dem widersteht, fest im Glauben, und wisst, dass eben dieselben Leiden über eure Brüder in der Welt gehen.
10 Der Gott aller Gnade aber, der euch berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christus Jesus, der wird euch, die ihr eine kleine Zeit leidet, aufrichten, stärken, kräftigen, gründen.
11 Ihm sei die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.

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Der Epistelabschnitt aus dem 1. Petrusbrief fordert heraus. Geht es doch wie immer darum, biblisch, aber nicht biblizistisch zu predigen, nach Ethik zu fragen ohne gesetzlich zu werden („nur wer …., der wird …“), das Schreiben ernst zu nehmen, ohne ein antikes Weltbild zu verklären, den Kontext zu beachten und trotzdem gegenwärtig zu sprechen. Und dann steckt der Teufel buchstäblich im Detail, im 8. Vers. Man sollte ihn so ernst nehmen, wie es der „Petrus“ tut.

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Glauben die Christen an den Teufel? Mit meiner Tochter und deren WG-Mitbewohnerin unterhielt ich mich kürzlich über den Film „Requiem“. Es geht um eine Teufelsaustreibung in einem niederbayrischen Dorf in den 70er Jahren. Teufel? Für die junge Studentin aus dem Berliner Osten war das einfach nur skurril. Damit haben Christen zu tun? So selten ist er gar nicht, der Teufel, nicht einmal im evangelischen Gesangbuch. Heute steckt er auch noch in unserer Predigtstelle, einem Abschnitt aus dem 1. Petrusbrief.

Ein ermutigender Brief

Der erste Petrusbrief ist ein richtiger, echter Brief. 50, 60 Jahre nach der Auferstehung Christi, nach Himmelfahrt und Pfingstgeschehen, schreibt da jemand an Gemeinden in Kleinasien. Der, der da schreibt, versteht sich in der Nachfolge des Jüngers Petrus. Er ist in seiner Gemeinde offenbar an der Leitung beteiligt. Den Frauen und Männern in den christlichen Gemeinden Kleinasiens geht es nicht gut. Sie haben unter Anfeindungen zu leiden. Manchmal müssen die Gemeindeglieder um Leib und Leben fürchten, vor allem aber sind sie bedroht durch Verleumdung, Unterstellungen, üble Nachrede. Sie sind Fremde in der römisch geprägten Gesellschaft. Verstreute in einer Diaspora-Situation (1,1). Was soll man machen? Wie soll man helfen. Der Brief-Petrus spricht ihnen Mut zu. Packt sie auch ein bisschen an ihrer Ehre: Ihr seid die königliche Priesterschaft, da heilige Volk (2,9), für euch hat Christus sich eingesetzt. Und er ist überzeugt: Wenn man bei ihnen, den Christen, einen guten Lebenswandel erkennt, wenn man erlebt, wie zuvorkommend, wie hilfreich, wie gut sie miteinander umgehen – all das muss ihre Umwelt doch einfach überzeugen.

So redet der Brief-Petrus in seinem Schreiben nicht nur alle zusammen an, die Schwestern und Brüder. Sondern: eine Gruppe nach der anderen beschwört er, seinem Programm zu folgen. Dabei – so lese ich das – sieht er von Gruppe zu Gruppe mehr Verantwortung. Seine Sicht ist die eines antiken Menschen. Für den Brief-Petrus gibt es keine allgemeinen Menschenrechte, keine Gleichberechtigung. Dieses Problem muss man an anderer Stelle diskutieren. Wichtig ist mir aber: Bei allen, auch den sozial niedrig gestellten, sieht er Handlungsmöglichkeiten. Je stärker die Angesprochenen sind, desto mehr Verantwortung mahnt er an. Er wendet sich erst an die Sklaven, apelliert an ihre guten Taten. Dann schreibt er ausdrücklich den Frauen. Hofft auf ihre große Wirkung nach Außen durch auffallende, gezielt gewählte Bescheidenheit.

Den Männern widmet der Verfasser einen langen, einen sehr ausführlichen Teil. Schließlich spricht er als letzte, als entscheidende Gruppe die Ältesten an. Sicher waren das damals Männer, die durchaus mit der Würde des Lebensalters daher kamen. Zugleich muss die Bezeichnung „Älteste“ schon ein Ehrentitel gewesen sein, eine bestimmte Funktion. Bis heut hat sich das gehalten: Leitungspersonen in der Gemeinde heißen Älteste. Wenn der Petrusbrief dann auch die Jüngeren erwähnt, wird es auch nicht ums Alter gehen, sondern im übertragenen Sinn um die ganze Gemeinde. Aus diesem letzten Abschnitt des Briefes, aus diesem großen, wichtigen, abschließenden Appell vor allem eben an die Ältesten stammen, die Zeilen, die uns für die Predigt heute durch unsere Ordnung aufgetragen sind.

(Lesung des Predigttextes)

Ihm sei die Macht, so schließt der Abschnitt. Es ist das letzte Wort im Brief zum dem Thema Macht und Mächtige, das letzte Wort im Abschnitt an die Ältesten. Gott gehört alle Macht. Die Ältesten haben offenbar auch gewisse Machtbefugnis. Solche, die ausdrücklich zu den Leitungsaufgaben gehört. Und dann vielleicht auch solche, die ihnen aus Respekt vor Alter, vor Ansehen, vielleicht auch vor Geld oder Familientradition zugestanden wird. Der Abschnitt beginnt jedenfalls mit einem Hinweis auf die Gefahren beim Umgang mit der Macht: mit dem Hochmut. Hochmut hieße dann, die eigenen Anliegen, die besonderen Wünsche, die persönliche Haltung für die wichtigste zu nehmen, die es durchzusetzen gilt.

Dem Hochmut stellt der Brief die Demut gegenüber. Auch eine Art von Mut. Der Mittwochsbibelkreis hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass in der großen Mönchsregel des heiligen Benedikt immer wieder von der Demut die Rede ist, gerade auch in Bezug auf das Selbstverständnis des Abtes. Auf das Selbstverständnis der Leitung, bei der ein nicht geringer Anteil an Macht liegt. Demut vor Gott, so hat der Bibelkreis mir aufgeschrieben, ist gepaart mit Anerkennung der anderen als Gottes Kinder. Demut in einem Leitungsamt heißt dann: die Entscheidungen auch aus der Perspektive der Betroffenen zu sehen. Dass die Demut in die Skrupelhaftigkeit stürzen könnte, dass sie vielleicht daran hinderte, Entscheidungen zu treffen, dem baut der Petrus unseres Briefes vor: eure Sorge werft auf Gott. Ihr dürft ihn damit belasten.

Ich kann mich gut erinnern an das allgegenwärtige Bild eines starken, geduldigen Tragesels zu dem Berliner Kirchentag mit dem Motto: Einer trage des andern Last. Es tut gut, sich immer mal wieder in den Sinn zu rufen, dass zuallererst Gott unsere Lasten trägt. Und mit solcher Erfahrung wir danach aufgerufen sind, Lasten anderer zu tragen. Im Petrusbrief wird es ausdrücklich: Eure Sorgen, eure Entscheidungsnöte, eure Zweifel werft auf Gott. Er sorgt für euch. Die Folgen unseres Handelns mitzutragen ist Gott bereit. Die Folgen der Taten und Untaten der Entscheidungsfreudigen, der Machtmenschen, der Alphatiere, an denen trägt Gott ja schließlich auch. Ohnehin. Umso mehr gilt denen, die sich Sorgen machen: Werft eure Sorge auf ihn.

Die Enge ist des Teufels

Wer nicht in sich selbst und um sich selbst und in seinen eigenen skrupulösen Gedanken kreist, vermag leichter wahrzunehmen, was außen herum geschieht. Seid nüchtern und wacht, heißt es im Brief. Der Teufel geht umher wie ein brüllender Löwe. Der Teufel wechselt also immer wieder den Standort. Er ist mal hier mal dort. Er mag mal innerhalb der Gemeinde auftauchen, mal in großer Entfernung. Er macht sich durchaus bemerkbar. Nüchtern und wach kann man ihn wahrnehmen: den Teufel, euren Widersacher – so heißt es im Text. Was meint der Petrus genau damit? Welchen gefährlichen Anfeindungen sieht er der Gemeinde gegenüber? Wo in unseren Übersetzungen „Teufel“ steht, schreibt der Petrus des Briefes „Diabolos“. Durcheinanderwerfer, Verleumder. Wenn die Maßstäbe durcheinander geworfen werden, wenn die Halbwahrheiten kursieren und die Gerüchte, wenn Anschuldigungen in die Welt gesetzt werden, wie es die Gemeinden in Kleinasien wohl erfahren, dann haben wir es mit dem Teufel zu tun.

Wenn nur noch der Blick durch die eigene Brille existiert, vielleicht auch Angst oder Unsicherheit nur eine einzige Perspektive möglich machen, dann haben wir es mit dem Teufel zu tun. Vielleicht kennt jemand das Andersen-Märchen von der Schneekönigin. Ein Splitter vom Teufelsspiegel fliegt dem kleinen Kai ins Auge und er sieht in allem dann nur noch das Hässliche. Eine Teufelssache. Andere haben nur einen Blick auf Bedrohliches, manche sehen überall Böses oder Feindseliges. Es geht ihnen nicht gut damit. Und zugleich ist diese Enge vom Teufel. Es gibt natürlich auch solche, deren Blick sich ganz instinktiv ausschließlich auf die Macht richtet, aufs Strippenziehen, auf Einflussnahme. Auch denen muss es nicht immer gut gehen damit. Alle Enge aber ist des Teufels.

Für unser Recht und für gute Pressearbeit gilt, dass immer auch wenigstens die gegnerische, die andere Seite befragt wird. Das ist ein kleiner Versuch, durch eine Regel ein wenig dem Teufel etwas entgegen zu setzen. Die Enge zu weiten. Eine andere Perspektive zuzulassen. Wie sinnvoll wäre es, die Regel in den Alltag zu übernehmen. Viele von Ihnen kennen im Krimi die Situation, wenn das Polizeiteam sich völlig verrannt hat. Die Verhöre sind allen bekannt, viele Spuren sind ausgewertet, aber irgendwie geht es nicht weiter. Dann schafft es manchmal jemand von außen oder die Neue oder der kurz vor der Pensionierung eine neue Perspektive einzunehmen. Und der Fall dröselt sich auf. Die Enge ist des Teufels. Dem widersteht, fest im Glauben, heißt es im Petrusbrief. Fester Glaube ist das Gegenteil von Enge. Andere, die Brüder in de Welt, so heißt es im Brief, stehn in der selben Gefahr. Ihr seid nicht allein damit.

Gottes großherzige Macht

Denken wir noch mal an den Anfang unseres Abschnitts. Die Demut lässt immer auch eine andere Sicht der Dinge bestehen. Schließlich blickt Gott selbst auf die ganze Fülle seiner Schöpfung. Auf die ganze Menge seiner Kinder. Mit Gottes Volk kommen zugleich die Völker der Welt in den Blick Gottes. Bei Gott ist nicht Enge. Bei Gott ist Fülle und Reichtum und Weite. Die Enge ist des Teufels. Und Enge macht Angst. Denen, die eingeengt werden, auf die es nur eine Perspektive gibt. Enge macht Angst denen, die sie entwerfen. Wir sollten dem Teufel von der Schippe springen.
Und so hören auf die großen Zusagen, auf den großen Gruß zum Ende des Briefes:
Der Gott aller Gnade aber, der Gott der Großherzigkeit und Freundlichkeit, der Gott der euch berufen hat, euch: eine Vielzahl, in all euren Unterschieden, – er heut euch berufen zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christus Jesus. Der wird euch nicht klein machen. Sondern euch, die ihr eine kleine Zeit leidet, aufrichten, stärken, kräftigen, gründen. Er wird euch Atem holen lassen, eure Seele weit machen. Ihm sei die Macht, ihm gehört sie, er ist der einzige der mit der Macht umgehen kann. Schöpferisch. Von Ewigkeit zu Ewigkeit …

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