Predigt

Ermutigung zum Leben

Jesus Christus kann uns aus allen unseren verkrampften Bemühungen um mehr Lebensqualität erlösen

PredigttextHebräer 2,10-18
Kirche / Ort:09322 Penig
Datum:20.03.2008
Kirchenjahr:Gründonnerstag
Autor:Pfarrerin i.R. Ursula Bürger

Predigttext: Hebräer 2,10-18 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

10 Denn es ziemte sich für den, um dessentwillen alle Dinge sind und durch den alle Dinge sind, daß er den, der viele Söhne zur Herrlichkeit geführt hat, den Anfänger ihres Heils, durch Leiden vollendete. 11 Denn weil sie alle von einem kommen, beide, der heiligt und die geheiligt werden, darum schämt er sich auch nicht, sie Brüder zu nennen, 12 und spricht: »Ich will deinen Namen verkündigen meinen Brüdern und mitten in der Gemeinde dir lobsingen.« 13 Und wiederum: »Ich will mein Vertrauen auf ihn setzen«; und wiederum: »Siehe, hier bin ich und die Kinder, die mir Gott gegeben hat.« 14 Weil nun die Kinder von Fleisch und Blut sind, hat auch er's gleichermaßen angenommen, damit er durch seinen Tod die Macht nähme dem, der Gewalt über den Tod hatte, nämlich dem Teufel, 15 und die erlöste, die durch Furcht vor dem Tod im ganzen Leben Knechte sein mußten. 16 Denn er nimmt sich nicht der Engel an, sondern der Kinder Abrahams nimmt er sich an. 17 Daher mußte er in allem seinen Brüdern gleich werden, damit er barmherzig würde und ein treuer Hoherpriester vor Gott, zu sühnen die Sünden des Volkes. 18 Denn worin er selber gelitten hat und versucht worden ist, kann er helfen denen, die versucht werden.

Exegetische Überlegungen

Der Predigtabschnitt für den Gründonnerstag 2008 stammt aus dem „Brief an die Hebräer“ genannten Schreiben, das im neutestamentlichen Kanon nach den Johannesbriefen und vor Jakobus- und Judasbrief und der Offenbarung des Johannes steht, also ziemlich am Ende des neutestamentlichen Kanons. Offensichtlich fiel es schon immer schwer, dieses Schreiben in eine bestimmte Gruppe einzuordnen. Weder nach Verfasser noch nach Inhalt oder Stil will er sich einordnen lassen. Der Briefform widerspricht die fehlende Begrüßungseinleitung. Auch über den Verfasser und den Entstehungsort ist viel spekuliert worden. Der Hebräerbrief steht nach Form und Inhalt der hellenistischen Literatur und Geisteswelt näher als die übrigen Paulusbriefe. Der beherrschende Gedanke des „Wandernden Gottesvolkes“ zieht sich durch das Schreiben. Daneben finden sich Gedanken der Gnosis und viele alttestamentliche Schriftzitate, die mittels allegorischer und typologischer Exegese erklärt werden sollten. Timotheus (Hebr 13,23) ist noch am Leben. Er war als junger Mann zum Missionsgehilfen des Paulus geworden. So kann man annehmen, daß Verfasser und Leser der zweiten christlichen Generation angehören. Die Leiden, die die christlichen Gemeinden bedrohen, die die Christen in Angst und Schrecken versetzen und sie zum Abfallen vom christlichen Glauben bringen, lassen an die Regierungszeit Domitians (81-96 n.Chr.) denken. Die Abfassungszeit des Briefes liegt wohl zwischen 80 und 96 n.Chr. Dem Wesen nach ist dieses Schreiben eine Trost- und Mahnschrift an Christen, die um ihre Existenz bangen. Viele Worte aus dem Hebräerbrief sind in die Gemeindepraxis eingegangen (beliebte Sprüche zu Konfirmation und anderen Gelegenheiten). Es geht im gesamten Hebräerbrief, also auch in unserem Predigttext, um die Bedingungen der Erlösung von Angst, Schuld, Leiden, Sünde und Tod. Die Radikalität, mit der diese Grundbefindlichkeiten des Menschseins benannt werden, finden sich in allen biblischen Schriften, und damit hat der Hebräerbrief zu Recht seine Stellung im neutestamentlichen Kanon. Man fragt nicht erst heute, ob der, der helfen will und kann, auch alles selbst durchlitten haben muß. Jesus selbst wird schon am Kreuz mit dieser Aufforderung konfrontiert, doch herabzusteigen, wenn er Gott sei, wenn man an ihn glauben solle. „Andern hat er geholfen und kann sich selber nicht helfen.“(Mt 27,42) Aber auch das ist bis heute eine Frage, ob nicht wenigstens Mitgefühl notwendig ist, um die Not zu erkennen und aktiv zu werden (Barmherziger Samariter! Am Gründonnerstag werden der letzten Tage Jesu gedacht, meist wird auch Abendmahl in besonderer Form gefeiert. Jesus, der wahre Mensch, der genauso leidet und stirbt wie Menschen leiden und sterben, ist den Gemeinden ganz nah. Und besonders die Solidarität im Leiden und Sterben hat Menschen über die Jahrhunderte hin getröstet. Da ist der allmächtige Gott weit weg, nach dem gefragt wird, wenn es um Theodizee geht. Und offenbar hat der leidende Christus die Solidargemeinschaft der Christen mehr trösten können als der Pantokrator. In unseren Predigtversen ist Gott der, der seinen Sohn diesem menschlichen Schicksal aussetzt, damit er als erster dem Tod die Macht nähme und die Menschen erlöste von ihrer knechtischen Furcht vor diesem Tod. Er als Hoherpriester ist zugleich das Opfer. Damit ist der antike Opferkult erledigt, denn da ist der Priester niemals das Opfer. Diese antike Vorstellung gefällt allerdings bis heute. Opfer sind immer die anderen. Und Opfer müssen gebracht werden für alles mögliche. Aber nun liegen Schuld und Sühne, Leiden und Tod auf Christus, damit wir erlöst sind von den tödlichen Wunden, die sie uns schlagen. Am Gründonnerstag sollen die Verse aus dem Hebräerbrief einen tröstlichen Beginn der Anschauung des Leidens Christi ermöglichen, uns schon vorbereiten auf den Ostersonntag, eine Antwort auf die Warum-Frage geben: Damit wir erlöst werden von unserer Lebens- und Todesangst.

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