Erntedank – “Zu GOTT hin”

Dank sei Gott für alle guten Gaben

Predigttext: Lukas 12,(13-14)15-21 (Perikope zu Erntedank, mit eigener Übersetzung)
Kirche / Ort: Hamburg
Datum: 04.10.2015
Kirchenjahr: 18. Sonntag nach Trinitatis
Autor/in: Pastor Christoph Kühne

Predigttext: Lukas 12,(13-14)15-21 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

Es sprach aber einer aus dem Volk zu ihm: Meister, sage meinem Bruder, dass er mit mir das Erbe teile. Er aber sprach zu ihm: Mensch, wer hat mich zum Richter oder Erbschlichter über euch gesetzt? Und er sprach zu ihnen: Seht zu und hütet euch vor aller Habgier; denn niemand lebt davon, dass er viele Güter hat.

Und er sagte ihnen ein Gleichnis und sprach:Es war ein reicher Mensch, dessen Feld hatte gut getragen. Und er dachte bei sich selbst und sprach:Was soll ich tun? Ich habe nichts, wohin ich meine Früchte sammle. Und sprach:Das will ich tun:Ich will meine Scheunen abbrechen und größere bauen und will darin sammeln all mein Korn und meine Vorräte und will sagen zu meiner Seele:Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat für viele Jahre; habe nun Ruhe, iss, trink und habe guten Mut! Aber Gott sprach zu ihm:Du Narr! Diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern; und wem wird dann gehören, was du angehäuft hast? So geht es dem, der sich Schätze sammelt und ist nicht reich bei Gott.

Eigene Übersetzung (Christoph Kühne)

Luk 12,13 Es sprach aber einer aus der Menge zu ihm: Lehrer, sag meinem Bruder, er solle mit mir das Erbe teilen (lat. dividere).
14 Er aber sagte zu ihm: Mensch, wer hat mich eingesetzt (lat. constituere) zum Richter (D streicht:) oder Teiler über euch?
15 Er sagte aber zu ihnen: Seht und hütet euch vor allem Mehrhabenwollen, weil nicht einem (Menschen) in irgendeinem Überfliessen sein Leben ist aufgrund dem, was ihm gehört.

16 Er sagte aber ein Gleichnis (griech. Parabel) zu ihnen: Irgendeines reichen Menschen Feld hatte gut getragen.
17 Und er redete mit sich (griech. Dialog): Was soll ich machen? Ich habe nicht (genug Raum), wo ich zusammenführen kann meine Früchte!
18 Und er sprach: Das werde ich machen: Ich werde meine Scheunen (griech. Apotheke) abreissen, und ich werde größere bauen, und ich werde sammeln dort alles, das (Var: mein) Getreide und meine Güter,
19 und ich werde meiner Seele sagen: Seele, du hast viele Güter (D: entf.:) eingelagert auf viele Jahre! Ruh dich aus, iss, trink, hab Spaß!
20 Es sagte ihm aber Gott: Dummkopf, in dieser Nacht - deine Seele wird man von dir fordern! Aber was du vorbereitet hast, wem wird es sein?
21 (D streicht diesen Vers:) So der sich Schätzesammler und nicht zu Gott Reiche! (Zusatz aus Mt 11, 15:) Dieses sagend, sprach er: Wer Ohren hat zu hören, der höre!

Eindrücke beim ersten Lesen des Predigttextes

Das Wort „Habgier“ springt mir als erstes in die Augen. Und dann der Ausspruch, dass niemand davon lebt, „dass er viele Güter hat“. Habgierig möchte ich nicht sein, aber ein bisschen mehr Geld, um noch unabhängiger zu sein und frei, auch mal zwischendurch Urlaub machen zu können. Mir fällt das Schicksal von armen Ländern ein wie Griechenland, Portugal, die Balkanstaaten und andere, die immer noch mit der Armut kämpfen. Und ich fürchte mich vor ihrer „Wut im Bauch“ - einer Arbeit von Luzia Sutter Rehmann, in der sie die Bibel von dem Hunger der Menschen her auslegt …

Ich lese die Perikope weiter und finde ein Gleichnis Jesu mit dem Anfang: Es war einmal ein reicher Mann … Jesus erzählt von einem reichen Kornbauern, der für die Lagerung seines Getreideüberschusses neue Scheunen errichtet. (Hätten wir das nicht auch gemacht, wenn wir einigermaßen klug und wirtschaftlich sein wollen?) Und dann das erleichterte „Ich habe geschafft! Nie mehr arbeiten müssen!“ Es folgt ein furchtbarer break: Herzinfarkt, Zusammenbruch, Tod. Und wir sagen: Das hat er nicht verdient! Er war doch noch so jung. Von seiner Rente hat er gar nichts mehr gehabt. Geschweige denn von freier Zeit mit Frau und Kindern …

Lukas lässt Jesus seine Geschichte schließen mit dem Gedanken, dass es Wichtigeres gäbe als Reichtum und Besitz. Der Wikipedia-Artikel über Mutter Teresa schreibt in dem Kapitel „Kritische Bewertung ihrer Arbeit“ unter der Überschrift „Religion kommt vor Hilfe“: „Taten der Nächstenliebe sind immer ein Mittel, um Gott näher zu kommen.“ Also zuerst reich bei Gott sein und dann sozial, diakonisch arbeiten!?

Diese Perikope reizt mich, tiefer einzudringen in das, was Jesus wirklich meint. Und einen Zusammenhang mit dem Erntedankfest herzustellen!

Anmerkungen zum Text

Die Perikope gehört zum „lukanischen Reisebericht“ und ist ein Sondergut des Evangelisten, das die starke Ablehnung des Reichtums durch Jesus betont. Wenn auch die Parusie in die Ferne gerückt ist, so gilt es doch, in der eigenen Lebenszeit und -Welt mit Gott zu rechnen.

Luzia Sutter Rehmann weist uns in „Wut im Bauch“ (Gütersloh 2014) auf die „Schatten des Hungers“ hin, die auch in unserer Geschichte vorkommen. Wie können wir Luk 12, 13ff vom Hunger her lesen und verstehen? Wo sind „Hungersignale im Text“? Vgl. im Folgenden Rehmann 104f

Reden über das Essen: Jener Bauer hat eine reiche Ernte eingefahren
Schweigen über den Hunger: Statt über den Hunger zu reden, gehts hier um das Erbe (das wohl das (Über-) Leben retten kann) sowie um Einlagerung einer Ernte
Tora-Zitate: Ich habe lediglich in Dt 21, 15-17 die Feststellung gefunden, dass Söhne von zwei Frauen nicht unterschiedlich behandelt werden dürfen
Emotionale Stimmung: Die Freude und Zufriedenheit des Menschen, endlich (über-) genug zu haben, kann eine Reaktion des Reichen auf den „Schatten des Hungers“ sein

Der Text ist gut erhalten. Interessant, dass Cod. Ephraemi (V) den „Lehrvers“ 21 weglässt. Ja, zwei Kodizes aus IX und X fügen abschließend aus Mt 11, 15 hinzu: Dieses sagend, sprach er: Wer Ohren hat zu hören, der höre!

Literatur

http://www.bibelwissenschaft.de
Luzia Sutter Rehmann, Wut im Bauch

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Der Erntedanktag ist für mich wie vielleicht auch für Sie ein schöner und bunter Festtag. Vielleicht liegt das daran, dass es viel zu sehen gibt im Gottesdienst: Bunte Früchte, Garben, Äpfel, Gemüse und vieles, für das wir dankbar sind. Uns mag eine Ahnung überkommen, dass dies alles nicht synthetisch, nicht aus menschlichen Erfindungen gemacht ist, sondern dass der Ursprung von all diesen Gaben bei Gott liegt. Freilich habe ich auch Menschen kennengelernt, die behaupten, sie bräuchten niemandem Danke zu sagen, weil sie sich alles selbst erarbeitet hätten. Doch ich denke, dass die meisten von uns ein Gefühl dafür haben, dass wir uns dem Anderen verdanken – ob es der Spracherwerb ist durch die Eltern, ob es unser tägliches Brot ist, das wir kaufen können, ob es unsere Freundschaften sind, die letztlich auch auf einem Ja des Anderen beruhen. Die letzte Antwort, wem wir uns verdanken, liegt nicht in unserer Hand – soviel wir auch schaffen und arbeiten. Dies zu erinnern und zu beherzigen, ist uns eine Geschichte von Jesus für den heutigen Tag vorgelegt: Die Geschichte vom reichen Kornbauern.

Der letzte Satz klingt mir noch in den Ohren: So geht es dem, der sich Schätze sammelt und ist nicht reich bei Gott. Bei Wikipedia habe ich von Mutter Teresa gelesen: „Religion kommt vor Hilfe“: „Taten der Nächstenliebe sind immer ein Mittel, um Gott näher zu kommen.“ Oder sollten wir gewisse Aussagen des „Islamischen Staates“ nicht ebenso ernst nehmen, wenn jugendliche Islamisten nach Syrien reisen mit dem Satz im Gepäck: Wir wollen Allah dienen und ihm unser Leben widmen – und unseren Tod. Reich bei Gott sein – das ist der Gedanke, den Jesus seinen Gesprächspartnern, also auch uns einimpfen möchte. Wollen wir reich bei Gott sein – wörtlich heißt es im Griechischen: reich zu Gott hin. Als ob hier eine Bewegung angelegt wäre. Als ob es keinen Besitz gäbe sondern eine Reise zu Gott, unterwegs zu IHM, ein Leben auf Gott hin. Gott – das Ziel unseres Lebens. Will uns das einleuchten?

Jesus skizziert in seinem Gleichnis ein ganz normales Menschenleben. Jemand findet in seinem Leben, seinem Beruf, seinem Tun Erfolg. Er verhält sich wie jener reiche Kornbauer! Doch halt: Wieso bezeichnet Jesus diesen Menschen jetzt schon als reich – bevor er jene sagenhafte Ernte eingefahren hat? Jesus spricht von einem Menschen, der begabt ist, der Möglichkeiten hat – und sie auch nutzt und auslebt. Also einer von uns. In der heutigen Zeit begegne ich in seelsorglichen Gesprächen Menschen, die in ihrem Leben kein Ziel finden. Sie hadern mit sich, den Mitmenschen und auch Gott. Manche brennen in ihrem Beruf aus, können sich nicht anpassen an die oft harten Bedingungen. Dabei haben sie ihren Job fröhlich begonnen. Die Aufgaben passten, die Kollegen waren nett, der Vorgesetzte war wohl gesonnen. Es gab eine Beförderung, einen Aufstieg. Die Klientin berichtete, dass sie in ihrer Bank zur Gruppenleiterin gemacht worden ist. Das wollte sie immer. Und sie hatte Erfolg. Die Menschen mochten sie. Die Bank war mit ihr zufrieden. Doch dann habe sie plötzlich weinen müssen, sie habe sich sehr schwach gefühlt. Alles war zu viel. Die Arbeit ist über ihr zusammengebrochen. In dieser Situation und mit dieser verzweifelten Stimmung ist sie zu mir gekommen. Was tun? Der Arzt verschreibt ihr eine Kur. Als sie zurückkommt, arbeiten wir an ihrem Ziel. Was tut dir gut? Wo fühlst Du Dich aufgehoben? Die Frage nach dem Sinn in ihrem Leben taucht immer häufiger auf. Welchen Sinn hat mein Leben als Frau, als Mutter, als Partnerin, als Berufstätige?

Vielleicht kennen Sie diese Situation von sich oder auch von Bekannten in Ihrem Umkreis. Es ist die Situation des begabten Kornbauern, der gut und gewissenhaft arbeitet und dazu noch Glück hat. Er stellt sich nicht dumm an, sondern folgt der Fährte des Erfolgs, tut das, was jetzt dran ist. Ja mehr noch, er überlegt, denkt nach, geht mit sich zu Rate – und vielleicht auch mit seiner Familie, mit seinen Freunden. Mach das, sagen alle! Mach das, sagt er sich selbst! Mach das, sagt die Stimme des Erfolgs. Alles fühlt sich gut an. Und das ist das Wichtigste für einen Manager, dass das, was er tut, sich auch gut anfühlt: Never Change a running team! Alles läuft gut – und plötzlich der Burn out, der Herzinfarkt, der Nervenzusammenbruch. Es reißt ihn heraus. Gerade jetzt! Kann ich nicht gebrauchen! Doch da liegt er bereits auf der Intensivstation, der begabte, erfolgreiche und glückliche Manager. Er kann sich die besten Therapien leisten. Doch wird er durchkommen? Wird etwas zurückbleiben? Ich sollte kürzer treten, sagt er sich und den Besuchern. Ich will erst mal eine Auszeit machen, muss nachdenken, worum es eigentlich geht, welchen Sinn mein Leben hat.

Jesus fokussiert in seiner Geschichte auf die Todesstunde des Reichen Kornbauern. An seinem Lebensende wird es ihm schlagartig deutlich: Wofür habe ich gelebt? Was von meinem Besitz kann ich mitnehmen nach Drüben? Anmerkung: Die alten Ägypter haben wie auch unsere germanischen Vorfahren den Verstorbenen reiche Beilagen ins Grab mitgegeben, manchmal sogar den Leibsklaven und das Pferd mit dem Gespann. Vielleicht kann der Tote dies alles – auch die goldenen Halsreifen und Münzen – bei Gott geltend machen … Schwachsinn! sagt schon Jesus. Du kannst nichts mitnehmen. Aber was hilft denn in unserer Todesstunde? „Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben?“ fragt der Heidelberger Katechismus der Reformierten in seiner 1. Frage. Jesus: Sei reich zu Gott hin! Das hilft dir im Sterben und im Leben. Diese Aufforderung scheint mir auch heute noch nicht besonders modern zu sein. Wie geht denn das? Was sollen wir machen?

Wie können wir unser Leben so führen, dass es „zu Gott hin“ geht? Freilich hat es christliche, jüdische oder muslimische Versuche gegeben, Gott zu „verstaatlichen“, zu „vergesellschaften“. Und es gibt sie auch heute noch. Und wir sollten vor einer voreiligen Kritik dieses ernsthafte Bemühen zu würdigen versuchen. Dieses Bemühen mündet allerdings allzu leicht in einer Ideologisierung, bei der es die Guten auf der einen Seite und die Schlechten und Bösen auf der anderen Seite gibt. Wer die Macht hat, setzt dann den „richtigen Glauben“ mit Gewalt und „Gottes Hilfe“, wie es dann heißt, durch. Was würde Jesus zu einem christlichen, jüdischen oder islamischen Staat sagen? Wir wissen es nicht. Vermutlich würde er sich dem einen, der durch die Gitter der Ideologie fällt, zuwenden und würde ihn fragen, wie es um seinen Reichtum zu Gott bestellt ist. Vielleicht würde er ihn erinnern an seine Begabungen, seine Gaben, seine Möglichkeiten. Würde ihn fragen, wie er dieses „Kapital“ einsetzen kann, sodass er „reich zu Gott“ wäre.

Am heutigen Erntedanktag denken wir an unsere Gaben und Begabungen, die uns gegeben, verliehen, geliehen, geschenkt wurden – über unsere Eltern, Freunde, Kollegen und Andere, und die jedoch letztlich von Gott kommen. Und IHM danken wir heute für das, was auf dem Altar liegt, was in uns Menschen angelegt ist, was sich an Gutem in unserer Gesellschaft angesammelt hat. Wir sind allesamt „Reiche Kornbauern“, deren Lebensfeld Früchte getragen hat. Und wenn wir sagen zu unserer Seele: Iss, trink, und hab Spaß! Dann lasst uns nicht den Geber dieser guten Gaben vergessen. Alle gute Gabe / kommt her von Gott, dem Herrn! / Drum dankt ihm, / und hofft auf ihn! So hat schon Matthias Claudius vor über 200 Jahr gedichtet. Hat er nicht recht? Also: Freut euch des Lebens und dankt Gott für alle gute Gabe!

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