“Es wird regiert…”
Den Glauben nicht aufgeben, dass Gott Menschenherzen zum Guten n wenden kann
Predigttext: Johannes 6,1-15 (Übersetzung nach M. Luther, Revision 2017)
Die Speisung der Fünftausend
1 Danach ging Jesus weg ans andre Ufer des Galiläischen Meeres, das auch See von Tiberias heißt. 2 Und es zog ihm viel Volk nach, weil sie die Zeichen sahen, die er an den Kranken tat. 3 Jesus aber ging hinauf auf einen Berg und setzte sich dort mit seinen Jüngern. 4 Es war aber kurz vor dem Passa, dem Fest der Juden.
5 Da hob Jesus seine Augen auf und sieht, dass viel Volk zu ihm kommt, und spricht zu Philippus: Wo kaufen wir Brot, damit diese zu essen haben? 6 Das sagte er aber, um ihn zu prüfen; denn er wusste wohl, was er tun wollte. 7 Philippus antwortete ihm: Für zweihundert Silbergroschen Brot ist nicht genug für sie, dass jeder auch nur ein wenig bekomme. 8 Spricht zu ihm einer seiner Jünger, Andreas, der Bruder des Simon Petrus: 9 Es ist ein Knabe hier, der hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische. Aber was ist das für so viele? 10 Jesus aber sprach: Lasst die Leute sich lagern. Es war aber viel Gras an dem Ort. Da lagerten sich etwa fünftausend Männer.
11 Jesus aber nahm die Brote, dankte und gab sie denen, die sich gelagert hatten; desgleichen auch von den Fischen, so viel sie wollten. 12 Als sie aber satt waren, spricht er zu seinen Jüngern: Sammelt die übrigen Brocken, damit nichts umkommt. 13 Da sammelten sie und füllten zwölf Körbe mit Brocken von den fünf Gerstenbroten, die denen übrig blieben, die gespeist worden waren.
14 Als nun die Menschen das Zeichen sahen, das Jesus tat, sprachen sie: Das ist wahrlich der Prophet, der in die Welt kommen soll. 15 Da Jesus nun merkte, dass sie kommen würden und ihn ergreifen, um ihn zum König zu machen, entwich er wieder auf den Berg, er allein.
Exegetische Hinweise
V1-4 Jesus ist in Galiläa, seiner Heimat, unterwegs. Er entzieht sich zunächst dem vielen Volk, das ihn wegen seiner Krankenheilungen sucht, und geht auf einen Berg, wo er Gott näher ist. Die Erwähnung des nahen Passafestes erinnert an den Auszug aus Ägypten, die Wüstenwanderung und Sättigung mit Manna und Wachteln und bereitet so das Sättigungswunder vor.
V5-10 Jesus sieht das viele Volk und denkt an ihre Sättigung. 76 Stellen in den 4 Evangelien shandeln vom Essen, nur 54 vom Lehren! (s. Hengel/Hofins). Jesus stellt betr. Brotkauf Philippus eine Scheinfrage: „sie soll das Paradoxon des Wunders deutlich machen“ (Bultmann, S. 157).
Jesus wusste, was er tun wollte- Johannes zeichnet Jesus in göttlicher Vollmacht als den allwissenden Offenbarer. Philippus rechnet: mit den zweihundert Silbergroschen fünftausend Männer zu sättigen (wenn „andres“ statt mit Männern mit „Menschen“ übersetzt würde, kämen noch Frauen und Kinder dazu), nach menschlichem Ermessen unmöglich.
Zweihundert Silberlinge waren eine Menge Geld: ein Silberling war der Tageslohn für einen Arbeiter, also 200 Tageslöhne. Andreas sieht einen Knaben (wörtlich: ein Knäblein), der hat fünf Gerstenbrote, das geringwertige Brot der Armen, und zwei Fische. Er resigniert: Viel zu wenig für so viele. Jesus handelt als Gesandter Gottes im Wissen um die Macht Gottes, der aus wenig viel schaffen kann und aus dem Munde der jungen Kinder und Säuglinge (Ps 8,3; Mt 21,16) sein Lob bereitet.
Keiner der ratlosen Jünger rechnet mit Jesu Macht, die irdische Maßstäbe sprengt. Jesus überbietet mit fünf Broten für fünftausend Männer das Wunder des Elisa, der mit 20 Gerstenbroten hundert Mann sättigte (2.Kön 4,42-44). Er ergreift wieder souverän die Initiative und lässt die Leute sich lagern, zur Ruhe kommen, kleine Gemeinschaften bilden; (nach Mk 6,39 „tischweise“, nach Lk 9,14 in überschaubaren, gesprächsoffenen Gruppen zu je fünfzig).
Wieder eine Besonderheit: „Es war aber viel Gras an dem Ort“. Gras ist Inbegriff von geglücktem Leben im Einklang mit der Schöpfung und den Geschöpfen; s. 1.Mose 1,11; auch Ps 23,2: „Er weidet mich auf einer grünen Aue “, u.a.m.
V11-13 Das Sättigungswunder beginnt mit dem Lobpreis Gottes, der an die Abendmahlsliturgie der Gemeinde erinnert. Jesus selbst, wieder als der souverän Handelnde und als der Gastgeber, teilt Brote und Fische an das Volk aus, „so viel sie wollten“; (nach Mk 6,41 par gibt er sie den Jüngern zum Austeilen).
Was uns so sehr interessiert und zu schaffen macht: wie soll das möglich und zugegangen sein: fünf Brote und zwei Fische an fünftausend Männer zu verteilen?- dieses Wunder wird schlicht übergangen, nur das Ergebnis wird mitgeteilt: alle wurden satt. Wo der unfassbar fürsorgliche Gott wirkt und uns in seinen Wundern begegnet, können wir nur staunen und danken.
Die Fülle des Sättigungswunders wird noch überboten durch ein weiteres Paradoxon des Wunders: nach Jesu Aufforderung wurden „zwölf Körbe mit Brocken von den fünf Gerstenbroten“ gefüllt - zwölf steht für Vollkommenheit und ganz Israel. Das Handeln Jesu ist ein „Zeichen“ für Jesus als den Offenbarer; es ist nicht das Heil, das bleibt verborgen.
V14-15 Dieses Zeichen wird für die, die gespeist und satt geworden waren, zum missverstandenen Beweis: „Das ist wahrlich der Prophet“, der Heilbringer, der unsere Wünsche erfüllt. Doch Jesus lässt sich nicht ergreifen und nicht zum König machen, der für weitere Wunder und neues Brot sorgen würde. Sein wie Gottes Handeln ist nicht zu ‚begreifen‘. Er entweicht „wieder auf den Berg, er allein“.
Joh 6,1-15 wird fortgesetzt in der Brotrede 6,26ff: nur leiblich satt werden, reicht nicht. Sie wird zugespitzt in V35 im Selbstzeugnis, im Ich-Bin-Wort: Ich bin das Brot des Lebens … Jesus spendet und ist das Lebensbrot als der Offenbarer Gottes (Bultmann, S. 162 und 168).
Hinführung zur Predigt
„Er allein“: mit diesem Schlusswort und Schlüsselsatz gibt uns der (oder die Verfasser) deutlich zu verstehen, worum es ihm geht: um Jesus allein, um seine göttliche Vollmacht, die alle und alles übertrifft. Er allein ist das Licht der Welt, der Weg, die Wahrheit und das Leben, er allein schenkt uns das wahre, unvergängliche Brot, die Speise zum ewigen Leben. Nicht auf seine Wunder, auf ihn allein sollen wir blicken.
Unsere Aufgabe ist: „Christum predigen und treiben“ (Martin Luther, Vorrede auf die Epistel Sanct Jacobi, 1522). Dazu sagt uns der Predigttext einiges: Jesus zieht viel Volk nach, er sieht die Not und den Hunger der Menschen, heilt ihre Kranken. Er sucht in der Stille des Berges die Nähe Gottes.
Seine Jünger rechnen und zweifeln, er handelt souverän und allwissend wie Gott. Er lässt die Menschen zur Ruhe kommen, sättigt sie, schafft ihnen Gemeinschaft. Er dankt Gott für seine Gaben, bevor er sie austeilt. Er kümmert sich auch um die sprichwörtlich gewordenen Brocken, „damit nichts umkommt“. Er entzieht sich unserem Zugriff. Berichte aus den Evangelien können hinzugezogen werden, um zu verkündigen: „Er allein“. Darauf will ich am Ende zurückkommen.
Der Predigttext ist vertraut, verständlich- unsere üblichen Fragen zum Wunder und unsere Bedenken interessieren den Evangelisten nicht, deshalb will ich sie übergehen.
Der Predigttext bietet mit seinen vielen wichtigen Stichworten: Galiläa, Krankenheilungen, Berg, Passa, Brot (auch dem „Ich-bin-Wort“ V. 35 und 6,48ff!), Fische, Hunger, Gras, Zeichen, Wunder, Abendmahl u.a.m. genügend Ansatzpunkte und Themen für die Predigt.
Mich hat immer der unscheinbare Hinweis, den ich aufnehmen möchte, begeistert: „Es ist ein Knabe hier, der hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische“. Ein Kind hat die Situation richtig eingeschätzt und öffnet uns die Augen für unser Verhalten - dazu möchte ich aus den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm: „Der alte Großvater und der Enkel“ erzählen.
Es sind Ferien- eine kleinere Kerngemeinde wird zu begrüßen sein. Lesungen, Lieder und Predigttext handeln vom Sattwerden der Hungrigen und von den Wundern Gottes durch Jesus.
Der 7. Sonntag nach Trinitatis ist der Abendmahlssonntag. Im Abendmahl begegnet uns Christus auf wunderbare Weise und verbindet uns zu einer Gemeinschaft, die füreinander da ist.
Ein Abendmahlsgottesdienst sollte es sein, – „wenn möglich als Tischabendmahl oder Agapemahl“ (G. Brakel, S. 129). Es können 12 Körbe auf den Altar gestellt werden- die Gemeindeglieder füllen sie mit ihren mitgebrachten Essensgaben/Essensresten, die nach dem Gottesdienst zum gemeinsamen Essen und Trinken in der Gemeinschaft verteilt werden.
Leitsätze
Von Gottes und Jesu Fülle nehmen wir alle Gnade um Gnade (Joh 1,16).
Gott kann aus unseren kleinen Gaben Großes schaffen.
Jesus sieht unsere Not, schenkt uns seine Gemeinschaft und sättigt uns.
In seinem Wort und Sakrament ist Jesus unser Brot des Lebens.
Jesus allein ist unser einziger Trost im Leben und im Sterben.
Literatur
Rudolf Bultmann, Das Evangelium des Johannes, MeyerK, 17. Auflage 1964 / Stephan Seidelmann/Marcel Brenner, Predigtstudien IV, 2.Halbbd. 2021/22, S. 126ff / Götz Brakel, Gottesdienst Praxis IV,Bd 3 2022, S. 122ff / (s. auch ältere Jahrgänge beider Arbeitshilfen) / Jürgen Moltmann, zeitzeichen 6, Juni 2022, S. 8ff / Kinder- und Hausmärchen gesammelt durch die Brüder Grimm, insel taschenbuch 113, fünfte Auflage 1981, S. 73f / PC: Material unter den Stichworten des Textes, z.B. Jesu Tischgemeinschaften, Martin Hengel/Otfried Hofins - Mohr Siebeck.
Gott nimmt die Gaben eines Kindes an
Wir kennen die Geschichte: „Die Speisung der Fünftausend“ und fragen uns, wie Jesus mit fünf Broten und zwei Fischen fünftausend Männer gesättigt hat. Ein Wunder, überboten durch das weitere Wunder, dass am Ende mehr da war als am Anfang: 12 Körbe voll mit Brocken von fünf Broten. Aber gerade das interessiert den Evangelisten überhaupt nicht. Ihm ist wichtiger, uns mitzuteilen, dass Jesus vor dem Wunder auf einen Berg geht- dort ist er Gott näher. Wir denken an den Berg Sinai, wo Gott Mose die Zehn Gebote übergibt, oder an den Berg der Verklärung, die Jesus als den Sohn Gottes über die beiden größten Autoritäten des jüdischen Volkes, Mose und Elia, stellt. Und dass es kurz vor dem jüdischen Passafest war. Damit weist uns Johannes an den Auszug aus Ägypten und an die Wüstenwanderung und die Wunder Gottes, wie er sein Volk mit Manna und Wachteln gespeist hat (2.Mose 16) – ein Wunder, das ‚geklärt‘ ist: die Früchte des Tamariskenstrauches sind das Manna, die Wachteln fliegen in jener Gegend sehr tief und können mit der Hand gefangen werden.
Eine dritte Besonderheit gegenüber den anderen Evangelisten Mt, Mk, Lk fügt Johannes ein: „Es ist ein Knabe hier, der hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische“. Gerstenbrote waren das geringwertige Brot der Armen. Diese Mitteilung ist m. E. bewusst gewählt. Ein Kind, wörtlich: ein Knäblein, wird zum Mitarbeiter Gottes. Er selber ist als ein kleines Kind hilfebedürftig in unsere Welt gekommen. Jesus ist ein Freund der Kinder, er segnet sie und spricht ihnen das Reich Gottes zu. Das Kind hat im Unterschied zu der Menge und den Jüngern richtig gehandelt in der Situation, es hat die notwendige Versorgung mit. Gott nimmt seine geringwertigen Gaben an. Auch wenn es wenig ist – aus der geringen Habe macht Gott ein großes Mahl, das fünftausend Männer sättigt. Johannes spekuliert nicht, wie und ob das möglich war. Er wischt damit die Deutung vom Tisch, dass alle ihren Proviant miteinander teilten- den nach Johannes niemand hatte!
Gott kann aus Wenigem viel machen und uns geben, was wir zum Leben brauchen. Für sein wunderbares Handeln genügen ihm die wenigen Lebensmittel eines kleinen Kindes. Ein Kind gibt mit ihnen Jesus die Möglichkeit, das Wunder zu tun. Die ratlosen Jünger rechnen: Zweihundert Silbergroschen reichen nicht, um Brot für fünftausend zu kaufen, und sie zweifeln: was sind fünf Gerstenbrote und zwei Fische für so viele? Das erleben wir öfter auf Gemeindefesten, dass wir uns ängstlich fragen, ob die Gaben reichen. Jesus als der vollmächtige Gesandte und Offenbarer Gottes rechnet und zweifelt nicht, er handelt an Gottes Statt; er dankt und teilt in der Vollmacht Gottes als der Gastgeber selber das Wenige unter fünftausend – alle werden satt, ein Wunder ist geschehen.
Am Ende sagt es Johannes noch einmal, was ihm wichtig ist, sagt es uns überdeutlich: nicht das Wunder, Jesus allein! Jesus wird groß herausgestellt als Gottes Sohn; er lebt aus der Fülle der Liebe seines himmlischen Vaters, dem Erhalter und Ernährer seiner Schöpfung, wie ein Kind im rechten Verhältnis zu seinen Eltern.
Kinder öffnen uns Erwachsenen die Augen
Ein Kind wird uns zum Vorbild. Kinder spüren, wenn unser Verhalten untereinander nicht stimmt und handeln richtig in der Situation. Die Brüder Grimm erzählen in ihrem Märchen: „Der alte Großvater und der Enkel“: „Es war einmal ein steinalter Mann, dem waren die Augen trüb geworden, die Ohren taub, und die Knie zitterten ihm. Wenn er nun am Tische saß und den Löffel kaum halten konnte, schüttete er Suppe auf das Tischtuch, und es floß ihm auch etwas wieder aus dem Mund. Sein Sohn und dessen Frau ekelten sich davor, und deswegen mußte sich der alte Großvater endlich hinter den Ofen in die Ecke setzen, und sie gaben ihm sein Essen in ein irdenes Schüsselchen und noch dazu nicht einmal satt; da sah er betrübt nach dem Tisch, und die Augen wurden ihm naß. Einmal auch konnten seine zittrigen Hände das Schüsselchen nicht festhalten, es fiel zur Erde und zerbrach. Die junge Frau schalt, er sagte aber nichts und seufzte nur. Da kaufte sie ihm ein hölzernes Schüsselchen für ein paar Heller, daraus mußte er nun essen. Wie sie da so sitzen, so trägt der kleine Enkel von vier Jahren auf der Erde kleine Brettlein zusammen. „Was machst du da?“ fragte der Vater. „Ich mache ein Tröglein“, antwortete das Kind, „daraus sollen Vater und Mutter essen, wenn ich groß bin.“ Da sahen sich Mann und Frau eine Weile an, fingen endlich an zu weinen, holten alsofort den alten Großvater an den Tisch und ließen ihn von nun an immer mit essen, sagten auch nichts, wenn er ein wenig verschüttete“.
Es ist ein großer Hunger in der Welt
Um echten Hunger und konkrete Sättigung geht es wie im Märchen auch im Predigttext, um Sattwerden und Gemeinschaft erfahren. Es ist ein großer Hunger in unserer Welt, die Statistiken schwanken- weltweit leiden achthundertdreißig Millionen Menschen unter chronischem Hunger, täglich sterben 24000 Menschen; über zwei Milliarden sind mangelernährt, alle 10-12 Sekunden stirbt ein Kind an Unterernährung. Der Ukraine-Krieg wird mit seinen weltweiten Auswirkungen hoffentlich nicht Millionen Menschen den Hungertod bringen. Wir wissen nicht, in welche finanziellen und materiellen Nöte er unser Land und andere Länder treiben wird. Gemeinden unterstützen Bedürftige vor Ort mit Lebensmitteln, die Tafeln werden notwendiger; kirchliche Organisationen finanzieren mit Brot für die Welt Projekte zur Selbsthilfe. Die Armut nimmt zu in unserem reichen Land. Über 3000 Brotsorten gibt es in Deutschland, aber nicht mehr alle Menschen haben ‚mehr als genug‘.
Es ist auch ein Hunger nach Gemeinschaft. Menschen sehnen sich nach Gemeinschaft. Es ist erstaunlich, wie viel tausend Menschen zu den Marktplätzen strömen, um eine siegreiche Mannschaft zu feiern und teilzuhaben an ihrem Erfolg. Auch sonst werden alle möglichen Feste stark besucht. Man will dabei sein und teilnehmen, etwas erleben, um die innere Leere zu füllen.
Jesus nimmt das „viele Volk“ und ihre Bedürfnisse wahr und schafft ihnen Gemeinschaft und Teilhabe; er lässt sie in kleinen überschaubaren Gruppen lagern und zur Ruhe kommen, das ermöglicht Gespräche. Er sättigt sie. In den Evangelien handeln 76 Stellen vom Essen, nur 54 vom Lehren! Neunzig Prozent des Wortes „essen“ stehen in Beziehung zu Jesus! Er wurde als Fresser und Weinsäufer gescholten (Mt 11,19). Die Tischgemeinschaften mit den Sündern und Zöllnern provozierten seine Zeitgenossen; man lud keine Ausgestoßenen und Außenseiter ein. Die Tischgemeinschaften sind neben den alttestamentlichen Wundern Manna und Wachteln Hintergrund der Speisungsgeschichten in den Evangelien- gleich sechsmal werden sie berichtet. Das zeigt, wie wichtig solche Erzählungen allen Evangelisten waren. Das gemeinsame Essen wurde immer sehr gepflegt. Ohne die Tischgemeinschaften Jesu ist das frühe Christentum mit seinem täglichen Brotbrechen nicht denkbar; sie sind eine Wurzel unserer Abendmahlsfeiern. Gott gibt Leben in Fülle. Wir dürfen diese Verheißung nicht auf den spirituellen Bereich reduzieren.
Größer als der Helfer ist die Not ja nicht
Die Probleme und Nöte in unserer Welt mehren sich. Nach zweihundert Jahren rücksichtslosen Fortschritts stehen wir vor einer Katastrophe: Die Luftverschmutzung nimmt immer weiter zu, die Ozeane sind voller Plastikmüll, die Regenwälder werden abgeholzt, Ackerland wird zu Wüste, der Meeresspiegel wird sich erhöhen, Inseln und Küstenstädte werden überschwemmt (s. Jürgen Moltmann, a.a.O.). Die Liste lässt sich verlängern: Erderwärmung, Schmelzen der Gletscher, Dürre, Feuer- und Flutkatastrophen, Klimawandel, Artensterben, Energiekrise, usw. Nicht der industrielle und technische Fortschritt bringt uns aus den Krisen, in die uns die Selbstherrlichkeit der Menschheit gestürzt hat. Es braucht ein anderes Verständnis von Natur, ein neues Menschenbild und eine kosmische Spiritualität (s. Moltmann), einen weltweiten Gesinnungswandel. Die Covid 19-Pandemie, der Ukrainekrieg, die Inflationsrate steigern die Krisen.
Wir suchen nach Antworten und Lösungen. Kinder und Jugendliche sind in ihrer Bewegung „Fridays for future“ zu Hoffnungsträgern für Zukunft geworden. In ihren Protesten zimmern sie die „Tröglein“, in die wir unsere Gedanken zu Umdenken und Neubeginn sammeln können. Unsere Ängste und Sorgen um die möglichen Katastrophen, die auch über uns hereinbrechen können, wie auch unsere Nöte um die eigene Gesundheit, und ob das Geld reichen wird für die Miete, die Heizung und all die anderen Ausgaben können wir nicht einfach verdrängen, aber wir dürfen auch sie in die Tröglein werfen und Gott bitten, dass er aus seiner Fülle unsere Sehnsucht nach Leben stillt.
Die Probleme sind groß, aber es wird regiert, nicht nur in Moskau oder Washington oder Peking, sondern vom Himmel her (Karl Barth). Auch wenn es uns schwerfällt, unbeschwert zu singen: „Gott sitzt im Regimente und führet alles wohl“ (EG 361,7) – wir wollen es dennoch tun. Wir dürfen unseren Glauben nicht aufgeben, dass Gott Menschenherzen zum Guten wenden und uns aus Not und Ausweglosigkeit Wege zum Leben weisen kann. Diese Hoffnung darf nicht sterben. Wir vertrauen auf die Fülle an Segen, die Gott und Jesus für uns bereithalten.
Jesus allein- unser einziger Trost im Leben und im Sterben
Jesus hat uns Gottes Willen offenbart: Gott hat uns und die Erde nicht zum Untergang bestimmt, sondern er will, dass wir leben in Gerechtigkeit und Frieden. Die Sanftmütigen, die Friedensstifter, die nach Gerechtigkeit hungern und dürsten werden die Erde besitzen (Mt 5,1ff). Die an ihren Unzulänglichkeiten und der Not der Welt leiden, dürfen die Einladung Jesu hören und annehmen: Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen sein, ich will euch erquicken und euch mit einem neuen, mit meinem Geist sättigen. Lernt bei mir Barmherzigkeit und Dankbarkeit, werdet wie ich sanftmütig und von Herzen demütig (Mt 11,28).
Bei Jesus lernen wir, uns an Tische zu setzen, zuzuhören und zu schweigen, miteinander zu teilen und nicht zu richten, durch Tischgemeinschaft einander zu stärken und zu ermutigen. Jesus lädt uns ein, mit ihm sein Mahl zu feiern und darin seine Gemeinschaft und die Nähe Gottes, Sättigung und Heilung zu erfahren. Jesus allein- ja, Jesus allein, brutal hingerichtet, kann uns weiterbringen mit seinem Geist der Gewaltlosigkeit und Demut, des Friedens, der Hoffnung. Wie im Leben, so war sein und unser Vater im Sterben bei ihm und rief ihn aus dem Tod in sein unvergängliches Heil. Gott ist bei uns, immer bei uns. Wir warten auf seine Wunder und dürfen sie täglich erleben. Von seiner und Jesu Fülle an Liebe und Vergebung dürfen wir leben und sie weitergeben. Er allein ist und gibt Brot zum Leben.
Heute haben wir im Lübecker Exegese- Kreis mit sechs Theologen und Theologinnen diese Predigt neunzig Minuten lang besprochen und fanden sie außerordentlich gut. Der Kreis trifft sich jetzt seit sechszig Jahren in Lübeck alle vierzehn Tage. Mein Vikarsleiter Harloff hat mir vor Jahrzehnten gesagt . “Da gehen Sie jetzt immer hin!”Und auch Pastor Rudolf Albrecht ist schon lange und anregend dabei. Originell ist, dass Jesus vor dem großen Wunder auf den Berg geht. Besonders an diesem Text ist, dass ein kleiner Knabe wenige Brote und Fische hat fürs das Wunder. Ein Kind wird zum Vorbild wie im Grimmschen Märchen. Essen ist in der Bibel ein großen Thema. 76 Bibelstellen handeln vom Essen, nur 54 vom Lehren.Der Hunger heute in der Welt mit Hungertoten ist ein furchtbares Problem. Hunger wie Umweltvergiftung sind heute große schlimme Themen. Aber “es wird regiert von Gott” und wir leben mit der Hoffnung.Bei Jesus und mit ihm werden wir gerettet und gestärkt. Die Hoffnung auf seine Wunder bestärkt diese Predigt.