Sie haben es mitbekommen: Panama war gestern, jetzt heißen die Papers Paradise! Ein Team von investigativen Journalisten hat wieder mal ein „Leak“ entdeckt, ein „Datenleck“ also. Eine geheime Quelle hat eine ungeheure Menge an Daten über geheime Steuertricks der Reichen und Mächtigen ausgeplaudert. Und ein international aufgestelltes Medien-Team, das geheim operiert und sehr raffiniert recherchiert, hat diese Daten ausgewertet und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Auf deutscher Seite z. B. die Süddeutsche Zeitung, NDR und WDR.
Es ist ja schon interessant, was man da so erfährt: Dass ein Trump-Minister an unseriösen Russland-Geschäften mitverdient, überrascht einen nicht mal so sehr. Aber dass Großkonzerne wie Apple, Nike und Co. ihre eigenen Methoden haben, um fast gar keine Steuern zu bezahlen, das ist für den „normalen“ Steuerzahler schon sehr dreist! Und auf welchen Wegen große Stars ihre Steuern minimieren oder an unsauberen Geschäftsmodellen mitverdienen, das ist doch sehr erhellend! Es kann einen schon erschrecken, was man z. B. von Lewis Hamilton hört oder gar vom U2-Sänger Bono, der sich sonst als moralischer Saubermann aufführt. Und wer hätte das gedacht, dass sogar die englische Queen indirekt an zweifelhaften Geschäften beteiligt ist.
Eins kann man aber sagen: Wo hier Gut und Böse stehen, das ist schnell geklärt. Die Guten – das sind in diesem Fall die recherchierenden Medien, die geheime Machenschaften aufgedeckt haben. Das ist auch deshalb eindeutig so, weil ja die Allgemeinheit, auch der deutsche Steuerzahler, durch diese Tricks und Mauscheleien geschädigt wird. Und die Bösen – das sind eben diejenigen unter den Firmen, unter sonstigen Reichen und Mächtigen, die ihrer Staatspflicht nicht nachkommen und den gemeinen Steuerzahler prellen. In diesem Fall sind die Rollen klar verteilt.
Die Bibel beschäftigt sich oft mit Gut und Böse, wenn auch zuweilen in ganz anderen Zusammenhängen als wir. Eine Geschichte, in der es um den Kampf zwischen Gut und Böse geht, erzählt der Evangelist Lukas. Dabei führt Jesus einen doppelten Kampf aus.
(Lesung des Predigttextes)
Ein Kampf zwischen Gut und Böse, aber doch in einer fremden Welt. Eine Dämonenaustreibung passt nicht mehr in unseren Denkhorizont. Und wenn dann sogar noch der Satan vorkommt und mit „Beelzebul“ ein Anführer der Dämonen, dann wird es für uns vollends kompliziert. Wie sollen wir das verstehen?
Zur Zeit Jesu war dieser Denkhorizont normal. Mit dem wirkmächtigen Bösen, mit Satan oder den Dämonen, rechnete damals jeder. Was für uns das offensichtlich Böse ist, also die Mafia oder Großkonzerne mit finsteren Geschäftspraktiken, das war damals nur 2. Liga. Das wirklich Böse waren der Teufel und seine Gesellen. Darum war es für die Zeitgenossen auch ein Erweis einer göttlichen Beauftragung, wenn jemand Dämonen austreiben konnte. Wer so viel Macht über das Böse hatte, musste mit Gott in Verbindung stehen. Und gerade Kranke machten vom Angebot des Rabbis, der Wunder wirken konnte, gern Gebrauch. Denn auch viele Krankheiten wurden damals auf Dämonen zurückgeführt.
Wenn wir damit vielleicht nicht so mitgehen können, so können wir aber doch die Situation, in der sich Jesus befand, grundsätzlich nachvollziehen. Denn das Wunder spielt hier eigentlich nur eine untergeordnete Rolle. Nach der Heilung kommt es gleich zum Streit. Die Menschen waren skeptisch. Durch welche Kräfte wirkt dieser wundertätige Rabbi? Wie kann er so etwas vollbringen? Manche gaben ihrer Skepsis lauten Ausdruck: Er treibt den Teufel mit dem Beelzebub aus – das ist sprichwörtlich geworden in Deutschland. Jesus wird also der Zugang zu finsteren Mächten unterstellt. Um diesen Vorwurf zu entkräften, wollen andere sogar ein offensichtliches Wunder von ihm sehen, ein Zeichen vom Himmel. Jesus aber durchschaut ihre unlautere Motivation. Er weiß, dass sich vor allem diejenigen gegen ihn stellen, die ihm grundsätzlich misstrauen. Und so zerpflückt er ihre Argumentation durch ein doppeltes Bild: „Wenn der Satan sich mit sich selbst zerstreitet, wie kann sein Reich bestehen?“
Der Gedanke ist: Ein Land, ein Reich, eine Nation, die mit sich selbst uneins ist, wird untergehen. So wie die USA im Moment sich selbst schädigen, weil sie einen Präsidenten haben, der sein Land spaltet. Das andere Bild: Wenn ein starker Kriegsherr, z. B. ein Burgbesitzer, sein Eigentum beschützt, so ist er ziemlich sicher. So lange jedenfalls, bis ein Stärkerer kommt und ihn besiegt. Jesus zerpflückt mit diesen Bildern die Argumente seiner Gegner. Er macht klar: Was ihr behauptet, ist unlogisch. Und eigentlich seid ihr sowieso gegen mich eingestellt, und gegen meine Botschaft. Wer sich aber gegen Gott stellt und gegen seinen Gesandten, für den gilt: „Wer nicht für mich ist, der ist gegen mich. Und wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut”.
Damit ruft Jesus zur Entscheidung auf. Er macht klar: Es gibt ein Für und ein Gegen mich. Wenn es um die Sache Gottes geht, dann musst du dich entscheiden! So wie Martin Luther auf dem Reichstag in Worms: „Wenn ich nicht mit Zeugnissen der Schrift oder mit offenbaren Vernunftgründen besiegt werde, so bleibe ich von den Schriftquellen besiegt, die ich angeführt habe, und mein Gewissen bleibt gefangen in Gottes Wort … Widerrufen kann und will ich nichts, weil es weder sicher noch geraten ist, etwas gegen sein Gewissen zu tun. Gott helfe mir. Amen”.
Es gibt diese Momente der Entscheidung! Die gibt es im Leben, und es gibt sie im Glauben. Auch wenn wir selten in solche Situationen gestellt werden wie Luther oder Jesus selbst. Aber irgendwann müssen auch wir für uns klären: Wie halten wir es mit diesem Jesus? Können wir das glauben: Jesus, Sohn des lebendigen Gottes? Haben wir verstanden, dass auch wir einen gnädigen Gott brauchen, wie Luther ihn suchte? Hören wir auf unser Gewissen? Und können wir das akzeptieren: Ich bin ein fehlbarer Mensch, der auf Gottes Gnade angewiesen bleibt. Es tut mir gut, wenn ich mir immer wieder die Vergebung Gottes zusprechen lasse.
Es tut mir gut, in der Tiefe zu verstehen und zu glauben: Ich bin ein Mensch, der bei all seinen Fähigkeiten und seinem Vermögen auf ein Gegenüber angewiesen bleibt, auf Gott! Der mir manchmal ein notwendiges Korrektiv ist, wenn ich mich selbst überschätze. Manchmal ein Ratgeber, der mir in seinem Wort die Richtung für mein Verhalten weist. Und manchmal auch wie ein Vater zu mir ist, der sein Kind in die Arme nimmt und ihm sagt: Sorge dich nicht! Ich bin bei Dir, was immer geschieht. Ob wir diesen Gott und seinen Sohn Jesus in unser Leben lassen, das hängt auch von uns ab. Jesus sagt uns heute klipp und klar: Wer nicht für mich ist, der ist gegen mich.
Ein Zweites schwingt mit in dieser Geschichte, in der Jesus einen doppelten Streit ausficht. Einmal fordert er uns dazu auf, für ihn Stellung zu beziehen. Zum Zweiten aber macht er deutlich: Gott setzt sich durch! Gott setzt sich durch gegen die Mächte des Bösen. Gott verhilft dem Guten zum Sieg. Das ist eine tröstliche Botschaft in unserer Welt und Zeit, in der die Menschen wieder vor vielem Angst haben. Angst vor dem politischen Geschehen, in dem auf einmal viele merkwürdige Regenten das Sagen haben, in Amerika und in der Türkei, aber auch in Ungarn und Polen.
Eine Zeit, in der auf einmal so unberechenbar erscheint, was als nächstes passiert im Leben der Völker. Oder auch Angst vor der digitalen Beschleunigungswelle, vor dem modernen Stakkato des immer höher, weiter, schneller! Verbunden mit der Frage, ob unsere Gesundheit das noch lange aushält, wenn dieses Tempo und dieser ständige Erreichbarkeitsdruck weiter anhält. Angst vor der Frage, ob unsere Natur noch lange aushält, was der Mensch ihr antut. Angst vor dem, was persönlich noch auf uns zukommen könnte. Es gibt viele Ängste, denen wir ausgesetzt sind. Jesus aber sagt uns heute: Gott hat es in der Hand. Er weiß um unsere Not, unsere Angst. Aber er ist an unserer Seite. Er möchte uns stärken für das, was wir selbst in die Hand nehmen können.
Gott macht uns Mut zu tatkräftigem Handeln in dieser Welt. Aber er will uns auch Gelassenheit schenken: Auch wenn du nicht alles übersiehst, was geschieht, ich dein Gott, bin da und habe die Zügel in der Hand. Im Leben der Völker genauso wie in deinem persönlichen Leben. Ich bin der Gott, der das Gute will und gegen das Schlechte ankämpft. Ich bin der Gott, der in Jesus gezeigt, wie sehr er uns liebt, und dass er uns nie allein lässt. Denn der Gott, der Jesus aus dem Tod wiederbrachte, der hat uns damit gesagt: Meine Liebe ist stärker als alle Mächte des Destruktiven, des Böse. Meine Liebe setzt sich durch. Oder, wie es Karl Barth es kurz vor seinem Tod zu Eduard Thurneysen sagte, seinem Freund: „Aber nur ja die Ohren nie hängen lassen! Nie! Denn – es wird regiert!“