„Frieden schaffen ohne Waffen“
Gott stellt uns an die Seite der Hilfebedürftigen und lässt uns aus ihrer Sicht ihre und unsere Situation bedenken und handeln
Predigttext: Josua 2,1-21 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 2017)
1 Josua aber, der Sohn Nuns, sandte von Schittim zwei Männer heimlich als Kundschafter aus und sagte ihnen: Geht hin, seht das Land an, auch Jericho. Die gingen hin und kamen in das Haus einer Hure, die hieß Rahab, und kehrten dort ein. 2 Da wurde dem König von Jericho angesagt: Siehe, es sind in dieser Nacht Männer von den Israeliten hereingekommen, um das Land zu erkunden. 3 Da sandte der König von Jericho zu Rahab und ließ ihr sagen: Gib die Männer heraus, die zu dir in dein Haus gekommen sind; denn sie sind gekommen, um das ganze Land zu erkunden. 4 Aber die Frau nahm die beiden Männer und verbarg sie. Und sie sprach: Ja, es sind Männer zu mir hereingekommen, aber ich wusste nicht, woher sie waren. 5 Und als man das Stadttor schließen wollte, da es finster wurde, gingen die Männer hinaus, und ich weiß nicht, wo sie hingegangen sind. Jagt ihnen eilends nach, dann werdet ihr sie ergreifen. 6 Sie aber hatte sie auf das Dach steigen lassen und unter den Flachsstängeln versteckt, die sie auf dem Dach ausgebreitet hatte. 7 Die Verfolger aber jagten ihnen nach auf dem Wege zum Jordan bis an die Furten, und man schloss das Tor zu, als sie draußen waren.
8 Und ehe die Männer sich schlafen legten, stieg Rahab zu ihnen hinauf auf das Dach 9 und sprach zu ihnen: Ich weiß, dass der HERR euch das Land gegeben hat; denn ein Schrecken vor euch ist über uns gefallen, und alle Bewohner des Landes sind vor euch feige geworden. 10 Denn wir haben gehört, wie der HERR das Wasser im Schilfmeer ausgetrocknet hat vor euch her, als ihr aus Ägypten zogt, und was ihr den beiden Königen der Amoriter, Sihon und Og, jenseits des Jordans getan habt, wie ihr an ihnen den Bann vollstreckt habt. 11 Und seitdem wir das gehört haben, ist unser Herz verzagt und es wagt keiner mehr, vor euch zu atmen; denn der HERR, euer Gott, ist Gott oben im Himmel und unten auf Erden. 12 So schwört mir nun bei dem HERRN, weil ich an euch Barmherzigkeit getan habe, dass auch ihr an meines Vaters Hause Barmherzigkeit tut, und gebt mir ein sicheres Zeichen, 13 dass ihr leben lasst meinen Vater, meine Mutter, meine Brüder und meine Schwestern und alles, was sie haben, und uns vom Tode errettet.
14 Die Männer sprachen zu ihr: Tun wir nicht Barmherzigkeit und Treue an dir, wenn uns der HERR das Land gibt, so wollen wir selbst des Todes sein, sofern du unsere Sache nicht verrätst.
15 Da ließ Rahab sie an einem Seil durchs Fenster hinab; denn ihr Haus war an der Stadtmauer, und sie wohnte an der Mauer. 16 Und sie sprach zu ihnen: Geht auf das Gebirge, dass eure Verfolger euch nicht begegnen, und verbergt euch dort drei Tage, bis zurückkommen, die euch nachjagen; danach geht eures Weges.
17 Die Männer aber sprachen zu ihr: So wollen wir den Eid einlösen, den du uns hast schwören lassen: 18 Wenn wir ins Land kommen, so sollst du dies rote Seil in das Fenster knüpfen, durch das du uns herabgelassen hast, und zu dir ins Haus versammeln deinen Vater, deine Mutter, deine Brüder und deines Vaters ganzes Haus. 19 So soll es sein: Wer zur Tür deines Hauses herausgeht, dessen Blut komme über sein Haupt, aber wir seien unschuldig; doch das Blut aller, die in deinem Hause bleiben, soll über unser Haupt kommen, wenn Hand an sie gelegt wird. 20 Und wenn du etwas von dieser unserer Sache verrätst, so sind wir frei von dem Eid, den du uns hast schwören lassen.
21 Sie sprach: Es sei, wie ihr sagt!, und ließ sie gehen. Und sie gingen weg. Und sie knüpfte das rote Seil ins Fenster.
Exegetische Überlegungen
Jos 2 ist eine theologische Rückbesinnung des/der Deuteronomisten 600-700 Jahre nach den Ereignissen aus (nach)exilischer Zeit, wie Jahwe sein Volk geführt hat. Es passt inhaltlich nicht nach Kapitel 1, und die folgenden Kriegsberichte sind historisch ungenau, z.B. war Jericho zur Zeit der Landnahme eine Ruinenlandschaft.
Der Erzählung liegt eine Erinnerung an eine Sippe Rahab in Jericho zugrunde, die während der Ausrottung ihrer Stadt gerettet worden war. Warum hat sie und ihre Sippe überlebt? Darauf antwortet Jos 2: weil sie die Kundschafter rettete und sich zum Gott Israels bekannte. Das wird wie ein Spionagethriller spannend erzählt. Die Ungereimtheiten, Doppel- und Mehrdeutigkeiten (z.B. von schahab, sich hinlegen) interessierten den/die Erzähler nicht, deshalb bleibt vieles unklar, z.B.: war Rahab eine Hure oder Wirtin; ist das rote Seil Zeichen des Vertrauens oder des Verrats oder ein Hinweis auf ein Bordell?
Im Zentrum der ätiologischen Sage steht Rahabs Bekenntnis zur universalen Herrschaft des Gottes Israels (2,9-11). Jos 2 will bezeugen: Gott war der entscheidend Handelnde bei der Eroberung Kanaans. Wie in Jos 2 wird Rahab auch im Neuen Testament kritiklos positiv gesehen. Als Mutter des Boas und Urgroßmutter Davids gelangte sie in den Stammbaum Jesu: Mt 1,5. In Hebr 11,31 wird sie unter die „Wolke von Zeugen“ gestellt und ihr Verhalten als Tat des Glaubens gesehen. Jak 2,25 ist sie Beispiel für einen tätigen Glauben. Hier ist die Verbindung zum Wochenspruch: Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat. Ebenso zum Evangelium des Sonntags Mt 15,21-28: Frau, dein Glaube ist groß. In den Kommentaren, Meditationen, Predigten werden Rahabs Charakterstärke, Entschlossenheit, Klugheit betont. Da ist bisweilen viel Spekulation.
Da Gott auch im ‚Rahab-Bekenntnis‘ ein Schrecken und Vernichter ist (Vers 10), vermag ich nicht zu sagen, ob für den/die Deuteronomisten Jos 2 ein subtiler „Anti-Kriegsbericht“ (Knauf bei Hermelink, S.231) war. Israels Gott war über weite Teile ein Kriegsgott und der eigentliche Kriegsherr. Es war viel Kriegsgeschrei in Israel (6,5.10b.16.20, u.ö.).
Wenn die letzte Fassung von Jes 2,1-5 „frühnachexilisch“ (Kaiser, S.23) ist, dann könnte aber zu jener Zeit in Israel ein Umdenken stattgefunden haben: im Kriegsgott Jahwe geschah die Wende zum Friedensstifter. Zu diesem Gott des Friedens möchte ich vom Gott Rahabs und des Josuabuches weitergehen. Seine neue Verheißung möchte ich weiterverfolgen zu Jesus und zu seinem Gott und Vater und durch ihn unserem Gott und Vater.
Hinführung zur Predigt
Halte ich mich an den Text, muss zum Verständnis einiges zum historischen Hintergrund gesagt werden. Ein Nacherzählen ist etwas schwierig, da „die hebräische Erzählweise nicht den gleichen logischen Gesetzen des historischen Nacheinander folgt“ wie bei uns (Hertzberg, S.20).
Ich kann das Verhalten Rahabs nicht so positiv und kritiklos sehen wie Jos 2, Hebr und Jak und die mir bekannten Predigten. Mich stört, dass Rahab listig nur ihr eigenes Überleben und das ihrer Sippe betreibt und dafür ihre Stadt der Vernichtung preisgibt. Auch das kriegerische Gottesbild im Bekenntnis und besonders in den folgenden Kapiteln lässt mich nicht zu lange bei Rahab verweilen. Ich nehme den Hinweis auf Mt 1,5 auf und gehe weiter in der Heils- und Verheißungsgeschichte Gottes über Jes 2,1-5 zu Jesus. Er stellt uns an die Seite der Hilfebedürftigen und lässt uns aus ihrer Sicht ihre und unsere Situation bedenken und handeln.
Leitsätze:
Gott führt und behütet sein Volk und gibt ihm, was es zum Leben braucht.
Gott erfüllt alle seine Verheißungen und bewahrt seine Schöpfung.
Auf Gottes Führung ist fraglos Verlass; die Frage ist, ob wir uns auf ihn einlassen und ihm vertrauen.
Lieder:
„Such, wer da will, ein ander Ziel“ (EG 346, Wochenlied)
„Nun danket Gott“ (EG 290)
„Gib Frieden“ (EG 430)
„ O Herr, mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens (EG 416, als Lied oder Fürbitte)
Literatur in Auswahl:
C. Westermann, Abriß der Bibelkunde, AT und NT, 1966, S. 74ff. - G. v. Rad, Theologie des Alten Testaments I, 1962, S. 309ff, und II, 1965, S. 154ff. - H. W. Hertzberg, Die Bücher Josua, Richter, Ruth, ATD 9, 1969. - O. Kaiser, Der Prophet Jesaja, Kap. 1-12, ATD 17, 1970. -T. Rösler, Predigtimpulse, DtPfrbl 9/2019, S. 509. - H. M. Dober/J. Hermelink, Predigtstudien, Zweiter Halbband 2018/2019, Josua 2,1-21, S.225-232. - C. Schleef, GottesdienstPraxis, Bd. 4, 2019, Jos 2,1-21, S. 69-77. - S. Bieberstein, Art. Rahab (Person), in: www.wibilex.de, Version 2018 (dort viel Literatur, wie auch sonst im Internet zu Dtn/Dtr., Jos 2, Rahab, Landnahme, Heiliger Krieg, etc.).
Gott hat viele Möglichkeiten
Gott hat viele Möglichkeiten, sein Volk zu führen, es zu bewahren und ihm zu geben, was es zum Leben braucht. In der Wüste zog er am Tage in einer Wolkensäule vor ihm her und bei Nacht in einer Feuersäule, und er hat es mit Manna und Wachteln und Wasser aus dem Felsen ernährt. Nach vierzig Jahren Wüstenwanderung sind die Israeliten endlich an ihrem von Gott bestimmten Ziel. Nur der Jordan trennt sie noch von der ihnen von Gott verheißenen Gabe: dem gelobten Land Kanaan, in dem Milch und Honig fließt. Den Erzvätern Abraham, Isaak und Jakob hatte Gott „zugeschworen“: Euren Nachkommen will ich es geben (Gen 12,7; Dtn. 34,1ff; u.ö.). Gott erfüllt mit der Gabe des Landes seine Verheißungen an sein Volk.
Eigentlich hätte Josua die zwei Männer gar nicht losschicken müssen, um Jericho auszukundschaften. Gott hatte ihm gesagt: mache dich nun auf und zieh über den Jordan, du und dies ganze Volk, in das Land, das ich ihnen, den Israeliten, gegeben habe- gegeben habe: nach Gottes Willen ist das Land schon eingenommen (2,9.24). Es soll dir niemand widerstehen; sei getrost und unverzagt (Jos 1,2-9). Was Gott zusagt, das hält er gewiss. Aber sicher ist sicher- Josua schickt die zwei Kundschafter los.
Rahab und die Kundschafter
Nun wird uns ein Spionage-Thriller erzählt: die beiden Spione landen in einem Haus an der Stadtmauer- ist es ein Freuden- oder Wirtshaus? Der König von Jericho erfährt von ihrer Anwesenheit und schickt seine Leute zu Rahab, der Besitzerin des Hauses. Die hatte die beiden auf das Dach steigen lassen und unter den Flachsstängeln versteckt. Sie täuscht die königlichen Gesandten und rät ihnen, die Fremden, die angeblich die Stadt bereits verlassen hätten, zu verfolgen.
Darauf steigt Rahab zu den Männern auf das Dach und beginnt ihr Gespräch sehr geschickt, indem sie sich zu dem Gott Israels bekennt: Ich weiß, dass der HERR euch das Land gegeben hat; ein Schrecken vor euch ist über uns gefallen. Denn wir haben gehört, wie der HERR das Wasser im Schilfmeer ausgetrocknet hat, und wie ihr an den beiden Königen der Amoriter, Sihon und Og, den Bann vollstreckt habt. Seitdem ist unser Herz verzagt; denn der HERR, euer Gott, ist Gott oben im Himmel und unten auf Erden (Jos 2,9-11). Auch hier: das Land ist bereits in Israels Besitz! Die Verfasser lassen sie das Bekenntnis sprechen, um vor der Landnahme Gottes Größe und Macht zu betonen, um ihr Volk zu ermutigen und bei den Kanaanäern Verzagtheit und Angst zu schüren. Rahab lässt sich nicht einschüchtern.
Listig lässt Rahab sich mit einem Eid das Versprechen geben, dass sie und ihre Familie bei der Eroberung Jerichos vom Bann verschont werden- wie ich euch half, so rettet mich und meine Familie. Ist sie Verräterin oder Retterin? Auch sie geht auf Nummer sicher: Gebt mir ein sicheres Zeichen, dass ihr uns leben lasst. Die Spione willigen ein: Wenn wir die Stadt erobern, knüpfe das rote Seil ins Fenster und versammle deine Familie im Haus. So werdet ihr gerettet. Rahab ist die Bestimmerin: Es sei, wie ihr sagt. Sie gibt ihnen gute Ratschläge für die Flucht: Geht aufs Gebirge und verbergt euch dort drei Tage. Dann lässt sie die Männer mit dem Seil durchs Fenster hinab, ihr Haus lag an der Stadtmauer, und lässt sie gehen. Und sie knüpft das rote Seil ins Fenster.
Es bleiben viele Fragen
Eine spannende Erzählung. Nach dem Josuabuch stürzt die Stadtmauer ein durch das Kriegsgeschrei des Volkes und das Blasen der Widderposaunen; Jericho wird erobert und verbrannt; an allem, jung und alt, Rindern, Schafen und Eseln wird der Bann vollstreckt mit der Schärfe des Schwerts (Jos 6,20ff); die Rahab-Sippe wird verschont und darf in Israel wohnen, aber „außerhalb des Lagers“ (6,23ff; vgl. Hebr 13,12).
Mich stört sehr, dass im Josuabuch weitgehend aus der Perspektive des Kriegsgottes Jahwe und der Eroberer und Sieger erzählt wird. Auch das „Bekenntnis der Rahab“ spricht von Gott als einem Schrecken und dem Vernichter (2,10). Sein Handeln, wie es in den folgenden Kapiteln geschildert wird, macht mir seit je zu schaffen: Gott fordert Angriffs- und Vernichtungskriege und befiehlt den Bann: 6,17-19.21; 8,2; er vertreibt die alteingesessen Völker: 4,10.
Eine grausame Geschichte. Sie wirft viele Fragen auf. Das Anliegen des/der Erzähler ist, die Größe und universale Macht Gottes zu preisen und ihm zu vertrauen. Archäologen und atl. Forscher sind zu dem Ergebnis gekommen, dass es historisch nicht so, wie im Josuabuch geschildert, gewesen ist. Das ist tröstlich. Jericho war zur Zeit der Landnahme eine Ruinenlandschaft, durch Erdbeben und Feuer zerstört und viele der angeblich eroberten Städte existierten nicht mehr oder noch nicht. Die Landnahme geschah über einen längeren Zeitraum im Zuge des Weidewechsels schleichend und nicht so kriegerisch mit einem gesamtisraelitischen Heerbann. Tröstlich, dass die Vollstreckung des Banns nicht wie geschildert so oft und schrecklich gewesen sein soll.
Im alten Israel war wie in der Zeit und Umwelt viel Kriegsgeschrei. Jahwe war der Kriegsgott, der für sein Volk stritt. Aber Israel hat zu allen Zeiten auch um die Barmherzigkeit und Gnade, Güte, Geduld und Treue seines Gottes gewusst und sie gepriesen (Ex 34,6; Ps 103,8, u.ö). Seit 3000 Jahren bis zum heutigen Tag wird um Kanaan/Palästina gestritten und gekämpft (s. die Wahlkampfpropaganda B. Netanjahus, das Westjordanland zu annektieren. Für Kanaan/Palästina wie für unsere Welt gilt: ohne Kompromisse wird es keinen Frieden geben. Das Gegenteil von Kompromissen ist nicht Integrität, sondern Fanatismus und Tod, s. A. Oz bei H.M. Dober, S.228).
Von Josua zu Jesaja
Etwa zur gleichen Zeit wie der des/der Deuteronomisten hat in Israel nach den schmerzlichen Erfahrungen des babylonischen Exils ein Umdenken stattgefunden. Propheten nahmen eine Wende bei Gott, in Gott, wahr: die Wandlung Jahwes vom Kriegsgott zum Friedensstifter, wie uns die letzte frühnachexilische Fassung von Jes 2,1-5 bezeugt. Da wir Menschen offenbar nicht fähig sind, Frieden zu schaffen und zu halten, wird Gott selbst „zur letzten Zeit“ durch ein Naturwunder den kleinen Zionsberg in Jerusalem höher als alle Berge schaffen; alle Heiden werden herzulaufen, um sich in den Wegen und Weisungen des Gottes Israels unterrichten zu lassen.
„Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen…, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen“ (Jes 2,4).
Eine große, wunderbare Verheißung für unsere Welt. Wann lässt Gott sie Wirklichkeit werden? Wir brauchen solche Visionen, um unseren Alltag auszuhalten mit seiner Gewalt und den vielen regionalen Kriegen und Anschlägen. Die Völker werden den Frieden erst „zur letzten Zeit“ erfahren. Die Gemeinde Gottes soll aber jetzt schon im Lichte des Herrn wandeln (Jes 2,5), indem sie sein Evangelium von seiner vergebenden Gnade und Liebe in unsere gnadenlose Zeit hinausträgt, Unrecht beim Namen nennt, für Gerechtigkeit eintritt und Frieden schafft ohne Waffen.
In der Nachfolge Jesu kamen Menschen in Leipzig und anderswo in Kirchen zusammen, sangen ihre Friedenslieder, beteten und zündeten Kerzen an, die sie auf die Straßen trugen, während die Staatsmacht in den Seitenstraßen ihre Panzer und Kampftruppen konzentrierte. Ohne Gewaltanwendung erwiesen sich die Gebete und die Kerzen in den Händen der Menschenketten mächtiger als die Kriegswaffen. Von vielen Menschen wird der gewaltfreie Fall der Berliner Mauer und die friedliche Revolution 1989, vor 30 Jahren!, auch heute noch als ein Wunder angesehen.
Von Rahab zu Jesus
Das Verhalten Rahabs, der Fremden, wird im Neuen Testament als Tat des Glaubens (Hebr 11,31) und als Beispiel für einen tätigen Glaubens gesehen (Jak 2,25). Mir gefällt das Verhalten einer anderen Fremden besser- der namenlosen kanaanäischen Frau im Evangelium zum heutigen Sonntag. Sie überlistet nicht, sondern überwindet Jesus durch ihren Glauben, und er überwindet sich und bezeugt ihr: Frau, dein Glaube ist groß.
Dass Rahab als Mutter des Boas und Urgroßmutter des Königs David eine Vorfahrin Jesu geworden ist, ist Gottes eigentümliches Handeln, das auch auf krummen Wegen zu seinem Ziel führt. Auf Jesus wollen wir schauen. Er hat ganz aus der Liebe und im Vertrauen zu seinem Vater im Himmel gelebt und gehandelt. Rahab durfte Gottes schillerndes Werkzeug sein, in Jesus ist Gott einer von uns geworden.
Wir bekennen Jesus als Gottes Sohn und Messias, der nicht auf Heeresmacht und Waffen setzte, sondern in der Kraft des Geistes Gottes und seines Wortes uns lehrte, immer weniger Gewalt zu üben, immer mehr auf überflüssige Güter zu verzichten. Jesus wollte nicht wie Rahab allein und zuerst sich selbst retten, sondern stellte sich an die Seite der Hilfebedürftigen und Zukurzgekommenen und sah mit ihren Augen aus ihrer Perspektive ihre Not. So sollen auch wir es machen: mit den Augen der Mitmenschen ihre Not sehen und nicht fragen: wer ist mein Nächster, sondern: wem soll und muss ich jetzt zum Nächsten werden und ihm beistehen (Lk 10,25-37)?
Gott handelt auch heute, um seine Schöpfung zu erhalten
Unsere Welt ist sehr bedroht durch Unmassen an atomarem, biologischem, chemischem Vernichtungspotential. Unsere Zeit, wie auch unsere Kirche, hat viele Probleme. Als das größte wird momentan die Klimaänderung genannt. Es sind nicht die Machthaber, die uns Hoffnung machen. Ein 16jähriges Mädchen, Greta Thunberg, wird zum Gesicht einer globalen Umwelt-Bewegung. Sie setzt Millionen Menschen, vor allem auch Jugendliche, in Bewegung, die ihre Protest-Aktion „Fridays for Future“ unterstützen. In ihrer mutigen, beispiellosen, emotionalen Wut-Rede vor dem UN-Klimagipfel in New York am 23. September wirft sie Staatschefs und Politikern Desinteresse und Versagen vor. Sie bringt viele Menschen zum Nachdenken darüber, was sie zur Erhaltung und Rettung unserer Welt beitragen können.
Auf Strohhalme, Wattestäbchen, Tüten aus Plastik zu verzichten, genügt nicht. Wir müssen wie Gott eine Wende in uns vollziehen, durch ihn unsere Herzen verändern lassen und umdenken und im Geiste Gottes und Jesu handeln. Eine andere Lebensweise als Gewalt und Terror, eine andere Gesinnung als selbstzufriedenes Eigeninteresse und Profitstreben und gleichgültiges Wegschauen hat uns Gott in Jesus vorgelebt.
Unser Dennoch des Glaubens zur Führung Gottes
Gottes Wirken können wir nicht dingfest machen und darüber verfügen. Angesichts des Elends und der Bedrohung fällt es uns vielleicht schwer, mitzusingen: Gott sitzt im Regimente und führet alles wohl (EG 361,7). Gott dennoch mit ganzem Herzen zu lieben und allein auf ihn unser Vertrauen zu setzen, auch wo wir ihn nicht verstehen, lernen wir von Jesus. Er ist der Bürge Gottes, dass Gott uns und seine Schöpfung nicht dem Untergang preisgibt, auch wenn wir seine guten Gaben nicht gut pflegen und bewahren.
Wir dürfen glauben und bekennen: was Gott uns zusagt, das hält er gewiss. Er erfüllt nicht immer unsere Bitten und Wünsche. Er tut dann, was besser ist für uns. Gott steht zu allen seinen Versprechen: dass er unser Gott sein will, der uns seine Wege zu seinem Ziel führt, der seine Gebote und Weisungen in unser Herz schreibt und seinen Engeln befiehlt, uns zu behüten auf allen unseren Wegen. Jede und jeder von uns erfährt Gottes gnädige Zuwendung und Führung Tag für Tag. Davon sollten wir einander erzählen! – Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus, dem Christus Gottes.
Der Predigttext ist neu in die Predigtreihe aufgenommen worden, weil die Urmutter von David und Jesus, Rahab ,die Hauptrolle spielt. Der Text ist sehr anspruchsvoll für eine Predigt. Rahab belügt ihr Volk , um ihre Familie zu retten. Vor allem dominiert im Text in erster Linie Jahwe als Kriegsgott für die Eroberung Kanaans. Pastor Albrecht hat heute im Lübecker Exegese-Kreis noch über seine Auslegung gesprochen und die besonderen Schwierigkeiten einer christlichen Predigt darüber gezeigt. Wir stimmten ihm weitgehend zu, dass man zuerst die spannende, aber grausame Erzählung der Gemeinde vor Augen führen sollte. Dann spricht der Pastor darüber, dass Jahwe nicht nur die kriegerische Eroberung gefördert hatte, sondern auch treu und barmherzig war. Bei Jesaja gibt es schon die Friedensverheißung für alle Völker wie bei Jesus. Ganz vorbildlich spricht der Prediger dann von der friedlichen, christlich motivierten Revolution 1989. Jesus ist unser Vorbild, auch für die heutige Klima-Bedrohung. Durch Jesus führt Gott seine Wege zum Ziel. Ich meine, dass Pastor Albrecht vorbildlich eine Möglichkeit zeigt, den sehr anspruchsvollen Text ermutigend und hoffnungsfroh und christlich zu verkündigen.