Predigt

„Frieden schaffen ohne Waffen“

Gott stellt uns an die Seite der Hilfebedürftigen und lässt uns aus ihrer Sicht ihre und unsere Situation bedenken und handeln

PredigttextJosua 2,1-21 (mit Exegese)
Kirche / Ort:Lübeck
Datum:13.10.2019
Kirchenjahr:17. Sonntag nach Trinitatis
Autor:Pastor em. Rudolf Albrecht

Predigttext: Josua 2,1-21 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 2017)

1 Josua aber, der Sohn Nuns, sandte von Schittim zwei Männer heimlich als Kundschafter aus und sagte ihnen: Geht hin, seht das Land an, auch Jericho. Die gingen hin und kamen in das Haus einer Hure, die hieß Rahab, und kehrten dort ein. 2 Da wurde dem König von Jericho angesagt: Siehe, es sind in dieser Nacht Männer von den Israeliten hereingekommen, um das Land zu erkunden. 3 Da sandte der König von Jericho zu Rahab und ließ ihr sagen: Gib die Männer heraus, die zu dir in dein Haus gekommen sind; denn sie sind gekommen, um das ganze Land zu erkunden. 4 Aber die Frau nahm die beiden Männer und verbarg sie. Und sie sprach: Ja, es sind Männer zu mir hereingekommen, aber ich wusste nicht, woher sie waren. 5 Und als man das Stadttor schließen wollte, da es finster wurde, gingen die Männer hinaus, und ich weiß nicht, wo sie hingegangen sind. Jagt ihnen eilends nach, dann werdet ihr sie ergreifen. 6 Sie aber hatte sie auf das Dach steigen lassen und unter den Flachsstängeln versteckt, die sie auf dem Dach ausgebreitet hatte. 7 Die Verfolger aber jagten ihnen nach auf dem Wege zum Jordan bis an die Furten, und man schloss das Tor zu, als sie draußen waren.

8 Und ehe die Männer sich schlafen legten, stieg Rahab zu ihnen hinauf auf das Dach9 und sprach zu ihnen: Ich weiß, dass der HERR euch das Land gegeben hat; denn ein Schrecken vor euch ist über uns gefallen, und alle Bewohner des Landes sind vor euch feige geworden. 10 Denn wir haben gehört, wie der HERR das Wasser im Schilfmeer ausgetrocknet hat vor euch her, als ihr aus Ägypten zogt, und was ihr den beiden Königen der Amoriter, Sihon und Og, jenseits des Jordans getan habt, wie ihr an ihnen den Bann vollstreckt habt. 11 Und seitdem wir das gehört haben, ist unser Herz verzagt und es wagt keiner mehr, vor euch zu atmen; denn der HERR, euer Gott, ist Gott oben im Himmel und unten auf Erden. 12 So schwört mir nun bei dem HERRN, weil ich an euch Barmherzigkeit getan habe, dass auch ihr an meines Vaters Hause Barmherzigkeit tut, und gebt mir ein sicheres Zeichen, 13 dass ihr leben lasst meinen Vater, meine Mutter, meine Brüder und meine Schwestern und alles, was sie haben, und uns vom Tode errettet.

14 Die Männer sprachen zu ihr: Tun wir nicht Barmherzigkeit und Treue an dir, wenn uns der HERR das Land gibt, so wollen wir selbst des Todes sein, sofern du unsere Sache nicht verrätst.

15 Da ließ Rahab sie an einem Seil durchs Fenster hinab; denn ihr Haus war an der Stadtmauer, und sie wohnte an der Mauer. 16 Und sie sprach zu ihnen: Geht auf das Gebirge, dass eure Verfolger euch nicht begegnen, und verbergt euch dort drei Tage, bis zurückkommen, die euch nachjagen; danach geht eures Weges.

17 Die Männer aber sprachen zu ihr: So wollen wir den Eid einlösen, den du uns hast schwören lassen: 18 Wenn wir ins Land kommen, so sollst du dies rote Seil in das Fenster knüpfen, durch das du uns herabgelassen hast, und zu dir ins Haus versammeln deinen Vater, deine Mutter, deine Brüder und deines Vaters ganzes Haus. 19 So soll es sein: Wer zur Tür deines Hauses herausgeht, dessen Blut komme über sein Haupt, aber wir seien unschuldig; doch das Blut aller, die in deinem Hause bleiben, soll über unser Haupt kommen, wenn Hand an sie gelegt wird. 20 Und wenn du etwas von dieser unserer Sache verrätst, so sind wir frei von dem Eid, den du uns hast schwören lassen.

21 Sie sprach: Es sei, wie ihr sagt!, und ließ sie gehen. Und sie gingen weg. Und sie knüpfte das rote Seil ins Fenster.

Exegetische Überlegungen

Jos 2 ist eine theologische Rückbesinnung des/der Deuteronomisten 600-700 Jahre nach den Ereignissen aus (nach)exilischer Zeit, wie Jahwe sein Volk geführt hat. Es passt inhaltlich nichtnach Kapitel 1, und die folgenden Kriegsberichte sind historisch ungenau, z.B. war Jericho zur Zeit der Landnahme eine Ruinenlandschaft.

Der Erzählung liegt eine Erinnerung an eine Sippe Rahab in Jericho zugrunde, die während der Ausrottung ihrer Stadt gerettet worden war. Warum hat sie und ihre Sippe überlebt? Darauf antwortet Jos 2: weil sie die Kundschafter rettete und sich zum Gott Israels bekannte. Das wird wie ein Spionagethriller spannend erzählt. Die Ungereimtheiten, Doppel- und Mehrdeutigkeiten (z.B. von schahab, sich hinlegen) interessierten den/die Erzähler nicht, deshalb bleibt vieles unklar, z.B.: war Rahab eine Hure oder Wirtin; ist das rote Seil Zeichen des Vertrauens oder des Verrats oder ein Hinweis auf ein Bordell?

Im Zentrum der ätiologischen Sage steht Rahabs Bekenntnis zur universalen Herrschaft des Gottes Israels (2,9-11). Jos 2 will bezeugen: Gott war der entscheidend Handelnde bei der Eroberung Kanaans. Wie in Jos 2 wird Rahab auch im Neuen Testament kritiklos positiv gesehen. Als Mutter des Boas und Urgroßmutter Davids gelangte sie in den Stammbaum Jesu: Mt 1,5. In Hebr 11,31wird sie unter die „Wolke von Zeugen“ gestellt und ihr Verhalten als Tat des Glaubens gesehen. Jak 2,25 ist sie Beispiel für einen tätigen Glauben. Hier ist die Verbindung zum Wochenspruch: Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat. Ebenso zum Evangelium des Sonntags Mt 15,21-28: Frau, dein Glaube ist groß. In den Kommentaren, Meditationen, Predigten werden Rahabs Charakterstärke, Entschlossenheit, Klugheit betont. Da ist bisweilen viel Spekulation.

Da Gott auch im ‚Rahab-Bekenntnis‘ ein Schrecken und Vernichter ist (Vers 10), vermag ich nicht zu sagen, ob für den/die Deuteronomisten Jos 2 ein subtiler „Anti-Kriegsbericht“ (Knauf bei Hermelink, S.231) war. Israels Gott war über weite Teile ein Kriegsgott und der eigentliche Kriegsherr. Es war viel Kriegsgeschrei in Israel (6,5.10b.16.20, u.ö.).

Wenn die letzte Fassung von Jes 2,1-5 „frühnachexilisch“ (Kaiser, S.23) ist, dann könnteaber zu jener Zeit in Israel ein Umdenken stattgefunden haben: im Kriegsgott Jahwe geschah die Wende zum Friedensstifter. Zu diesem Gott des Friedens möchte ich vom Gott Rahabs und des Josuabuches weitergehen. Seine neue Verheißung möchte ich weiterverfolgen zu Jesus und zu seinem Gott und Vater und durch ihn unserem Gott und Vater.

Hinführung zur Predigt

Halte ich mich an den Text, muss zum Verständnis einiges zum historischen Hintergrund gesagt werden. Ein Nacherzählen ist etwas schwierig, da „die hebräische Erzählweise nicht den gleichen logischen Gesetzen des historischen Nacheinander folgt“ wie bei uns (Hertzberg, S.20).

Ich kann das Verhalten Rahabs nicht so positiv und kritiklos sehen wie Jos 2, Hebr und Jak und die mir bekannten Predigten. Mich stört, dass Rahab listig nur ihr eigenes Überleben und das ihrer Sippe betreibt und dafür ihre Stadt der Vernichtung preisgibt. Auch das kriegerische Gottesbild im Bekenntnis und besonders in den folgenden Kapiteln lässt mich nicht zu lange bei Rahab verweilen. Ich nehme den Hinweis auf Mt 1,5 auf und gehe weiter in der Heils- und Verheißungsgeschichte Gottes über Jes 2,1-5 zu Jesus. Er stellt uns an die Seite der Hilfebedürftigen und lässt uns aus ihrer Sicht ihre und unsere Situation bedenken und handeln.

Leitsätze:

Gott führt und behütet sein Volk und gibt ihm, was es zum Leben braucht.

Gott erfüllt alle seine Verheißungen und bewahrt seine Schöpfung.

Auf Gottes Führung ist fraglos Verlass; die Frage ist, ob wir uns auf ihn einlassen und ihm vertrauen.

Lieder:

„Such, wer da will, ein ander Ziel“ (EG 346, Wochenlied)

„Nun danket Gott“ (EG 290)

„Gib Frieden“ (EG 430)

„ O Herr, mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens (EG 416, als Lied oder Fürbitte)

Literatur in Auswahl:

C. Westermann, Abriß der Bibelkunde, AT und NT, 1966,S. 74ff. - G. v. Rad, Theologie des Alten Testaments I, 1962, S. 309ff, und II, 1965, S. 154ff. - H. W. Hertzberg, Die Bücher Josua, Richter, Ruth, ATD 9, 1969. - O. Kaiser, Der Prophet Jesaja, Kap. 1-12, ATD 17, 1970. -T. Rösler, Predigtimpulse, DtPfrbl 9/2019, S. 509. - H. M. Dober/J. Hermelink, Predigtstudien, Zweiter Halbband 2018/2019, Josua 2,1-21, S.225-232. - C. Schleef,GottesdienstPraxis, Bd. 4, 2019, Jos 2,1-21, S. 69-77. - S. Bieberstein, Art. Rahab (Person), in: www.wibilex.de, Version 2018 (dort viel Literatur, wie auch sonst im Internet zu Dtn/Dtr., Jos 2, Rahab, Landnahme, Heiliger Krieg, etc.).

Neuigkeiten

Aus den Quellen schöpfen

Die mit exegetischen Impulsen, Gebeten und einem Essay zu "Exegese und Homiletik" verbundenen Auslegungen wissen sich in einer weltweiten Communio, die "aus den Quellen des Heils" schöpft (Jesaja 12,3)... mehr lesen

Herzlich willkommen!

Neuauftritt Heidelberger Predigt-Forum mehr lesen

Alle Neuigkeiten lesen

Spenden

Die Nutzung des Heidelberger Predigt-Forums ist kostenlos. Das Redaktionsteam arbeitet ehrenamtlich. Kosten entstehen für Hosting sowie professionelle Websitepflege. Durch Ihren Obolus helfen Sie uns bei der Finanzierung.

Überweisung jetzt per paypal und flattr möglich.
Vielen Dank.
Heinz Janssen
Heidelberger Predigt-Forum