Geben und empfangen

Auf Spuren der Liebe

Predigttext: Markus 10,35-35
Kirche / Ort: Eberbach b. Heidelberg
Datum: 22.03.2015
Kirchenjahr: Judika (5. Sonntag der Passionszeit)
Autor/in: Pfarrerin Anja Kaltenbacher

Predigttext : Markus 10,35-45 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

35 Da gingen zu ihm Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, und sprachen: Meister, wir wollen, dass du für uns tust, um was wir dich bitten werden. 36 Er sprach zu ihnen: Was wollt ihr, dass ich für euch tue? 37 Sie sprachen zu ihm: Gib uns, dass wir sitzen einer zu deiner Rechten und einer zu deiner Linken in deiner Herrlichkeit. 38 Jesus aber sprach zu ihnen: Ihr wisst nicht, was ihr bittet. Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinke, oder euch taufen lassen mit der Taufe, mit der ich getauft werde? 39 Sie sprachen zu ihm: Ja, das können wir. Jesus aber sprach zu ihnen: Ihr werdet zwar den Kelch trinken, den ich trinke, und getauft werden mit der Taufe, mit der ich getauft werde; 40 zu sitzen aber zu meiner Rechten oder zu meiner Linken, das steht mir nicht zu, euch zu geben, sondern das wird denen zuteil, für die es bestimmt ist. 41 Und als das die Zehn hörten, wurden sie unwillig über Jakobus und Johannes. 42 Da rief Jesus sie zu sich und sprach zu ihnen: Ihr wisst, die als Herrscher gelten, halten ihre Völker nieder, und ihre Mächtigen tun ihnen Gewalt an. 43 Aber so ist es unter euch nicht; sondern wer groß sein will unter euch, der soll euer Diener sein; 44 und wer unter euch der Erste sein will, der soll aller Knecht sein. 45 Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und sein Leben gebe als Lösegeld für viele.

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Im Vordergrund des Predigttextes steht das Gespräch zwischen Jesus, Jakobus und Johannes, in dessen Verlauf deutlich wird, was Nachfolge und Jüngerschaft bedeuten. Die beiden werden von Jesus daran erinnert, dass in Seiner Gegenwart ganz andere Werte, Maßstäbe und Verhaltensweisen gelten : Bei Ihm sollen sich die Menschen nicht gegenseitig beherrschen oder sich einer über den anderen stellen. Vielmehr soll derjenige, der unter ihnen groß sein will, den anderen ein Diener sein. Interessanterweise erwähnt die Bibel die Reaktion der Zebedäus-Brüder nicht weiter. Vielleicht haben sie sich verwundert und verständnislos angeschaut, schließlich stand das, was Jesus ihnen sagte, völlig konträr zu dem, was sie in ihrem unmittelbaren Umfeld, in der streng hierarchisierten Gesellschaft des ersten Jahrhunderts, erlebten : Hier gab es ganz « natürlich » Herren und Diener : Menschen, die ihre Macht und ihr Ansehen ausnutzten, sich nahmen, was ihnen unhinterfragt zustand und nach Lust und Laune, eigenem Gutdünken und Idealen lebten und regierten – und andere, die sich hinab beugten, um ihnen die Schuhe zuzubinden, gesenkten Blickes die vielen Befehle ausführten und ihre eigenen Gefühle und Gedanken tief in ihrem Herzen verschlossen…

Vielleicht aber fühlten sich Jakobus und Johannes auch peinlich berührt, denn als Jünger Jesu, noch dazu als diejenigen, die gemeinsam mit Petrus eigentlich fast immer in Seiner Nähe gewesen waren und eine ganz besonders enge Beziehung zu Ihm pflegten, hatten sie in Bildern und Gleichnissen schon oft von Gottes Reich gehört und es, zumindest anteilhaft und exemplarisch, immer wieder selbst erlebt und erfahren. Immer und immer wieder hatte Jesus, nicht nur den Zwölfen, sondern auch den anderen Menschen, den von der Gesellschaft Ausgeschlossenen und Verschmähten, aber auch den scheinbar Frommen und Klugen, in Worten und Taten die Liebe Gottes gezeigt, hatte Blinde und Aussätzige geheilt, Kinder gesegnet, Frauen vor aller Augen wertgeschätzt, Sünden vergeben und den Jüngern die Füße gewaschen. Er hatte ihnen gedient, mit Liebe, Geduld und Hingabe. Und das, ohne auf einen entsprechenden Ausgleich zu pochen oder eine adäquate Gegenleistung zu beanspruchen. Er hatte sich im wahrsten Sinne des Wortes verschenkt und zumindest vordergründig nichts damit gewonnen. Wie ein Verbrecher wurde Er ans Kreuz genagelt. Er gab Sein Leben als Lösegeld für Viele, mußte sterben, damit wir leben – und sollte von Gott nicht vergessen werden. Mit Seiner Auferstehung jedoch hat Gott den Tod ein für allemal überwunden , hat ihm all seine Macht genommen und uns den Weg bereitet zu einem Leben in Heil und Fülle , zu einem ewigen Leben in Seiner Gegenwart, in Seiner Liebe und Geborgenheit.

Zwischen den Zeilen geht es bei unserem Bibeltext auch um die Spannung von Geben und Empfangen, Dienen und Beschenkt-Werden. Jesus selbst hat gegeben und empfangen : Er diente und wurde beschenkt. Wichtig scheint mir dabei nicht die Frage zu sein, ob man das eine mit dem anderen « bezahlen » oder aufwerten kann, sondern vor allem die enge Verbindung zwischen den beiden Seiten, die wir hin und wieder in unserem eigenen Alltag auch selbst spüren und erfahren können : ich persönlich z.B. dann, wenn ich für meine Lieben tagelang Geschenke bastele oder aussuche : Immer möchte ihnen (nämlich) etwas ganz Besonderes schenken, es muss nicht viel kosten, aber es soll persönlich sein, etwas, das sie ganz besonders freut und meine Gefühle auf « sprechende » Art und Weise ausdrückt : Liebe, Freundschaft oder tiefe Verbundenheit. Oft und wie zum Antrieb stelle ich mir dann in dieser Zeit immer wieder ihre Gesichter vor, ihr Lächeln und ihre blitzenden Augen, die letztendlich für mich meistens der schönste Dank sind. Ähnlich ist es, wenn ich im Rahmen meiner Arbeit oder in meiner Freizeit mit Kindern und Senioren zusammen bin : Obwohl ich ihnen meistens « nur » meine Zeit, meine Aufmerksamkeit, mein Spielen und Zuhören, meine Phantasie oder ein paar tröstende Worte schenke, empfange ich in diesen Begegnungen unglaublich viel an menschlicher Wärme, Herzlichkeit und Dankbarkeit und gehe oft glücklich und im wahrsten Sinne des Wortes « beschenkt » nach Hause. Wahrscheinlich kennen auch Sie selbst, solche Situationen.

Im « Doppelgebot der Liebe heißt es : « Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt. Dies ist das höchste und größte Gebot. Das andere aber ist dem gleich: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst«. Die Formulierung « Du sollst… » hört sich, genau wie bei den ZehnGeboten, für unsere Ohren sehr befehlend und gebieterisch an. Natürlich ist das Gesagte in gewisser Weise ein Anspruch, eine Aufforderung Gottes an uns Menschen, die Luther eben entsprechend übersetzt hat. Im Hebräischen jedoch steht wortwörtlich die Wendung « Du wirst den Herrn, deinen Gott lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt. Dies ist das höchste und größte Gebot. Das andere aber ist dem gleich: »Du wirst deinen Nächsten lieben wie dich selbst«. In dieser Übersetzung kommt, so finde ich, der begründende Zusammenhang noch besser zur Geltung : Gerade, weil ich Gott liebe, werde ich meinen Nächsten lieben, denn Er selbst hat uns zuerst geliebt, hat uns in Jesus Christus Seine Liebe geschenkt und uns ermutigt, sie weiterzugeben. Gottes- und Menschenliebe sind immer (und überall in der Bibel) eng miteinander verbunden, einerseits als Anspruch, andererseits als eine Art Zusage, denn im Leben, Sterben und Auferstehen Jesu wurde vor allem eines deutlich : Er, der Knechtsgestalt angenommen hatte, hat uns gedient, und Er, der am Kreuz erniedrigt wurde, wurde von Gott erhöht. Jesus Christus hat Sein Leben für uns gegeben – und das ewige Leben empfangen von einem Gott, der es gut mit den Menschen meint, der von Anfang an war und bis in alle Ewigkeit sein wird und die ewige Liebe ist und bleibt. Ihm dürfen wir vertrauen und nachfolgen heute, morgen und allezeit.

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