„Geistvoll“ Einheit in der Vielfalt leben
Unterschiedlichkeit ist nichts, was uns trennt
Predigttext | Epheser 4,(1-6)11-15 (16) (mit Einführung) |
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Kirche / Ort: | Nünschweiler |
Datum: | 20.05.2024 |
Kirchenjahr: | Pfingstmontag |
Autor: | Pfarrerin Anke Andrea Rheinheimer |
Predigttext: Epheser 4,(1-6)11-15 (16) – Übersetzung nach Martin Luther, Revision 2017
[1 So ermahne ich euch nun, ich, der Gefangene in dem Herrn, dass ihr der Berufung würdig lebt, mit der ihr berufen seid, 2 in aller Demut und Sanftmut, in Geduld. Ertragt einer den andern in Liebe 3 und seid darauf bedacht, zu wahren die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens: 4 ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen seid zu einer Hoffnung eurer Berufung; 5 ein Herr, ein Glaube, eine Taufe; 6 ein Gott und Vater aller, der da ist über allen und durch alle und in allen.]
11 Und er selbst gab den Heiligen die einen als Apostel, andere als Propheten, andere als Evangelisten, andere als Hirten und Lehrer, 12 damit die Heiligen zugerüstet werden zum Werk des Dienstes. Dadurch soll der Leib Christi erbaut werden, 13 bis wir alle hingelangen zur Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes, zum vollendeten Menschen, zum vollen Maß der Fülle Christi, 14 damit wir nicht mehr unmündig seien und uns von jedem Wind einer Lehre bewegen und umhertreiben lassen durch das trügerische Würfeln der Menschen, mit dem sie uns arglistig verführen. 15 Lasst uns aber wahrhaftig sein in der Liebe und wachsen in allen Stücken zu dem hin, der das Haupt ist, Christus. [16 Von ihm aus wird der ganze Leib zusammengefügt und zusammengehalten durch jede Verbindung, die den Leib nährt mit der Kraft, die einem jeden Teil zugemessen ist. So wächst der Leib und erbaut sich selbst in der Liebe.]
Homiletische Vorbemerkungen
Kirchenjahreszeitlich bewegen wir uns am Pfingstmontag am Ende der österlichen Freudenzeit. Seit Ende des vierten Jahrhunderts wird das Pfingstfest 50 Tage nach Ostern gefeiert. Daher auch der Name: „pentekoste“ griechisch für „der fünfzigste (Tag).“ So waren nach Apg 2 die Jünger Jesu am jüdischen Wochenfest, Schawuot, dem jüdischen Erntefest, das am fünfzigsten Tag nach dem Passafest gefeiert wird, miteinander in Jerusalem versammelt, und es kam zur wunderbaren Geistausgießung. Auch an Pfingsten wird also der Rückbezug zur hebräischen Tora greifbar.
Wie die anderen beiden christlichen Hochfeste, Weihnachten und Ostern, wird auch Pfingsten in Deutschland „doppelt“ gefeiert: der Pfingstmontag verlängert den eigentlichen Festtag und betont seine Wichtigkeit. Schon in der Weimarer Reichsverfassung von 1919 war er gesetzlich ein arbeitsfreier Feiertag. (Quelle: www.ekd.de).
Heutzutage ist vielen Menschen die christliche Bedeutung von Pfingsten als Fest des Heiligen Geistes und „Geburtstag der Kirche“ und Fest des Glaubens jedoch kaum mehr bewusst. Auch für Gläubige bleibt das Geheimnis der Trinität oft seltsam abstrakt. Doch Pfingsten könnte hochaktuell sein, denn es ist entscheidend, in welchem Geist wir zusammenleben – gesellschaftlich und in Kirche und Gemeinde – ob im Geist der Toleranz und des Gemeinsinns oder im Ungeist der Spaltung und der Polarisierung.
Jahreszeitlich sind wir an Pfingsten mitten im „Wonnemonat Mai“, in der schönsten Zeit im Jahr, im Frühling. So verbindet sich die Freude über Gottes Geist mit der Freude am Überfluss der frühlingshaften Natur um uns herum, dem Sprießen des frischen Grüns und der bunten Blüten an Bäumen, Sträuchern und Blumen wie der sog. Pfingstrose.
Die Pfingstbotschaft verbindet Menschen jenseits aller trennenden Grenzen von Sprache, Kultur, Ethnie und Herkunft (Apg 2) und hat damit auch konfessionsverbindenden Charakter. So bieten sich gerade an Pfingstmontag ökumenische Gottesdienste in der lokalen Ökumene an, wie es auch in vielen Kirchengemeinden üblich ist.
Exegetische Anmerkungen
Beim Epheserbrief handelt es sich nach exegetischer Mehrheitsmeinung um eine pseudepigraphische, deuteropaulinische Schrift, die sich als Brief des Apostels Paulus aus der Gefangenschaft in Ephesus ausgibt. Das Fehlen der Ortsangabe „in Ephesus“ (Eph 1,1) in wichtigen Handschriften zeigt, dass es sich dabei allerdings um eine sekundäre, nachträgliche Einfügung handelt.
Literarisch ist der Epheserbrief vom Kolosserbrief abhängig, der als Vorlage gedient haben könnte. (s. U. Schnelle, 363). Darauf deuten wörtlich übereinstimmende Stellen hin und ebenso die Makrostruktur mit der Zweiteilung in einen lehrhaften und einen paränetischen, also ermahnenden Teil, der aus der grundgelegten Theologie und Ekklesiologie Schlüsse für das konkrete Verhalten der Gläubigen zieht.
Beim Verfasser handelt es sich vermutlich um einen hellenistischen Judenchristen im kleinasiatischen Raum, der fest auf dem Grund der paulinischen Theologie steht, die auch für sein Kirchenverständnis konstitutiv ist (vgl. U. Schnelle, S. 364, der mit H. Merklein „die normative Funktion des Paulus für das Traditionsverständnis des Briefes“ festhält). Im Unterschied zu den „echten“ Paulusbriefen (Proto-Paulinen), behandelt er keine konkreten, speziellen Fragestellungen oder Missstände in einer bestimmten Ortsgemeinde, sondern hat den Charakter eines theologischen Traktats oder „Lehr- und Ermahnungsschreibens“ (F. Hahn, S. 255).
Der Epheserbrief ist eine „testamentarische Mahnrede“ (K. Berger, S. 705), die sich als „Zirkularschreiben“ (U. Schnelle, S. 355) an mehrere kleinasiatische, paulinischen Missionsgemeinden gerichtet haben könnte. Wichtig ist dem Schreiber, angesichts von offensichtlichen Spannungen und einer gegenseitigen Entfremdung, die mehrheitlich heidenchristlichen Gemeindeglieder im kleinasiatischen Raum im Sinne des Paulus noch einmal an das Konzept einer universalen, geeinten Kirche zu erinnern, in der geborene Juden- und Heidenchristen versöhnt zusammenleben.
Daher sind für ihn auch die Verkündigungs-, Lehr- und Leitungsämter (Apostel, Propheten, Evangelisten, Hirten und Lehrer, Eph 4,11) in der Gemeinde so wichtig, die als Garanten der rechten Lehre und der Einheit des Glaubens in der Tradition des Paulus fungieren sollen (K. Berger, S. 706: „… die Apostel und Propheten sind …. Bollwerk gegen den Irrtum“). Diese ausdifferenzierten Dienstämter zeigen genauso wie die religiös plurale Situation der christlichen Gemeinden, sowie die geänderte Gemeindestruktur im Hintergrund, dass wir uns mit dem Epheserbrief, was die Abfassungszeit betrifft, bereits in nach-paulinischer, frühkatholischer Zeit bewegen, also in den Jahren ca. 80-90. Jedoch nicht später als die Ignatiusbriefe, die den Epheserbrief bereits kennen (Bischof Ignatius von Antiochien starb 107 n.Chr. in Rom den Märtyrertod, was als terminus ad quem anzunehmen ist.)
Für die HeidenchristInnen in Kleinasien war es eine Zeit der religiösen Verunsicherung in einer religionsgeschichtlich komplexen Gemengelage, in der sie sowohl von heidnischen Kulten wie dem Artemis-Kult umgeben waren, als auch Umtriebe gnostischer Spekulation zu Glaubensunsicherheit und theologischer Verwirrung in den Gemeinden führten (so W. Klaiber, S. 25: „Bedrohung durch die so genannte Gnosis“; vgl. dazu Eph 4,14: 14 „damit wir nicht mehr unmündig seien und uns von jedem Wind einer Lehre bewegen und umhertreiben lassen durch das trügerische Würfeln der Menschen, mit dem sie uns arglistig verführen“).
Demgegenüber hält der Schreiber des Epheserbriefs als Paulusschüler an der Einheit des Glaubens, der Einigkeit im Geist und der Einheit der Kirche als dem einen Leib Christi fest, dessen Haupt Christus ist. Diese Einigkeit sollen die Gläubigen untereinander bewahren „durch das Band des Friedens“ und in gegenseitiger Akzeptanz und Toleranz unter der Maxime „Ertragt einer den anderen in Liebe.“ (Eph 4,2). Mit eindrücklichen Einheitsformeln schärft er den Gläubigen ein, was die eine Kirche als Leib Christi ausmacht, deren Teil sie sind in all ihrer Verschiedenheit: es ist „ein Leib und ein Geist, …eine Hoffnung, … ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, der da ist über allen und durch alle und in allen.“ (Eph 4,4-6).
Literatur
Berger, Klaus, Kommentar zum Neuen Testament, Gütersloh ²2023 Hahn, Horst, Aus Jerusalem für alle Welt. Eine Einführung in das Neue Testament, Speyer 2017 Klaiber, Walter, Einführung in das Neue Testament. Seine Entstehung und seine Schriften (Reihe: Wissenswertes zur Bibel 4), Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart, 2003 (aktualisierte Neuausgabe) Schnelle, Udo, Einleitung in das Neue Testament, Göttingen 1994.
Lieder
„Schmückt das Fest mit Maien“ (EG 135 „Erneure mich, o ewig(e)s Licht“ (390) „Strahlen brechen viele aus einem Licht“ (268) „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen“ (131, Gebetsruf im Fürbittgebet) „Atme in uns, Heiliger Geist“ (EG.E 7)