Der Engel unserer Gemeinde. Kennen Sie den? Wissen sie überhaupt, dass es ihn gibt? Ich selbst wurde erst durch unseren Predigttext darauf aufmerksam, dass christliche Gemeinden eigene Engel haben. Es fällt nämlich auf, dass alle Sendschreiben an Gemeinden in Kleinasien, die uns der Seher Johannes in seinem Offenbarungsbuch überliefert, an die jeweiligen Engel dieser Gemeinden geschickt werden. Nicht nur wir persönlich haben also einen Engel, der uns begleitet. Auch unsere Gemeinde hat einen solchen himmlischen Begleiter. Was macht so ein Gemeindeengel? Der Offenbarung des Johannes nach ist der Gemeindeengel ein Postbote. Er übermittelt Briefe von Jesus Christus. Der Engel unserer Gemeinde ist also derjenige, der uns das Evangelium von Jesus übermittelt hat. Jeder Mensch, der in unserer Gemeinde zum Glauben an Jesus gekommen ist, ob als Kind oder als Erwachsener, hatte schon einmal mit diesem Engel zu tun, ist diesem Engel begegnet. Der Engel jedoch ist nicht Jesus Christus selbst. Er ist sein Bote. Der sagt, was Jesus ihm zu sagen aufgetragen hat. Nicht mehr. Die Botschaft Jesu, die der Engel der Gemeinde in Smyrna in Kleinasien übermittelt, besteht aus drei Teilen:
– Ich, Jesus Christus, kenne Eure Anfechtungen und Bedrängnisse;
– Fürchtet euch nicht vor dem, was kommt, auch wenn es hart wird;
– Wer mir, Jesus Christus, die Treue hält, bekommt am Ende die Krone des Lebens aufgesetzt. Lassen Sie uns diese drei Abschnitte näher betrachten.
Ich, Christus, kenne deine Anfechtungen und Bedrängnisse
Jeder und jede von uns weiß: Wenn ich traurig bin, gehe ich besser nicht auf eine Party. Auf eine Party, wo mich Menschen unablässig auffordern, nicht so ein Gesicht zu ziehen, sondern mitzufeiern. Das Leben ist kurz genug, vergiss Kummer und Traurigkeit! So etwas nervt, wenn ich richtig traurig bin. Als Gute-Laune-Terror erlebe ich dann die ohne Zweifel gut gemeinten Aufforderungen, endlich die Trauer wegzublasen. Wenn ich traurig bin, brauche ich jemanden, der mit mir mitleidet. Der einigermaßen weiß, wie es um mich steht. Der erstmal zuhört oder mich in den Arm nimmt. Und mit mir die Trauer erträgt. Dabei will ich nicht in der Trauer steckenbleiben. Natürlich will ich die Trauer überwinden. Doch überwinden kann ich erst, wenn ich das Trauertal durchschritten habe. Dass Jesus hier bei mir ist. Das ist eine Verheißung, die ich kaum glauben kann. Aber doch: in seiner Passion und am Kreuz, da war Jesus noch tiefer im Schlamassel als ich es jemals sein werde. Jesus weiß, wie das ist, wenn ich unten bin. Er hat es vor mir erlebt. Wenn ich ihm also im Gebet meine Bedrängnis und Anfechtung schildere. Dann ist er kein netter Onkel, der mir die Schulter aufmunternd klopft. Nein: Jesus geht mit mir durchs Tal. Er ist mein Gefährte. Der immer bei mir ist. Das ist Trost, den ich brauche. Damit ich meine Niedergeschlagenheit einmal überwinden kann. Und als einer, der mit mir geht und vor allem: als einer, der Lebenstiefen überwunden hat, kann mir Jesus auch zurufen: Fürchtet euch nicht vor dem, was kommt, auch wenn es hart wird!
Fürchtet euch nicht vor dem, was kommt, auch wenn es hart wird
Wir in Westeuropa, in Deutschland allzumal, kennen das zum Glück nicht mehr, dass das Bekenntnis zu Jesus Christus Gefahr für Leib und Leben bedeuten kann. Das war nicht immer so in unserer Weltgegend. Vor knapp 300 Jahren zum Beispiel, da wurden aus dem kleinen Fürsterzbistum Salzburg alle Evangelischen vertrieben. Der Erzbischof von Salzburg wollte in seinem Land keine Evangelischen mehr dulden. Darum vertrieb er sie und machte sie zu den heute noch bekannten “Salzburger Exulanten”. Wir reden hier von immerhin 20.000 Menschen! Deren Schicksal war ein hartes. Heißt Vertreibung doch damals wie heute: höchste Gefahr für Leib und Leben. Mit wenigen Sachen mussten die Evangelischen ihre Heimat verlassen. Einer ungewissen Zukunft entgegen. Die meisten zogen nach Preußen, einige nach Nordamerika. Gehen und ihre Höfe zurücklassen mussten sie allein darum, weil sie sich auf evangelische Weise zu Jesus Christus bekannt haben.
Heutzutage ist die Situation für viele Christen in der Welt ganz ähnlich. Das Christentum ist die weltweit am meisten verfolgte Religionsgemeinschaft. Was oft vergessen wird. Nordnigeria ist ein Beispiel für einen Landstrich, in dem Christen nicht sicher leben. In Nordnigeria kann es gefährlich werden, wenn man sich zu Jesus Christus bekennt. Glauben Sie mir: Wir können nicht ermessen, wie es sich anfühlt, wenn man in einer Kirche nicht bequem und sicher sitzt. Sondern, wenn man damit rechnen muss, dass einer reinstürmt und einen bedroht. Menschen wie den Christen in Nordnigeria (und man könnte noch viele andere Beispiele nennen) ruft Christus im Sendschreiben nach Smyrna zu: Fürchtet euch nicht vor denen, die Euch verfolgen. Auch wenn sie Euch ins Gefängnis werfen oder Euch ein anderes Leid antun: Eurer Seele können sie nichts anhaben. Denn ich bin bei euch. Ich sorge dafür, dass Ihr an Eurer Seele in der Verfolgung keinen Schaden nehmt. Ich, Jesus Christus, sorge dafür, dass ihr standhaft bleibt. Dass ihr euch nicht von mir abkehrt. Dass Ihr nicht dem Versucher auf den Leim geht. Sondern dass Ihr getreu bleibt bis in den Tod. Bis zu dem Augenblick, an dem ich Euch zurufe: Da Ihr mir, Jesus Christus, die Treue gehalten habt, bekommt Ihr von mir die Krone des Lebens aufgesetzt!
Wer mir die Treue hält, bekommt am Ende die Krone des Lebens
In Kinderbüchern ist derjenige, der eine Krone trägt, immer der König. Ganz selbstverständlich wohnt er äußerst komfortabel und genießt eine Menge Privilegien. Im Märchen hat der König mit der Krone immer Diener um sich, die ihm bringen, was immer er wann auch immer nötig hat. Im echten Leben gibt es solche Könige zum Glück nicht mehr. Despoten, die verlangen konnten, was sie wollten, das ist in unserer Weltgegend zum Glück Vergangenheit. Doch im Märchen, da lassen wir uns solche Leute gefallen. Weil wir uns mit ihnen identifizieren. Wir sind König oder Prinz bzw. Königin oder Prinzessin, wenn wir ein Märchen lesen. Genau zu solchen Königen will ich euch machen, ruft uns nun Jesus zu. Nicht auf Erden sollt ihr solche werden. Sondern später einmal, im Himmel. Da liegen schon die Kronen für Euch bereit. Damit Ihr Euch einreihen könnt in das königliche Geschlecht der Erlösten im Himmel. Die selbstverständlich bekommen, was sie brauchen – und noch viel mehr!
Die Krone des Lebens – das ist ein ganz altes Hoffnungsbild. Lutherische Prediger im 16. und 17. Jahrhundert haben es vielfach verwendet. Ein Beispiel möchte ich geben: Valerius Herberger (1562-1627), der Autor des schönen Liedes “Valet will ich dir geben” (EG 522). Herberger bezieht die in der Offenbarung des Johannes verheißene Krone des Lebens auf die Dornenkrone Jesu in der Passionszeit. Diese Verbindung bündelt nocheinmal, worum es in unserem Predigttext geht, nämlich: das Leiden und Mitleiden Jesu, die Solidarität Jesu mit uns, und die Verheißung, dass Jesus diejenigen, die treu zu ihm halten, mit der Krone des Lebens belohnen wird. Herberger schreibt in seiner Predigt zum Karfreitag (HertzPostilla I [1691], S. 292f.): “Schau Mensch [sagt Jesus, AB]/ durch meine Dornenkrone habe ich dir die Krone der Gnade/ die Krone der Gerechtigkeit/ die Krone der Ehren und des Lebens erworben!” Danken wir Jesus für alles, was er für uns getan hat. Danken wir ihm für seine Solidarität und für sein Mitgehen auf unseren Wegen! Bitten wir ihn, dass er uns bis zum Schluss in seiner Hand halte – auf dass wir nicht verloren gehen, sondern am Ende von unserem Herrn Jesus Christus die Krone des ewigen Lebens aufgesetzt bekommen.