Predigt

Gesang der Hirschkühe und Wildesel

Präfiguration des Unmöglichen, um das Wirkliche in Bekenntnis und Gebet sagen zu können

PredigttextJeremia 14,1-9 (mit exegetisch-homiletischen Hinweisen)
Kirche / Ort:Aachen
Datum:19.01.2020
Kirchenjahr:2. Sonntag nach Epiphanias
Autor:Pfarrer Manfred Wussow

Predigttext: Jeremia 14,1-9 (Übersetzung nach Martin Luther)

1 Dies ist das Wort, das der HERR zu Jeremia sagte über die große Dürre: 2 Juda liegt jämmerlich da, seine Städte verschmachten. Sie sinken trauernd zu Boden, und Jerusalems Wehklage steigt empor. 3 Die Großen schicken ihre Diener nach Wasser; aber wenn sie zum Brunnen kommen, finden sie kein Wasser und bringen ihre Gefäße leer zurück. Sie sind traurig und betrübt und verhüllen ihre Häupter. 4 Die Erde ist rissig, weil es nicht regnet auf das Land. Darum sind die Ackerleute traurig und verhüllen ihre Häupter. 5 Selbst die Hirschkühe, die auf dem Felde werfen, verlassen die Jungen, weil kein Gras wächst. 6 Die Wildesel stehen auf den kahlen Höhen und schnappen nach Luft wie die Schakale; ihre Augen erlöschen, weil nichts Grünes wächst. 7 Ach, HERR, wenn unsre Sünden uns verklagen, so hilf doch um deines Namens willen! Denn unser Ungehorsam ist groß, womit wir wider dich gesündigt haben. 8 Du bist der Trost Israels und sein Nothelfer. Warum stellst du dich, als wärst du ein Fremdling im Lande und ein Wanderer, der nur über Nacht bleibt? 9 Warum bist du wie einer, der verzagt ist, und wie ein Held, der nicht helfen kann? Du bist ja doch unter uns, HERR, und wir heißen nach deinem Namen; verlass uns nicht!

Vorüberlegungen zum Predigttext

Jeremia setzt voraus, dass alle um die große Dürre wissen (V. 1). Homiletisch ist es reizvoll, dieses Wissen zu teilen! Die historische Konkretion halten wir offen (V. 2), aber die Erinnerungsmarker „leere Brunnen und Gefäße“, „rissige Erde und entmutigte Bauern“, „fliehende Hirschkühe“ und „verendende Wildesel“ sprechen universale und traumatische Erfahrungen an, die aus der Natur kommend Bilder für verlorenes, vertrocknetes und untergehendes Leben werden. „Juda liegt jämmerlich da, seine Städte verschmachten. Sie sinken trauernd zu Boden, und Jerusalems Wehklage steigt empor.“

Der Text verbindet „Dürre“ mit „Sünde“ (V.7) und bringt sie mit dem „Trost Israels“ in ein Korrespondenzverhältnis. Kulminierend in der großen Frage am Schluss: Warum bist du – Gott – wie einer, der verzagt ist, sprich: der selbst vertrocknet? Der Eindruck, es könne eine rhetorische Frage sein, wird im letzten Satz verweht: Du bist ja doch unter uns, Herr, und wir heißen nach deinem Namen: Verlass uns nicht! In den Fragen VV 8+9 wird „Unmögliches“ präfiguriert, um das Wirkliche im Bekenntnis und im Gebet sagen zu können. Gottes Namen sind Trost und Nothelfer – er soll (kann) sich nicht verstellen als Fremdling im Lande oder als Wanderer, der nur über Nacht bleibt. Der Text lebt von starken Bildern und Impressionen – und setzt sie frei.

Die Schnippelei, die sich der Text in der empfohlenen Versauslese gefallen muss, geht dann tatsächlich auf keine Kuhhaut. Hier darf nichts herausgeschnitten werden. Heute predigen Hirschkühe und Wildesel – grünes, saftiges Gras! Eine Predigt über den Klimawandel darf es aber auch sein!

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Heinz Janssen
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