Predigt

Glaube, der trägt

Die Welt, wie sie in Wahrheit ist

PredigttextMatthäus 14,22-33 (mit exegetischen und homiletischen Gedanken)
Kirche / Ort:Magdeburg
Datum:06.02.2022
Kirchenjahr:
Autor:Pastor em. Dr. habil. theol. Günter Scholz

Predigttext: Matthäus 14,22-33 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 2017)

22 Und alsbald drängte Jesus die Jünger, in das Boot zu steigen und vor ihm ans andere Ufer zu fahren, bis er das Volk gehen ließe. 23 Und als er das Volk hatte gehen lassen, stieg er auf einen Berg, um für sich zu sein und zu beten. Und am Abend war er dort allein. 24 Das Boot aber war schon weit vom Land entfernt und kam in Not durch die Wellen; denn der Wind stand ihm entgegen. 25 Aber in der vierten Nachtwache kam Jesus zu ihnen und ging auf dem Meer. 26 Und da ihn die Jünger sahen auf dem Meer gehen, erschraken sie und riefen: Es ist ein Gespenst!, und schrien vor Furcht. 27 Aber sogleich redete Jesus mit ihnen und sprach: Seid getrost, ich bin's; fürchtet euch nicht! 28 Petrus aber antwortete ihm und sprach: Herr, bist du es, so befiehl mir, zu dir zu kommen auf dem Wasser. 29 Und er sprach: Komm her! Und Petrus stieg aus dem Boot und ging auf dem Wasser und kam auf Jesus zu. 30 Als er aber den starken Wind sah, erschrak er und begann zu sinken und schrie: Herr, rette mich! 31 Jesus aber streckte sogleich die Hand aus und ergriff ihn und sprach zu ihm: Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt? 32 Und sie stiegen in das Boot und der Wind legte sich. 33 Die aber im Boot waren, fielen vor ihm nieder und sprachen: Du bist wahrhaftig Gottes Sohn!

Exegetische Bemerkungen

Der Kontext des Seewandels Jesu und Petri ist durch das Mkev bestimmt. Von Mt 13,53 (Jesus in Nazareth) bis Mt 17,23 (2. Leidensweissagung) stimmt Matthäus mit Markus im Wesentlichen überein. Dieser Komplex füllt den Raum zwischen den beiden Redekompositionen des Matthäus, Gleichnisrede (Kap. 13) und Gemeinderede (Kap. 18). Hier wie auch sonst geht es um das spezielle, matthäisch gezeichnete Profil Jesu.

Die Frage: „Was ist das für ein Mann …“ (Mt 8,27/Mk 4,41/Lk 8,25), ist zwar schon am Anfang des Evangeliums ein für alle Mal beantwortet: Sohn Abrahams, Sohn Davids (Mt 1,1), Sohn Gottes (Mt 1,18; 3,17), Erfüllung aller „messianischen“ Verheißungen (Mt 1,23 u.ö.). Sie durchzieht aber das gesamte Evangelium: von Gott autorisierter Interpret der Mosetora (Kap. 5-7; vgl. Mt 23,10); heilende Hand Gottes und darin Bringer des Gottesreichs (Kap. 8-9; vgl. Mt 12,28/Lk 11,20); Beauftragender und Begleiter durch die Zeiten hindurch (Kap. 10; vgl. Mt 28,18-20); das Ganze noch einmal auf den Punkt gebracht Mt 11,1-6/Lk 7,18-23 und Mt 11,28-30.

Unter der Frage: „Wer ist Jesus?“, mag dann auch Mt 14,22-33/Mk 6,45-52 gelesen werden: „Gespenst“/„Hirngespinst“ oder „Sohn Gottes“? Petrusstellt die entscheidende Frage: „Herr, bist du es, …“. Die Antwort „Ich bin’s“ weist auf die Täuferfrage Mt 11,1-6 zurück; die ausgestreckte Hand v 31 auf die Hand Gottes Mt 12,28. Die im Boot (= die Gemeinde) können zu Recht bekennen: „Du bist wahrhaft Gottes Sohn“.

Die Geschichte vom Seewandel geht über das Wunder der Sturmstillung hinaus: Jesus geht auf dem Wasser, Petrus will es auch versuchen, er schaut auf Jesus, und es klappt. Dann aber „sieht“ er auf den Wind, auf das, was Fakt ist, und er „geht unter“. Dieser verstärkt wunderhafte Zug entsteht durch Einschreiben des Auferstandenen in die faktische Wirklichkeit.

Deutlich nimmt die Perikope Bezug auf Mt 28,16-20. Dort fallen die „sehenden“ Jünger vor dem Auferstandenen nieder, „einige aber zweifelten“. Hier wird der „kleingläubige“ Petrus gefragt: „Warum hast du gezweifelt?“ Am Ende aber fallen alle vor dem Gottessohn nieder. Dort beendet der Auferstandene seinen Missionsauftrag mit der Zusage: „Ich bin bei euch“. Hier entspricht das dem Trostwort v 27. Die Aussage dieser Geschichte liegt auf der Hand: Der Auferstandene gehört zu unserer Wirklichkeit.

Homiletische Bemerkungen

Bei einer Predigt über diese doppelte Wundergeschichte steht das Wirklichkeitsverständnis zur Disposition. Im Unterschied zur Exegese hat sich die Predigt am heutigen Wirklichkeitsverständnis zu orientieren. Das heißt: Sie muss das „Wunder“ anders sagen.

Nun ist aber umstritten, was Wirklichkeit ist. Ist Wirklichkeit nur das, was semper ubique ab omnibus bezeugt wird, bestätigt durch sinnliche Wahrnehmung und Messbarkeit? Oder gibt es zwei Wirklichkeiten, die der Fakten und jene, die man Jenseits nennt? Oder umfasst die eine Wirklichkeit alles, die Welt der Fakten und die Welt des Unbegreiflichen? Und ist das Unbegreifliche, wenn es denn erfahren wird, die Wahrheit (vgl. Jh 8,31f)?

Sollte sich das Wirklichkeitsverständnis des heutigen Menschen in der Tat nur am Faktischen orientieren, wäre es die Aufgabe der Predigt, ihn zu einer erweiterten Wirklichkeitssicht zu bewegen, die die Präsenz des Auferstandenen (im Heiligen Geist) einschließt (docere et movere).

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Heinz Janssen
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