Glauben und Leben
Christliche Existenz
Predigttext: 1. Korinther 6,9-14(15-18)19-20 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 2017)
9 Oder wisst ihr nicht, dass die Ungerechten das Reich Gottes nicht ererben werden? Täuscht euch nicht! Weder Unzüchtige noch Götzendiener noch Ehebrecher noch Lustknaben noch Knabenschänder 10 noch Diebe noch Habgierige noch Trunkenbolde noch Lästerer noch Räuber werden das Reich Gottes ererben. 11 Und solche sind einige von euch gewesen. Aber ihr seid reingewaschen, ihr seid geheiligt, ihr seid gerecht geworden durch den Namen des Herrn Jesus Christus und durch den Geist unseres Gottes.
12 Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten. Alles ist mir erlaubt, aber nichts soll Macht haben über mich. 13 Die Speise dem Bauch und der Bauch der Speise; aber Gott wird das eine wie das andere zunichtemachen. Der Leib aber nicht der Hurerei, sondern dem Herrn, und der Herr dem Leibe. 14 Gott aber hat den Herrn auferweckt und wird auch uns auferwecken durch seine Kraft. 15 Wisst ihr nicht, dass eure Leiber Glieder Christi sind? Sollte ich nun die Glieder Christi nehmen und Hurenglieder daraus machen? Das sei ferne! 16 Oder wisst ihr nicht: Wer sich an die Hure hängt, der ist ein Leib mit ihr? Denn die Schrift sagt: »Die zwei werden ein Fleisch sein« (1. Mose 2,24). 17 Wer aber dem Herrn anhängt, der ist ein Geist mit ihm. 18 Flieht die Hurerei! Alle Sünden, die der Mensch tut, sind außerhalb seines Leibes; wer aber Hurerei treibt, der sündigt am eigenen Leibe. 19 Oder wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch ist und den ihr von Gott habt, und dass ihr nicht euch selbst gehört? 20 Denn ihr seid teuer erkauft; darum preist Gott mit eurem Leibe.
In der korinthischen Christengemeinde herrschte ein Missverständnis, dem Paulus mit deutlichen und starken Worten entgegentritt. Was war das für ein Missverständnis?
1.
Nun, die Korinther trennten messerscharf zwischen dem Leib und der Seele! Sie sahen den Menschen in dieser Zweiheit und Zwiegestalt. Aber so, dass das eine mit dem anderen recht wenig zu tun hat. Das bedeutete, Essen und Trinken sind ebenso wie sexuelle Bedürfnisse eine Angelegenheit des Leibes. Hunger und Durst sowie das Verlangen nach körperlicher Liebe gehören ganz und gar zur Leiblichkeit des Menschen. Daneben jedoch hat der Mensch noch eine Seele. Ihr sind der Bereich von Spiritualität und Glauben zuzuordnen. Leib und Seele werden als zwei völlig verschiedene Seiten des Menschen gesehen.
Daraus nun zogen die Korinther ihre Konsequenzen! Im Bereich des Leiblichen ist für sie alles erlaubt: Also kann Ehebruch dem Christsein nichts anhaben; denn die Gewissheit der Erlösung ist ja eine Sache des Glaubens. Sie fällt dem Seelischen zu und wird dadurch nicht in Frage gestellt. Also kann der Besuch bei einer Dirne nicht verboten sein; denn die Erlösung der Seele ist ja bereits vollzogen und kann vom Leib nicht gefährdet werden. Also ist ein unzüchtiger und verwerflicher Lebenswandel dem Leib zuzuordnen, der nach korinthischer Meinung für das seelische Heil keine Rolle spielt.
Die Korinther glaubten, im vollen Besitz des göttlichen Geistes zu sein. Sie glaubten, ihre Seele sei schon von dieser ungerechten Welt erlöst und damit auch aus ihrem Leib befreit, der ja nur der diesseitigen Welt angehört. Folglich lebten die Korinther nach dem Motto: „Mir ist alles erlaubt!“ und beanspruchten eine grenzenlose Freiheit. Das ist das Missverständnis der Korinther zu meinen, Leib und Seele seien zwei vollkommen voneinander unabhängige Bereiche. Und die seelischen Belange berührten die Bedürfnisse des Körpers in keinster Weise, noch würden sie sie einschränken und begrenzen. Dagegen sieht Paulus den Menschen als eine Ganzheit in der Verschränkung von Leib und Seele. Das eine ist von dem anderen nicht zu trennen. Und wer sich als Christ wähnt, kann dies nur in der Einheit von Leib undSeele, als ganzer Mensch tun.
2.
„Ihr seid abgewaschen, ihr seid geheiligt, ihr seid gerecht geworden durch den Namen des Herrn Jesus Christus und durch den Geist unseres Gottes.“ Das bezieht sich auf den ganzen Menschen; denn schließlich hat uns Gott mit Leib und Seele geschaffen. Und nur in dieser Einheit von Seele und Leib – oder sagen wir im Zusammenwirken von Glaube undLebenswandel – können wir als Christen in Erscheinung treten. Wer nähme einem Christen denn schon sein Christsein ab, wenn er tun und lassen würde, was ihm gerade in den Sinn käme?! „Wein predigen und Wasser leben“, würde nur belächelt werden.
„Ihr seid abgewaschen!“ das vollzog sich symbolisch bei der Taufe, wo der Täufling mit seinem ganzen Körper ins Wasser eingetaucht wurde und abgewaschen wieder herausstieg. „Ihr seid geheiligt!“ Das kennzeichnet als dazugehörig mit ganzer Person zu denen, die die Gemeinde Christi repräsentieren. „Ihr seid gerecht geworden!“ Das weist auf Christus, der sich mit Leib und Seele für die Menschen stark gemacht hat und schwach am Kreuz wurde, damit die Ungerechtigkeit keine Macht mehr über uns hat.
Aus der Verbundenheit mit Christus heraus, aus dem Glauben also, wird ein neuer Lebenswandel und eine neue Einstellung zum Leben hervorgehen. Wenn da einer vor seiner Taufe geklaut hat, jetzt wird er sich das gut überlegen. Wenn vorher einer geizig war, jetzt hat er es nicht mehr nötig. Wenn es vorher einer mit der Liebe nicht so genau nahm, jetzt wird er gewissenhaft mit ihr umgehen. So bewirkt der Glaube einen anderen Lebenswandel. So beeinflussen sich Leib und Seele gegenseitig.
3.
Wie sehr Leib und Seele eins sind, wird auf medizinischem Gebiet immer deutlicher gesehen. Jeder weiß, wie einem etwas auf den Magen schlagen kann und wie schön es ist, wenn einem ein Stein vom Herzen fällt. So gibt es viele Redensarten, die ausdrücken, wie Leib und Seele in Verbindung stehen und zusammenwirken. Wenn unsere Seele gekränkt ist, zeigt sich unser Immunsystem anfälliger für körperliche Leiden. Ja, man kann auch – körperlich kerngesund – an einem gebrochenen Herzen sterben. Daran sieht man, dass Seele und Körper nicht zu trennen sind. Andererseits können falsche Ernährung, zu viel Alkohol oder Zigaretten nicht nur den Körper schädigen. Sie können auch schlechte Laune, seelische Missstimmungen und Depressionen hervorrufen. Ja, der Mensch ist ganzheitlich zu sehen. Wer Rückenprobleme hat, hat oft nicht nur ein körperliches, sondern auch ein seelisches Problem. Wen ein körperliches Leiden quält, leidet auch seelisch darunter und ist gehandicapt.
4.
„Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles dient mir zum Guten.“ Um es in einem Bild zu sagen: Wer einen Führerschein hat, weiß, dass dieser zum Fahren eines Autos erlaubt. Nun berechtigt er keinen, sich ans Steuer seines Wagens zu setzen und einfach wild draufloszufahren. Er würde in diesem Moment sich und die anderen gefährden. Ein Führerschein ist kein Freibrief, sondern eine Fahrerlaubnis. Er schenkt Freiheit im Rahmen der Straßenverkehrsordnung. Wer diese Freiheit überschreitet, kann Schaden anrichten und mussmit Entzug seiner Fahrerlaubnis rechnen. Mir ist alles erlaubt, Was fahrtechnisch möglich ist, kann keiner guten Gewissens und verantwortungsbewusst sagen.
Dies mag verdeutlichen, dass Freiheit nur in gewissen Grenzen verwirklicht werden kann. Nämlich in den Grenzen der Rücksichtnahme auf den Nächsten. Überschreite ich meine Freiheitsgrenze im Straßenverkehr, gefährde ich andere, füge möglicher Weise anderen und mir Schaden zu. Darum ist meine Freiheit mit Verantwortungsbewusstsein zu sehen. Weitsicht, die sich verantwortungsbewusst gibt, wird stets rücksichtsvoll sein und seinenMitmenschen einfühlsam begegnen.
5.
Der ganze Mensch verdient Achtung und Respekt! Mit dem ganzen Menschen können wir Gott loben und preisen! Mit Leib und Seele gehören wir Gott! „Oder wisset ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des heiligen Geistes ist, der in euch ist, welchen ihr habt von Gott, und seid nicht euer eigen?“ Das ist eine ganz erstaunliche Sicht, wie sie Paulus hier vertritt. Der Geist Gottes wohnt in Leib und Seele. Nicht nur in der Seele, wie die Korinther meinen. Dass dem so ist, macht aus unserem Todesleib einen Auferstehungsleib, der schon jetzt in dieser Welt die Verherrlichung Gottes an uns darstellt. Ja weil Gott Christus von den Toten auferweckt hat, wird er uns mit seiner Kraft mitten in diesem Leben auferwecken – mit Leib und Seele! – zu einem neuen Lebenswandel. Diese Kraft ist in unserem Leibe und unserer Seele wirksam. Sie entzieht uns all den Mächten, die nach uns greifen. „Ihr seid abgewaschen, geheiligt, gerecht geworden – durch Christus und den Geist Gottes!“ So gehören wir ganz dem einen Gott. Das macht unsere christliche Existenz aus!
Nach dem aktuellen Deutschen Pfarrerblatt zum Text hat der Text ganzheitliche Aspekte 1 christologisch- soterologische 2 pneumatologische 3.ekklesiologische 4. ethische 5. unsere Identität – Die Trennung von Körper und Seele war typisch auch für die altgriechische Philosophie bei Platon . Auch die Korinther vertreten diese Auffassung. Die Folge: im Leiblichen ist vieles erlaubt, auch z.B. der Ehebruch. Paulus kommt vom ganzheitlichen Denken des AT her und vertritt, dass die Christen ganzheitlich geheiligt sind durch Christus. Die moderne Medizin sieht genauso uns Menschen ganzheitlich. Böse Fehlverhalten und Süchte schädigen auch Körper und Seele. Fehlverhalten im Strassenverkehr sind sehr gefährlich für den ganzen Menschen.usw. Paulus sagt mit Nachdruck, dass Gottes Geist in Körper und Seele weht. Wir gehören ganz Gott. – Pfarrer Klein kommt gleich zum Wesentlichen und gut aufgebaut kommt seine Predigt interessant zum zusammenfassenden ermutigenden Ende.