"Gnade – Liebe – Gemeinschaft..."
Band, das zusammenhält
Predigttext | 2. Korinther 13,11-13 |
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Kirche / Ort: | Worms-Horchheim und Weinsheim |
Datum: | 15.06.2025 |
Kirchenjahr: | Trinitatis (Dreieinigkeitsfest) |
Autor: | Pfarrer Dr. Raphael Zager, wiss. Mitarbeiter |
Predigttext: 2. Korinther 13,11-13 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 2017) Zuletzt, Brüder und Schwestern, freut euch, lasst euch zurechtbringen, lasst euch mahnen, habt einerlei Sinn, haltet Frieden! So wird der Gott der Liebe und des Friedens mit euch sein. Grüßt euch untereinander mit dem heiligen Kuss. Es grüßen euch alle Heiligen. Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!“
I
Viele Predigten enden mit den Worten: Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen! - Wir erkennen hier auch gleich den Grund, weshalb gerade dieser Briefschluss für uns heute ausgesucht wurde, am Sonntag Trinitatis:Jesus Christus, Gott, Heiliger Geist. Offenbar drei verschiedene Gestalten, die hier in einem Atemzug genannt werden. Später haben sich Theologen den Kopf darüber zerbrochen, wie diese drei denn nun zusammengehören.
Wie kann man an alle drei, an Vater, Sohn und den Heiligen Geist, glauben, wenn Gott doch nur einer ist? Viele hundert Jahre später entwickelte man dann ein Konzept, das eigentlich ein Widerspruch in sich selbst ist: Trinität. Drei und trotzdem eins. DreiPersonen: Vater, Sohn und Heiliger Geist, in einem göttlichen Wesen. Und darüber dürfen wir Christen uns heute wiederum den Kopf zerbrechen.
Wie es zur Lehre der Trinität kam, ist sicher spannend. Jahrzehntelang hat man miteinander gestritten, sich gegenseitig verdammt und am Ende Kompromissformeln gesucht. Ein wichtiger Schritt auf diesem Weg zum Trinitätsdogma war das sogenannte Nizänische Glaubensbekenntnis. In diesem Jahr 2025 feiern die Kirchen weltweit und auch hier in Deutschland, dass dieses Bekenntnis vor 1700 Jahren formuliert wurde. Diese großen Feiern wirken etwas aus der Zeit gefallen: Gerade in einem Land, in dem nur noch 13 % der Menschen überhaupt an einen persönlichen Gott glauben können. Selbst wer der Kirche verbunden ist, erfährt Gott oft ganz anders. Gottes Wesen lässt sich kaum in Formeln fassen. Denn was helfen uns spitzfindige Spekulationen über das Wesen Gottes? Wird uns doch Gott immer ein Geheimnis bleiben. Unser Briefschreiber zerbricht sich darüber jedenfalls nicht den Kopf. Er kannte auch das Dogma der Trinität noch nicht. Etwas anderes ist ihm viel wichtiger: die Gemeinschaft. Nicht wie Gott an sich ist, sondern wie er sich uns zeigt. Wie handelt Gott an uns? Wie erfahren wir Gott? Und wie kann das die Basis sein für unsere Gemeinschaft als Christinnen und Christen?
II
„Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!“ Gott, Jesus Christus und Heiligem Geist werden hier drei Begriffe zugeordnet: Liebe, Gnade und Gemeinschaft.
Die Liebe Gottes. Sie ist die Basis von allem. Gott liebt. Gott liebt seine Schöpfung, Gott liebt jedes einzelne Geschöpf. Gott liebt auch jeden und jede einzelne von uns. Gott umfängt uns mit seiner Liebe auch dann, wenn wir sterben müssen. Gottes Liebe zeigt sich darin, dass Gott sich uns zuwendet. In dem Menschen Jesus Christus hat sich Gottes Liebe ganz besonders gezeigt.
Jesus hat uns erzählt und vorgelebt, was Gnade ist. Im wunderbaren Gleichnis vom verlorenen Sohn erzählt Jesus uns: Gott vergibt, Gott öffnet seine Arme für alle. Seine gnädigen Arme sind offen; gerade für die, die es nicht verdient haben. Diese Gnade hat sich auch in den Taten Jesu gezeigt. Jesus wendet sich den Kranken und Ausgestoßenen zu. Jesus setzt sich mit den Sündern, den Prostituierten und Betrügern an einen Tisch. Er holt sie in die Gemeinschaft zurück.
Wer eine solche Gemeinschaft erfährt, kann den Heiligen Geist spüren. Letzten Sonntag haben wir Pfingsten gefeiert. Hier haben die Jüngerinnen und Jünger zum ersten Mal gespürt: Auch wenn Jesus nicht mehr physisch bei uns ist: Sein Geist, der Geist der Gnade und der Liebe Gottes, dieser Geist ist mitten unter uns. Wir können ihn auch heute spüren. Dieser Geist verbindet uns und er beflügelt uns. Dieser Geist hält uns als Gemeinschaft zusammen.
Eine solche Gemeinschaft hatte gerade die Gemeinde in Korinth bitter nötig! An diese Gemeinde richten sich ursprünglich die Worte dieses Briefes. Vorausgegangen war ein handfester Streit. Paulus hat sich in seinem Brief viel Mühe gegeben, diesen Konflikt zu lösen.
Paulus weiß: Liebe und Frieden sind nicht einfach so gegeben. Gott wendet sich mit seiner Liebe zwar uns Menschen zu. Doch seine Liebe ist immer eine Einladung, nie ist sie Zwang. Wir Menschen sind frei, Gottes Liebe anzunehmen. Wir sind frei, diese Liebe weiterzuschenken oder nicht. Jesus ruft uns zu, den Menschen zu vergeben. Doch wir Menschen sind frei, diesem Ruf zu folgen. Der Heilige Geist lädt uns in seine Gemeinschaft ein. Doch wir sind frei, diese Einladung anzunehmen oder nicht. Gott will die Gemeinschaft mit uns, und er will auch, dass wir selbst in Gemeinschaft leben. Das Christentum war von Anfang eine Gemeinschaftsbewegung, und so ist es bis zum heutigen Tag.
In den letzten Jahren sind mir viele Leute begegnet, die aus der Kirche ausgetreten sind. Oft sagen sie mir dann: „Ich kann ja auch für mich glauben. Die Kirche brauche ich dafür nicht“. So eine Haltung ist zwar heute beliebt: Religion als Privatsache, Glauben nur im stillen Kämmerlein. Aber sie geht am Kern des Christentums vorbei. Ich glaube an einen Gott, der alle Menschen liebt. Ich glaube an einen Gott, der will, dass wir uns untereinander Liebe schenken. Die Liebe zum Nächsten geht ins Leere, wenn ich in meinem Kämmerlein bleibe. Den Heiligen Geist kann ich nur spüren, wenn ich in Gemeinschaft bin. Das ist gar nicht so leicht mit der Gemeinschaft! Das ist nicht nur eine nette Einladung von Gott, ein schönes Geschenk, sondern auch eine echte Aufgabe! Denn wo Menschen zusammenkommen, gibt es immer auch Konflikte. Die gab es in der Gemeinde von Korinth, und die gibt es heute. Da muss man sich auch mal streiten, Kompromisse finden, und sich auch manchmal zusammenraufen.
III
„Lasst euch zurechtbringen! Lasst euch mahnen! Habt einerlei Sinn! Haltet Frieden!“, so heißt es im Brief an die Korinther. Ja, auch das gegenseitige Ermahnen gehört unter uns Christinnen und Christen dazu. Wenn wir aus lauter Nächstenliebe immer alles runterschlucken, wird es gefährlich. Wir müssen uns ermahnen. Gerade wenn wir merken, dass jemand nicht mehr im Geist der Liebe, der Gnade und der Gemeinschaft handelt. Wenn wir nicht mehr „einerlei Sinnes“ sind, wenn der Friede gefährdet ist, dann muss das ausgesprochen werden. Ermahnen ist nicht schön, aber es ist manchmal nötig. Auch heute habe ich in unserer Kirche den Eindruck, dass wir Konflikten gerne mal ausweichen. Doch das schadet unserer Gemeinschaft am Ende mehr, als es ihr nützt.
Vor einigen Monaten hat mich eine solche christliche Mahnerin sehr beeindruckt. Es war der Tag der Amtseinführung von Donald Trump. Im Gottesdienst vor der Amtseinführung hat Bischöfin Mariann Budde eine Predigt gehalten. Sie richtete sich vor allem an den neuen amerikanischen Präsidenten, der sich gerade bei seinen Wählern gerne als guter Christ ausgibt. Die Bischöfin ermahnte ihn, nicht nur Lippenbekenntnisse abzugeben, sondern seine Politik auch tatsächlich an christlichen Werten auszurichten. Sie bat ihn um sein Erbarmen, gerade auch für die Randgruppen, für die ethnischen Minderheiten, für die Benachteiligten im Land. Ich fand das total mutig. Es war sozusagen ein Heiliger Geist-Moment für mich. Ich habe mich dieser Bischöfin verbunden gefühlt, auch wenn ich sie vorher gar nicht kannte. Sie hat sich getraut, diesen mächtigen Mann einmal in die Schranken zu weisen. Sie hat ihn ermahnt, und das zu Recht. Der Präsident hat sich über diese Predigt furchtbar aufgeregt. Uns bleibt zu hoffen, dass in Amerika noch mehr Mutige wie Bischöfin Mariann Budde aufstehen. Ich finde, sie ist eine Zeugin für Gottes Liebe auch in unserer heutigen Zeit. Sie hat uns daran erinnert, dass wir Christen nicht allein sind, wenn wir uns für die Schwachen und Ausgegrenzten einsetzen. Sie hat uns daran erinnert, dass die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes ein starkes Band ist, das uns zusammenhält. Und ich bin mir sicher: Dieses Band von Gottes Liebe und Gottes Frieden wird uns zusammenhalten – auch in diesen Zeiten, wo wir bei den Herrschern nur wenig Christliches erkennen können: sei es in Washington oder in Moskau.
Gott lädt uns immer wieder in seine Gemeinschaft ein. Trotz allem, was war: Seine Arme sind immer offen für uns. Gott lässt uns seinen Geist spüren, egal wo wir zusammenkommen. Dieser Geist stiftet uns an, die Liebe und den Frieden weiter auszubreiten. Dieser Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Jesus Christus.