Gott, gepriesen sei dein Name,
bete ich falsch, sowohl privat wie als Vorbeter der Gemeinde? Wenn nach Jesu Worten schon Vertrauen wie ein Senfkorn Berge versetzt, kommt mir mein Beten fast völlig wirkungslos vor – wenn ich mich etwa messe an Abraham: Schon zehn Gerechte hätten genügt, um deinen Zorn abzuwenden von Sodom und Gomorra! Oder mich messe an Mose: Der hat es geschafft, dich zu bekehren – vom Zorn über dein Volk zur neuen Bereitschaft, es zu weiter begleiten.
Gott, gepriesen sei dein Name,
wir haben es uns bewusst abgewöhnt, dich zu irgendetwas drängen zu wollen. Das haben die Völker der Frühzeit versucht mit ihren Opfern, damit gaben sie dir oder ihren Göttern Anteil an dem, was ihnen für ihren Lebensunterhalt wichtig war: Speiseopfer, Brandopfer, Räucheropfer…, wollten so dich oder ihre Götter zu einem gnädigen Verhalten bewegen oder gar drängen.
Gott, gepriesen sei dein Name,
wir haben uns als Protestanten sogar noch eine viel radikalere Haltung zugelegt: Wir sind überzeugt, wir können nicht einmal durch unser vorbildhaftes Verhalten deine Güte und Zuwendung erzwingen; denn alles sei deine Güte und Gnade.Ziemlich unwohl ist uns darum inzwischen bei dem Schema, das uns in den ersten Büchern der Bibel auf Schritt und Tritt vorgeführt wird: Das Volk Israel fällt ab von dem, was du ihnen als Regeln mitgegeben hast; du gibst sie zur Strafe in die Hand ihrer Feinde; sie bereuen und schreien zu dir; du erbarmst dich und wendest dich ihnen neu zu. Und dann beginnt das Spiel von vorne. Nein, wir wissen, so funktioniert Weltgeschichte nicht. Da sind ganz andere Kräfte am Werk, als was in deinem ewigen Ratschluss beschlossen ist. Beten sei eine Haltung, hat ein kluger Mensch geschrieben. Haltung, das könnte heißen: Ich finde mich ein in deinen Willen mit unserer Welt. Wer betet, stellt sich darauf ein: Du hast mit mir, mit uns noch etwas vor. Aber auch da stelle ich kritisch die Frage: Wie wirkungsvoll ist mein Beten? Wenn ich schon die Welt damit nicht verändere, verändert mein Beten wenigstens mich? Doch ob das geschieht, siehst du deutlicher als ich.
Gott, gepriesen sei dein Name,
wir sind inzwischen überzeugt: Um in der Weltpolitik andere Maßstäbe zu setzen, braucht es mehr als das Beten. Denn wer nur betet und dann nichts mehr sonst tut, der tut zu wenig. Das Schlimme aber dabei ist: Du selber erscheinst dabei als schwach. Bei uns ist es ja auch so: Wer nur noch betet, weil ihm andere Möglichkeiten fehlen, erscheint als schwach. Schwach heißt dann immer: nichts tun können. Wir preisen mit dem Volk Israel deine Größe und Stärke in der Schöpfung, in den großen Ereignissen der Geschichte wie der Befreiung deines Volkes aus der Sklaverei, in dem, was deine Profeten als deine Taten der weiteren Geschichte preisen; aber uns Modernen erscheinst du schwach.
Nun ermutigt uns zwar auch Jesus zu einem Beten aus kraftvollem Vertrauen; uns werde zuteil, worum wir bitten, verspricht er uns. Aber nun hat gerade er dich als schwachen Gott vorgelebt. Er, dein Spiegel. Du, gepriesen sei dein Name, hast ihn nicht zum König gemacht, der Juda von den Römern befreien könnte, du hast ihn dem Gespött und Hohn der Massen preisgegeben, du hast ihn den Tod sterben lassen, der von römischer Seite Schwerstverbrechern, Aufständischen und Verrätern an der römischen Staatsraison zuteil wurde. Oder soll ich sagen: Du warst zu schwach, um ihm aus alldem herauszuhelfen? Aber macht es einen Unterschied, ob ich sage: Du warst zu schwach, um ihm zu helfen!, oder ob ich sage: In seiner Schwachheit hast du dich als Gott gezeigt!?
Gott, gepriesen sei dein Name,
sollen wir, können wir um Frieden bitten in der Ukraine, in Nigeria, im Sudan, in Syrien? Um bei jeder Tagesschau abends um acht festzustellen: Unser Beten hat nichts verändert? Aber wenn wir beten, halten wir doch an etwas Entscheidendem fest: Du bist ein Gott des Friedens und du willst Frieden. Wo wir miteinander darum bitten, bin ich es nicht allein, der daran festhält. Und beten wir als weltweite Christenheit, ist esimmerhin ein nicht unerheblicher Teil der Menschheit, der an deinem Frieden festhält. Ob davon nicht doch eine Wirkung ausgeht? Folgen für unsere Welt?
Gott, gepriesen sei dein Name,
wir nehmen heute an, die Geschichte vom goldenen Kalb ist erst erzählt worden, als Israel bereits im Land Israel wohnte, weil erst dort die Verehrung der Fruchtbarkeitsgötter eine Rolle spielte. Aber wenn ich mich realistisch in diese Erzählung vom goldenen Kalb hineinversetze, dann stelle ich mir vor: Was sich zwischen Mose und Gott abspielt, könnte ein inneres Ringen in Mose gewesen sein. Ihm ist an dieser Station der Wanderung des Volkes deutlich geworden, welche Maßstäbe für unser Leben und Zusammenleben von Gott her gelten; wir nennen das die Gebote. Nun merkt er: Das Volk tanzt nicht für den Gott der Befreiung aus der Sklaverei; es tanzt um das Symbol der Fruchtbarkeit, des Wachstums, des Fortschritts, des Wohlstands, der Leistung, der Wellness…
Du, gepriesen sei dein Name, willst Begleiter sein und Helfer im Zusammenleben und sie, von denen die Geschichte erzählt, suchen das, was jedem seinen eigenen Vorteil garantiert. Darum ringt Mose: Soll und kann ich weiterhin im Namen dieses Gottes Leiter und Führer dieses Volkes sein oder sollte Gott noch einmal ganz von vorne anfangen mit der Gründung eines Volkes, seines Volkes? Doch im Beten, in diesem sich Hineinfühlen in den Willen Gottes, wird ihm bewusst: Es gibt keinen Neuanfang der Geschichte, wir nehmen immer das mit, was vor uns gewesen ist. Mose erinnert dich daran, was du, gepriesen sei dein Name, dir selber schuldig bist. Das hast du doch den Vätern im Glauben, Abraham und seinen Nachfahren, versprochen. Und du nimmst so wie uns auch unsere Geschichte als deine Geschichte an.
Gott, gepriesen sei dein Name,
ich will neu die Demut einüben. Nicht diese Demut, die meint: Je kleiner und unscheinbarer ich mich mache, desto frömmer erscheine ich vor anderen und vor dir. Ich meine die Demut, die mich Mensch bleiben lässt, so wie du, gepriesen sei dein Name, Mensch geworden bist. Demut: als Mensch mit bescheidenen Möglichkeiten, aber geborgen in dir, immer neu ermutigt zum Vertrauen und überrascht davon, was alles mir, uns aus diesem Vertrauen heraus möglich ist. Österliche Möglichkeiten: Im Beten, im Ringen mit dir und mit uns selbst gehen uns diese Möglichkeiten auf.
Und Gott, gepriesen sei dein Name,
wir wollen uns neu einüben ins Tanzen: nicht um unsere goldenen Kälber – da stehen so viele herum auf unserer Erde. Sondern tanzen um dich und um den, der für uns im vollen Sinn Mensch, der Mensch aus dir, geworden ist: tanzen und das feiern, womit wir beschenkt sind. Tanzen und uns dabei in unseren menschlichen Möglichkeiten ausprobieren. Tanzen und dabei voller Vertrauen die Nähe zu anderen, zum Leben sonst und zu dir als dem Geber unseres Lebens spüren. Tanzen und beten, nicht um dich zu bedrängen – du weißt ja längst und besser, was mit uns los ist und was wir brauchen -, sondern um uns einzustimmen auf das, was du dir für uns und unsere Welt als Ziel gesetzt hast.