Die Bibel ist voller Geschichten, die davon erzählen, dass Gott sich nicht in himmlische Höhen zurückzieht, weit entfernt von den Menschen, sondern dass er uns näher ist, als wir meinen.
I
Es wird erzählt, dass Abraham Gott begegnet angesichts des sternebedeckten Nachthimmels, dass Mose in einem brennenden Dornstrauch Gottes Stimme hört, dass das Volk Israel ihn erlebt in Feuerschein und Wolke. Die biblische Überlieferung erzählt davon, wie Menschen idem lebendigen Gott begegnet, der zu ihnen spricht n seinem Wort. Denn in seinem Wort ist er uns ganz nah.
Denn das Wort Gottes ist nicht im Himmel, dass du sagen müsstest: Wer will für uns in den Himmel fahren und es uns holen, dass wir’s hören und tun? Es ist auch nicht jenseits des Meeres, dass du sagen müsstest: Wer will uns über das Meer fahren und es uns holen, daß wir's hören und tun? Denn es ist das Wort ganz nahe bei dir, in deinem Munde und in deinem Herzen, dass du es tust (5. Mose 30,12-14). So kommt der Gott Israel den Menschen nahe in seinem Wort.
Es ist der Gott Israels, von dem Salomo hier in diesem Gebet spricht, mit dem er den Tempel in Jerusalem einweiht. Lange Zeit, war Gott den Israeliten begegnet in einem Zelt, das in immer wieder neu aufgebaut wurde. Nun aber in einem Tempel, den Salomo in Jerusalem errichten lässt. Und das Gebet Salomos spricht von Gottes überraschendem Handeln. Er der Unfassbare, der alles übersteigt, der nie von menschlichen Vorstellungen und in unserem begrenzten Sinn zu erfassen ist, will wirklich in Jerusalem in diesem kleinen Tempel den Menschen begegnen.
Salomo steht vor der Herausforderung, vor der viele Menschen stehen, das Staunenswerte, nicht Fassbare, dass Gott sich einen Ort erwählt hat, an dem er seinen Namen wohnen lassen möchte, anzunehmen. Dass, was wir Menschen nicht erfassen und verstehen können: Dass Gott gegenwärtig ist in dieser Welt. Dass Gott in die Welt kommt. Dass ist das ganz und gar Unfassbare, Unergründliche, nur in seiner Liebe begründete Handel Gottes.
Dieser Gott, den aller Himmel Himmel nicht fassen können, der jegliches Vorstellungsvermögen übersteigt, der die Welt und alles, was darinnen ist, erschaffen hat, dass dieser Gott sich uns Menschen zuwendet und gewissermaßen klein machen kann. So klein, dass wir Menschen mit unserem bescheidenen Denkvermögen fassen können. Und so bleibt sich Gott selbst treu. Denn ob es die biblischen Propheten, die Gottes Wort verkünden oder die Priester, die am Heiligtum Gott die Ehre geben. Immer gehen sie davon aus, dass sich Gott nicht zu schade ist, zu uns zu kommen.
II
Gott kann bescheiden. Darin unterscheidet er sich wohltuend von allen Narzissten dieser Erde. Gott beugt sich herab, denn Gott ist barmherzig und gnädig und von großer Güte. Und dieses Wesen Gottes zeigt sich darin, dass Gott in seinem Wort zu uns kommt, dass er in Jesus Christus bei uns „zeltete“, dass er uns sein Heil zusagt im Wasser der Taufe und seinem Wort, dass er gegenwärtig ist in Brot und Wein. Dass er mitten unter uns ist, wenn zwei oder drei in seinem Namen zusammenkommen.
Manchen erscheint das märchenhaft zu sein. Wie könne sich Gott so festlegen? Er müsse doch frei und ungebunden sein! Er müsse doch im Himmel bleiben! Wir würden doch gerne darüber bestimmen, wo und wie Gott zu wirken habe. Er muss doch überall gleich sein! Aber dem ist nicht so. Gott geht seiner Wege.
Gott hält sich nicht an die eng gezogenen Grenzen unserer Vorstellungen, sondern legt sich selbst fest: „Im Zelt der Begegnung in der Wüste will ich zu den Israeliten sprechen, im Tempel will ich wohnen, in Christus bin ich gegenwärtig in der letzten Zeit, und im Heiligen Geist werde ich die ganze Welt verwandeln. Und in meinem Wort werde ich bei den Menschen sein und zu ihnen sprechen und ihnen den Weg weisen, den sie in ihrem Leben gehen können. Ich lasse euch nicht einsam zurück. Ihr könnt sicher sein, dass ich bei euch bin.“ So spricht der Herr.
Denn das ist das Wesen Gottes: Er bleibt nicht bei sich selbst. Gott bleibt nicht einsam, sondern kommt zu uns, in Jesus Christus, der gekreuzigt wird. Aber Gottes Sendung zu den Menschen ist nicht aufzuhalten. Nicht einmal durch den Tod. Gott durchdringt den Tod. Ostern ist die Gewissheit, dass der Tod nicht das letzte Wort behält.
Himmelfahrt heißt: Das alles bleibt nicht auf einen Ort und eine Person beschränkt, sondern soll der ganzen Welt zugutekommen. So sendet er seinen guten Geist, indem er die ganze Welt mit dem Geist Christi durchdringt und beflügelt. Was wir an Himmelfahrt bekennen, „aufgefahren in den Himmel“ zieht noch einen zweiten Satz nach sich: „Und an den Heiligen Geist“, der heute wirkt in aller Welt und uns alle verändert.
III
Wenn du nun fragst: Wo kann ich Gott begegnen? Dann ist eines klar: Er begegnet uns in seinem Wort. Wenn du fragst: wo ist Gott? Dann ist nur zu antworten: in Jesus Christus und in seinem Wort. Und das ist unsere Aufgabe, dass wir auf sein Wort hören. Man könnte es einfach sagen: Bibellesen hilft. Gemeinsames Bibellesen hilft noch mehr. Und unsere Aufgabe ist es: zu lauschen, zu vertrauen, dass wir durch diese Worte Gott zu uns sprechen werden. Vielleicht werden die Worte Salomos dann unsere werden und wir werden zu ihm sprechen: „Wende dich aber zum Gebet deines Knechts und zu seinem Flehen, HERR, mein Gott, auf dass du hörst das Flehen und Gebet deines Knechts heute vor dir.“
Denn wie sollte Gott seine Ohren verschließen, wenn wir ernsthaft erhoffen und glauben, dass er zu uns sprechen will. Himmelfahrt heißt vertrauen, vertrauen dass er immer bei uns ist. Dass sein Heiliger Geist uns führt und leitet und dass seine Ohren nie verschließt vor denen, die ihn voller Vertrauen anrufen. Amen.