Predigt

"Gott kehrt um"

Biblische Rede von Gott - allzu menschlich?

Predigttext1. Mose / Genesis 8,18-22 - mit exegetischen Hinweisen
Kirche / Ort:Aurich
Datum:29.10.2017
Kirchenjahr:20. Sonntag nach Trinitatis
Autor:Pastorin Theda Frerichs

Predigttext 1. Mose / Genesis 8,18-22 Übersetzung nach Martin Luther, Revisin 2017)

18 So ging Noah heraus mit seinen Söhnen und mit seiner Frau und den Frauen seiner Söhne, 19 dazu alles wilde Getier, alles Vieh, alle Vögel und alles Gewürm, das auf Erden kriecht; das ging aus der Arche, ein jedes mit seinesgleichen. 20 Noah aber baute dem HERRN einen Altar und nahm von allem reinen Vieh und von allen reinen Vögeln und opferte Brandopfer auf dem Altar. 21 Und der HERR roch den lieblichen Geruch und sprach in seinem Herzen: Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen; denn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf. Und ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich getan habe. 22 Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.

Exegetische Überlegungen zum Predigttext

Der Abschnitt 1. Mose 8,18-22 bildet den Abschluss der Sintflutgeschichte. Die Forschung weist im Rahmen der Quellenscheidung i.d.R. die Verse 18 + 19 der jüngeren Priesterschrift (P) und die Verse 20-22 dem älteren Jahwisten (J) zu. Fluterzählungen wurden nicht nur in der Tradition Israels, sondern schon viel älteren Datums und weltweit erzählt.

Auch die Verbindung mit der Schöpfung ist nicht neu. Es geht in der Bibel, aber auch in altorientalischen Parallelen wie dem Gilgamesch-Epos, um die Frage nach dem Ursprung und dem Fortbestand der Menschheit. Die Erfahrung der Bedrohung der menschlichen Existenz wurde in Flutgeschichten als Mythen reflektiert. Auch die Rettung eines Einzelnen (bzw. eines Gerechten 1. Mose 6,9 P) durch den Schöpfer hat außerbiblische Parallelen. Während in letzteren verschiedene Gottheiten für den Entschluss der Flut einerseits und die Errettung andererseits verantwortlich sind, ohne dass dafür jedoch menschliche Schuld eine Rolle zu spielen scheint, deutet der Jahwist die altorientalische Tradition neu: Schöpfung, Vernichtung und Bewahrung der Menschheit sind Werk des einen Gottes Jahwe.

Der Entschluss zur Sintflut ist das Ergebnis der tiefen Enttäuschung Jahwes über seine Schöpfung (Gen 6,6 „Es reute ihn, dass er die Menschen gemacht hatte auf Erden und es bekümmerte ihn in seinem Herzen“.). Der Mensch ist radikal schuldig. Er hat seine Freiheit missbraucht, Jahwes Fürsorge und das Angebot der Gemeinschaft missachtet.

Das menschliche Handeln, das „Dichten und Trachten“ des menschlichen Herzens, ist „nur böse“ (1. Mose 6,5). So beschließt Jahwe, die Menschheit von der Erde zu vertilgen. Der Jahwist zieht eine inhaltliche Verbindung zwischen Anfang und Ende der Flut. Zweimal bringt er den Gemütszustand der „Reue“, im Sinne einer Änderung der inneren Einstellung, mit Gott in Verbindung. Fast wörtlich kehrt in 8,20-22 die Einsicht wieder, die er bereits in 1Mose 6,5f entfaltet hat. Nach wie vor ist das Dichten und Trachten böse. Der Mensch hat sich durch die Katastrophe, durch das Strafgericht der Sintflut, nicht verändert. Doch Jahwe selbst bewegt sich. Das Wort Reue wird hier zwar nicht explizit erwähnt, jedoch der Vorgang der Umkehr in Jahwe selbst beschrieben: Er rückt ab von seinem Entschluss, seine Schöpfung zu vernichten. Aus eigenem, souveränem Ratschluss gibt er der Menschheit, die er in Noah bewahrt hat, ein Versprechen: Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.

Literatur

Jörg Jeremias, Die Reue Gottes. Aspekte alttestamentlicher Gottesvorstellung, BThSt 31 (1997) W.H. Schmidt, Einführung in das Alte Testament. De Gruyter Lehrbuch, 1995 C. Westermann, Genesis 1-11. EdF 7 (1976)

Zur Predigt

Schöpfung, Vernichtung und Bewahrung in einem Gottesbild zusammenzudenken, einem Gott zu begegnen, der verschiedene Gefühlsregungen in sich selbst austrägt, mit sich kämpft und ringt, sich am Ende aus freiem Entschluss an uns Menschen (vgl. den „Bund“ 1. Mose 9) bindet, ist auch heute eine Herausforderung fernab der Rede vom „lieben“ oder vom „allmächtigen Gott“. Für manchen stellt sich vielleicht die Frage, ob man sich Gott mit derart menschlichen Zügen vorstellen darf.

Die Bibel erzählt selbst überaus menschlich von Gott: von seinem Herzen, das bekümmert ist, in dem sich widerstreitende Gefühle befinden, (vgl auch Hos 11,8f u.a.), sie erzählt von einem Gott, der bereut, der verzweifelt ist, aber auch mitfühlt und sogar umkehrt.

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