Predigt

Gottes Macht im Dienst seines Erbarmens

Das Hoffnungslied der Maria mit- und weitersingen

PredigttextLukas 1,39-56 (mit Einführung)
Kirche / Ort:Darmstadt-Eberstadt
Datum:22.12.2024
Kirchenjahr:4. Sonntag im Advent
Autor:In memoriam Professor Dr. Dr. h.c. OKR Pfarrer Karl Dienst (24.01.1930 - 27.05.2014)

Predigttext Lukas 1,39-56 (Übersetzung nach Martin Luther)

39 Maria aber machte sich auf in diesen Tagen und ging eilends in das Gebirge zu einer Stadt in Juda 40 und kam in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabeth. 41 Und es begab sich, als Elisabeth den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leibe. Und Elisabeth wurde vom heiligen Geist erfüllt 42 und rief laut und sprach: Gepriesen bist du unter den Frauen, und gepriesen ist die Frucht deines Leibes! 43 Und wie geschieht mir das, daß die Mutter meines Herrn zu mir kommt? 44 Denn siehe, als ich die Stimme deines Grußes hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leibe. 45 Und selig bist du, die du geglaubt hast! Denn es wird vollendet werden, was dir gesagt ist von dem Herrn. 46 Und Maria sprach: Meine Seele erhebt den Herrn, 47 und mein Geist freut sich Gottes, meines Heilandes; 48 denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen. Siehe, von nun an werden mich seligpreisen alle Kindeskinder. 49 Denn er hat große Dinge an mir getan, der da mächtig ist und dessen Name heilig ist. 50 Und seine Barmherzigkeit währt von Geschlecht zu Geschlecht bei denen, die ihn fürchten. 51 Er übt Gewalt mit seinem Arm und zerstreut, die hoffärtig sind in ihres Herzens Sinn. 52 Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen. 53 Die Hungrigen füllt er mit Gütern und läßt die Reichen leer ausgehen. 54 Er gedenkt der Barmherzigkeit und hilft seinem Diener Israel auf, 55 wie er geredet hat zu unsern Vätern, Abraham und seinen Kindern in Ewigkeit. 56 Und Maria blieb bei ihr etwa drei Monate; danach kehrte sie wieder heim.

Homiletisch- liturgische Vorbemerkungen

1) Der Text soll hier nicht in einem exegetischen Kolleg oder in einer gesellschaftskritischen Veranstaltung etwa der Erwachsenenbildung, sondern inmitten der Gottesdienst feiernden Gemeinde ausgelegt werden. Der liturgische Ort bestimmt aber wesentlich die Kommunikation mit. Hier steht am 4. Advent die Vorgeschichte der Geburt Jesu im Mittelpunkt. Das Evangelium Lukas 1, 46-55 und die Epistel Philipper 4, 4-7 prägen diesen Sonntag liturgisch und homiletisch. Als Introitus liegen Jesaja 45,8 / Psalm 19 i. A. nahe (Alternative: Sacharja 9,9a / Psalm 24,7-10). Als Lieder bieten sich an: EG 7 "O Heiland, reiß die Himmel auf"; 11 "Wie soll ich dich empfangen"; 13 "Tochter Zion"; 308 "Mein Seel., o Herr, muss loben dich"; 310 "Meine Seele erhebt den Herrn".

2) Das Magnificat dürfte ein Hymnus sein, der auf einen älteren, aus biblischen Zitaten und liturgischen Formeln zusammengesetzten Psalm zurückgeht. "Der Evangelist hat das Lied nur wenig christianisiert, jedoch durch die Übernahme annexiert und umgedeutet... Es soll die Ereignisse theologisch deuten" (Francois Bovon, EKK III/1, Zürich 1989, 92). Schlüssel für die Neuinterpretation durch Lukas ist Vers 45: Maria wird als „glücklich" (Luther: „selig") beschrieben; sie erwartet im Glauben die Erfüllung der Verheißung Gottes. Und diese Verheißung besteht darin, dass Gott seine Macht in den Dienst seines Erbarmens stellt.

3) Dies weiter zu bedenken, setzt von der Exegese her voraus, über der „Horizontalen" die „Vertikale" nicht zu vergessen! Dass das Loblied auf den Gott, der auch Macht- und Eigentumsverhältnisse umkehren kann, nicht zum „politischen Gassenhauer" verkommt, das kann der cantus flrmus des Magnificat verhindern: Das Erbarmen Gottes, das in der Umwälzung der Verhältnisse den Ohnmächtigen und den Mächtigen, den Hungernden und den Satten gilt (vgl. Jürgen Dembek, in: PrSt I/1, Stuttgart 1984, 38).

4) Nicht wenige Predigtvorbereitungen sind dagegen von befreiungstheologischen und (zunehmend) feministischen Interpretationen des Magnificat bestimmt. So dienen z. B. Neoliberalismus, Globalisierung („Raubtierkapitalismus"), Fortschrittsverlierer, Gerechtigkeitslücken als Negativfolien, auf denen dann - im Gestus des Protestes und der Anklage - gute eigene Gesinnungen kund gemacht werden. Demgegenüber sei auf den exegetischen Befund verwiesen: „Gott ist Subjekt aller Verben mit Ausnahme von V48b" (Bovon, ebd. 81). Diese Beobachtung sollte die Predigerin / den Prediger davor bewahren, die biblischen Textstellen vorschnell als politische Leitsätze zu gebrauchen und einer Ethik zu huldigen, die einem selbst nichts kostet.

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