Gottes Welt
Unser Fragen nach Gott und seiner Wirklichkeit
Predigttext | Matthäus 13,44-46 |
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Kirche / Ort: | Ev. Lukasgemeinde / Simeonkapelle, Augustinum - Heidelberg |
Datum: | 28.07.2024 |
Kirchenjahr: | 9. Sonntag nach Trinitatis |
Autor: | Petra Neumann-Janssen, Erwachsenenbildnerin |
Predigttext: Matthäus 13,44-46 (Übersetzung nach Martin Luther)
44 Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Schatz, der in einem Acker vergraben war und von einem Mann entdeckt wurde. Der Mann freute sich so sehr, dass er, nachdem er den Schatz wieder vergraben hatte, alles verkaufte, was er besaß, und dafür den Acker kaufte.
45 Mit dem Himmelreich ist es auch wie mit einem Kaufmann, der schöne Perlen suchte. 46 Als er eine besonders wertvolle fand, verkaufte er alles, was er besaß, und kaufte dafür diese eine Perle.
Was ist ihr Himmelreich? Fällt Ihnen spontan etwas dazu ein?
I
„Es ist ein himmlischer Ort, ein himmlisch schöner Ort und das in vielerlei Hinsicht“, so lautete die Antwort einer Bekannten, als ich sie fragte. Wir kamen ins Gespräch, denn „in vielerlei Hinsicht“ – was kann das sein? Unser Ergebnis: Einmal war es die Familie, die Freude, wenn die Kinder und Enkelkinder kommen, das Zusammensein mit den geliebten Menschen. Unabhängig von einem konkreten Ort ist dieses Himmelreich, es ist mehr ein Reich der Gefühle, der Liebe zueinander, der Vertrautheit, der Verlässlichkeit, des Empfindens, hier hin zu gehören.
Dann war es der Strand und das Meer, das Kommen und Gehen der Wellen, dieses unablässige Rauschen des Wassers, je nach Wetterlage von sanft bis heftig. Dazu der Blick in die Weite, wie in die Unendlichkeit. Das bedeutet Ruhe, Gelassenheit aber auch träumen können, Frische spüren und Lebendigkeit mit so viel Möglichkeiten.
Mein Nachbar war sehr praktisch, seine Antwort auf die Frage, was für ihn das Himmelreich sei: „mein Garten“! Und weiter: „Ich liebe es, die Erde zu spüren oder zu bearbeiten. Ich freue mich, wenn es grünt und blüht, wenn ich ernten kann. Nichts ist so süß wie die erste selbstgepflückte Erdbeere“. „Mein Himmelreich“, sagte er und blickte dabei stolz auf seinen Garten.
II
Jesus sprach auch vom Himmelreich, sehr oft sogar, und er wechselte in den Bildern, wenn er vom Himmelreich sprach. Hören wir uns eines seiner Himmelreich-Bilder, seiner „Gleichnisse“ an, den heutigen Predigttext aus dem Evangelium nach Matthäus, Kapitel 13, die Verse 44-46, ich lese die Übersetzung nach Martin Luther (Revision 2017):
44 Das Himmelreich gleicht einem Schatz, verborgen im Acker, den ein Mensch fand und verbarg; und in seiner Freude geht er hin und verkauft alles, was er hat, und kauft den Acker. 45 Wiederum gleicht das Himmelreich einem Kaufmann, der gute Perlen suchte, 46 und da er eine kostbare Perle fand, ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie.
Wenn Jesus vom Himmelreich sprach, meinte er die Welt Gottes. Die Welt Gottes wird von einem Mann, einer Frau gefunden. Diese Gotteswelt ist kostbar, für diese Person so kostbar, dass sie allen Besitz aufgibt, um diesen himmlischen Schatz zu erwerben, und einem Kaufmann so wertvoll wie die schönste aller Perle, dass er all seine Habe verkauft, gleichsam alles auf eine Karte setzt, um diese eine Perle sein eigen zu nennen..
III
Gottes Welt – was macht sie so kostbar? Wie oft stellen wir diese Frage, die Frage nach Gott und seiner Wirklichkeit. Haben wir unsere Welt als Gesellschaft aber auch Einzelpersonen meist nicht ohne Gott eingerichtet und als gut befunden? Wir haben uns etwas erarbeitet und finden es so gut. Haben etwas auf der hohen Kante, ein Dach über dem Kopf, verfügen über ein Erbe und fühlen uns sicher?
Folgen wir eher dem Sprichwort: „Des Menschen Wille ist sein Himmelreich“ Des Menschen Wille wäre danach der Schatz im Acker oder die kostbarste Perle. Tun und lassen, was man will – ist das himmlisch? Den eigenen Willen durchsetzen, um jeden Preis, den Willen der Schwächeren brechen – ist das himmlisch? Nein. Aber es gibt tatsächlich genug Beispiele, wie Menschen in Politik, Gesellschaft und Familien nach ihrem Willen die Welt beackern und formen wollen und dieses ihr Tun für das Größte halten. Nein, des Menschen Wille ist nicht sein Himmelreich.
Es gibt aber auch Menschen mit großer Willensstärke für das Gute in der Welt. Sie engagieren sich mit Herzblut für Gerechtigkeit, für Frieden in Gesellschaft und Kirche. Wir können sie gar nicht genug wertschätzen. Sie setzen hoffnungsvolle Zeichen. Ein Zeichen für eine weltweite friedliche Gemeinschaft sehe ich in den Olympischen Festspielen, die in diesen Tagen in Paris stattfinden. Bestimmt hat Giovanni Battista, bekannt als Franz von Assisi, Jesu Gleichnis vom Schatz im Acker und der kostbaren Perle gekannt. Er entschied sich, auf seinen materiellen Besitz zu verzichten, ihn Bedürftigen zu geben und selbst ein Leben in Armut zu führen – auf der Suche nach dem wahren Leben.
IV
Hören wir nocheinmal das Gleichnis Jesu vom Schatz im Acker und der kostbaren Perle in einer neueren Übersetzung (BigS):
44 Die Welt Gottes ist mit einem Schatz zu vergleichen, der im Acker versteckt war. Jemand fand den Schatz, versteckte ihn und geht voll Freude los, verkauft alle Habe und kauft jenen Acker. 45 Die gerechte Welt Gottes ist auch einer Person zu vergleichen, die Handel treibt und auf der Suche nach schönen Perlen ist. 46 Als sie eine kostbare Perle fand, ging sie los, verkaufte alle Habe und kaufte sie.
In Gottes Welt, so lehrt uns Jesus, gelten die Regeln der Liebe, der Liebe zu Gott und der liebevolle, aufmerksame und barmherzige Umgang der Menschen miteinander. Sie sind der Schatz im Acker des Lebens und die kostbare Perle, der Schmuck in Gottes Welt, der mit Geld und Gut nicht zu haben ist. Gottes Welt ist eine gerechte Welt. In Gottes Welt regiert die Achtung vor seiner Schöpfung in ihrer ganzen Fülle, in der Menschen füreinander sorgen und den anvertrauten Garten Erde pfleglich behandeln. Ein Mensch, der seinen Willen mit Gottes Willen verbindet, hat den wahren Schatz und die schönste Perle gefunden. Beides trägt er im Herzen und kann so sein Leben gestalten.
Als Johannes der Täufer zwei seiner Jünger zu Jesus schickt mit der Frage: "Bist du, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen andern warten?", war Jesus gerade dabei, kranke Menschen zu heilen, und er antwortete den Johannesjüngern, indem er an Worte aus dem Buch des Propheten Jesaja anknüpft: "Geht und verkündet Johannes, was ihr gesehen und gehört habt: Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf, Armen wird das Evangelium gepredigt; und selig ist, wer sich nicht ärgert an mir" (Lukas 7,18-23). Jesus verkündigt in Wort und Tat: Das Himmelreich, Gottes Welt, ist nicht nur "nahe herbeigekommen", sondern ist jetzt schon angebrochen, aber ist wie der Schatz im Acker verborgen und muss wie die schönste Perle gesucht werden, darum beten wir mit Jesu Worten: "Dein Reich komme".
Was ist Dein Himmelreich? Findest Du etwas davon - wie der Bekannte und Nachbar, die ich fragte - im Garten, am Meer, bei Deinen Liebsten? Es leuchtet jetzt schon, hier und heute, auf, verkündigt Jesus.
Teilen wir unsere Entdeckungen, unsere „Gartenfrüchte“, und beschenken damit andere Menschen, dass sie ihnen zu „Lebensfrüchten“ werden. Das Meer kann für einen Menschen zur Quelle der Kraft werden, der Heilige Geist weht wie frischer Wind durch die Gedanken und macht lebendig. Ich kann die Menschen liebevoll als große Völkerfamilie sehen und freundschaftlich und offenherzig mit den verschiedensten Menschen zusammenleben, wie Jesus uns gelehrt hat. „In ihm“, so schreibt Paulus im Brief an die Kolosser (2,3), „liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis“. Dazu passt Martin Luthers Lied (EG 24,4): „Er bringt euch alle Seligkeit, die Gott der Vater hat bereit‘, dass ihr mit uns im Himmelreich sollt leben nun und ewiglich“.
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Anhang
Kommentar von Dr. habil. Günter Scholz zur Predigt von Petra Neumann-Janssen über Mt 13,44-46:
Die Predigerin macht homiletisch ernst mit dem exegetischen Dogma, dass in den Gleichnissen Jesu Gottes Wirklichkeit in unsere Wirklichkeit hineinragt. Dieser exegetische Grundgedanke durchzieht die gesamte Predigt.
Das zeigt sich schon in der einleitenden Rezeption des Hörerverständnisses von „Himmelreich“. Es ist etwas Irdisches, wiewohl kein „Ort“, etwas vom Ort Unabhängiges, das nichtsdestoweniger mit meinem Glück zu tun hat. Die Umfrage der Verfasserin hat gezeigt, dass das Wort „Himmelreich“ durchaus noch in Gebrauch ist und dass die Befragten sehr wohl die Symbolik des Begriffs erfassen: Das Bild hat einen Hinter-Sinn. Das Himmelreich = Gottes Welt (jene und diese bzw. jene in dieser) ist erlebbar!
Das Gleichnis spielt nicht nur mit der Symbolik des Wortes, sondern es führt auch noch den Wert-Begriff ein. Auch diesen Zug nimmt die Predigerin auf. Das Gleichnis sagt: Das Himmelreich = Gottes Welt ist ein Wert an sich, der ökonomische Wert ist nichts dagegen. Den kann man dafür hingeben. Am Satz: „Des Menschen Wille ist sein Himmelreich“ verdeutlicht die Verfasserin lieblose und liebevolle Weltgestaltung: Absolutsetzung des menschlichen Willens zerstört Gemeinschaft, Umwelt, Quellen, aus denen man lebt; Verbindung mit Gottes Willen baut Gemeinschaft auf, pflegt Umwelt, achtet die Quellen, aus denen wir leben.
Fazit: In der bewussten Verschränkung meiner Welt mit Gottes Welt wird das Himmelreich auf Erden wahr. Darum: Teile dein Erleben von Gottes schöner Welt mit anderen!