Predigt

Gottes Zeit - geschenkte Zeit

Gesandt zu verbinden, die ein zerbrochenes Herz haben

PredigttextJesaja 61,1-11 (mit Einführung)
Kirche / Ort:Hamburg
Datum:05.01.2020
Kirchenjahr:2. Sonntag nach dem Christfest
Autor:Pastor Christoph Kühne

Predigttext: Jesaja 61,1-3(4+9)11 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 2017)

1 Der Geist Gottes des Herrn ist auf mir, weil der Herr mich gesalbt hat. Er hat mich gesandt, den Elenden gute Botschaft zu bringen, die zerbrochenen Herzen zu verbinden, zu verkündigen den Gefangenen die Freiheit, den Gebundenen, dass sie frei und ledig sein sollen; 2 zu verkündigen ein gnädiges Jahr des Herrn und einen Tag der Rache unsres Gottes, zu trösten alle Trauernden, 3 zu schaffen den Trauernden zu Zion, dass ihnen Schmuck statt Asche, Freudenöl statt Trauer, schöne Kleider statt eines betrübten Geistes gegeben werden, dass sie genannt werden »Bäume der Gerechtigkeit«, »Pflanzung des Herrn«, ihm zum Preise. 4 Sie werden die alten Trümmer wieder aufbauen und, was vorzeiten zerstört worden ist, wieder aufrichten; sie werden die verwüsteten Städte erneuern, die von Geschlecht zu Geschlecht zerstört gelegen haben. 5 Fremde werden hintreten und eure Herden weiden, und Ausländer werden eure Ackerleute und Weingärtner sein. 6 Ihr aber sollt Priester des Herrn heißen, und man wird euch Diener unsres Gottes nennen. Ihr werdet der Völker Güter essen und euch ihrer Herrlichkeit rühmen. 7 Dafür, dass ihr doppelte Schmach trugt, und für die Schande sollen sie über ihren Anteil fröhlich sein. Denn sie sollen das Doppelte besitzen in ihrem Lande. Sie sollen ewige Freude haben. 8 Denn ich bin der Herr, der das Recht liebt und Raub und Unrecht hasst; ich will ihnen den Lohn in Treue geben und einen ewigen Bund mit ihnen schließen. 9 Und man soll ihr Geschlecht kennen unter den Völkern und ihre Nachkommen unter den Nationen, dass, wer sie sehen wird, erkennen soll, dass sie ein Geschlecht sind, gesegnet vom Herrn. 10 Ich freue mich im Herrn, und meine Seele ist fröhlich in meinem Gott; denn er hat mir die Kleider des Heils angezogen und mich mit dem Mantel der Gerechtigkeit gekleidet, wie einen Bräutigam mit priesterlichem Kopfschmuck geziert und wie eine Braut, die in ihrem Geschmeide prangt. 11 Denn gleichwie Gewächs aus der Erde wächst und Same im Garten aufgeht, so lässt Gott der Herr Gerechtigkeit aufgehen und Ruhm vor allen Völkern.

(Eigene Übersetzung, Christoph Kühne)

(Der Prophet spricht:) 1 Der Geist des Herrn IHVH (ruhte) auf mir, weil mich gesalbt hat IHVH, den Leidenden zu verkündigen; er hat mich gesandt, zu verbinden, die ein zerbrochenes Herz haben, auszurufenden Verschleppten ihre Freilassung und den Gefangenen die Öffnung, 2 auszurufenein Jahrder Erlösung bei Gott und einen Tagder Rache unseres Gottes, zu tröstenalle Trauernden, 3 zu erfreuendie Trauernden Zions, zu gebenihnen: einen Turban statt Staub (Asche), Freudenöl statt Trauer, Jubelgewand statt einen Geist der Verzagtheit. Man nennt sie „(mächtige) Bäume der Gerechtigkeit“ / „Pflanzung IHVHs“, um sich zu verherrlichen. 4 Und sie bauen uralte Trümmerstätten wieder auf; was verödet ist seit den Vorfahren, richten sie auf, und sie erneuern Städte der Verwüstung, was verödet ist von Geschlecht zu Geschlecht. … 9 Und ihre Nachkommenschaft wird bekannt werden unter den Heiden, und ihr Nachwuchs mitten in den Völkern. Alle, die sie sehen, erkennen: das ist die Nachkommenschaft, die IHVH gesegnet hat. (Israel spricht:) 10 Ich freue mich sehr über IHVH, es jauchzt meine Seele über meinen Gott; denn er hat mich bekleidet mit den Gewändern der Hilfe, mit dem Mantel der Gerechtigkeit hat er mich eingehüllt - wie ein Bräutigam, der sich mit dem Kopfschmuck schmückt, wie eine Braut, die ihr Geschmeide anlegt. 11 Denn wie die Erde hervorbringt ihre Sprösslinge und ein Garten seine Zöglinge zum Spriessen bringt, so lässt der Herr IHVH lässt spriessen Gerechtigkeit und Lobpreis vor allen Völkern. -

Erste Gedanken beim Lesen des Predigttextes

Was für ein Anspruch, den “Jesaja“ formuliert! Wer kann das von sich behaupten, dass „der Geist des Herrn“ auf ihm sei und dass „der Herr mich gesalbt hat“? Wer kann von sich sagen, er sei der Messias, der Gesalbte, der Christus? Hier spricht ein Mensch, der sich gesandt weiss, „den Elenden gute Botschaft zu bringen“. Ist das nicht Aufgabe der Predigt, den Menschen ein „Evangelium“ weiterzugeben? Also könnten wir alle solche „Gesandte“, solche „Apostel“ sein! Und wir ermutigen andere Menschen „wieder aufzurichten, was vorzeiten zerstört worden ist“ (V 4). Und wir sind erkennbar als „Gesegnete vom Herrn“ (V9). Und dies ist keine Last sondern eine „Freude im Herrn“ (10a).

Der Sprecher weiss sich angezogen mit „Kleidern des Heils“, mit dem „Mantel der Gerechtigkeit“ (10b). Alles wirkt leicht, licht, fröhlich - wie eine Weihnachtsbotschaft. Wer von Gott gesandt ist, wächst auf, wird groß, schön. Er geht den Menschen auf wie die Sonne mit ihrem Licht, ihrer Wärme, ihrer Hoffnung. Und mit dem Menschen geht die Gerechtigkeit auf, ein „Ruhm vor allen Heidenvölkern“ (11). Jesus: Ihr seid das Licht der Welt (Mt 5,14). Was für ein Anspruch! Was für ein Zutrauen! Was für eine Verheissung an uns!

Theologische Anmerkungen

Der Predigtabschnitt wird „Tritojesaja“ zugesprochen, einem Autor, der Einblicke in das nachexilische Judentum vermittelt. Unser Abschnitt erinnert an die Gottesknechtslieder des Deuterojesaja.

Hier wird ein Prophet nicht von einem anderen Propheten in sein Amt eingesetzt sondern von IHVH selbst „gesalbt“ und berufen. Der Prophet weiss sich gesandt (V 1bß). Seine Aufgaben gelten teils für die seelische, teils für die körperliche Heilung:

V1 verkündigen den „Elenden“, Leidenden seelisch verbinden die gebrochenen Herzens sind seelisch ausrufen der Freilassung die Kriegsgefangenen körperlich Öffnung des Gefängnisses die Gefangenen körperlich

V2 ausrufen eines Gnaden-Jahrs und eines Vergeltungstags Volk, Feinde körperlich/seelisch trösten alle Trauernden seelisch

V3 Öl statt Asche ersetzen die Trauernden um Zion körperlich Seelisch kann ein Mensch nur gesunden, wenn er körperlich frei ist. Für die Freigewordenen beginnt somit ein „Jahr des Wohlgefallens“ (V2): Gottes Gnade ist größer als seine Vergeltung. Wenn die Gefangenen ihre Freiheit gewinnen, ist das Elend überwunden, und sie tragen wieder die „Insignien ihres Wohlstandes“ (vgl. Hiob!). Das Volk gleicht dann mächtigen Terebinthen (V 3b).

Folgende geschichtliche Phasen sind bisher festzustellen:

- Phase 1 (Vv1+2): Die Gefangenschaft ist zu Ende, das Exil vorbei. Die Gefangenen gewinnen Freiheit und Licht

- Phase 2 (V3): Der Trost setzt ein: an die Stelle des Unglücks tritt das Glück (Turban, Freudenöl, prächtiges Gewand)

- Phase 3 (V4): Die Trümmer werden weggeräumt, Israels Ansehen unter den Nationen steigt - und mit ihm das Ansehen Gottes, der sein Volk gesegnet hat.

Bis jetzt hat der Prophet gesprochen. Jetzt jubelt Israel. Es ereignet sich eine „Investitur“ des Volkes Gottes mit Turban und Festtagskleid. Doch der neue Prozess braucht Zeit - so wie Pflanzen Zeit brauchen, um zu wachsen. Doch dazu muss das Volk Gottes mitwirken. Gott wirkt das Gute, weil / wenn der Mensch zu wirken bereit ist. Es folgt

Phase 4 (V4+9): Das aus dem Exil zurückkehrte und dem Aufbau seines Landes zugewandte (V4), unter den Völkern wegen des Gottessegens bekannte Israel (V9) weiß in seiner Freude und seiner Dankbarkeit, dass nur im Wachsen der Gerechtigkeit seine Zukunft zu sichern ist.

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