Gut gestärkt

Mit Gottes Kraft den Krisen des Lebens begegnen

Predigttext: Römer 1, 13- 17 (mit Einführung)
Kirche / Ort: Ev. Kirche Rummenohl / Hagen
Datum: 22.01.2023
Kirchenjahr: 3. Sonntag nach Epiphanias
Autor/in: Pfarrer Norbert Deka

Predigttext: Römer 1,13-17 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 2017)

13Ich will euch aber nicht verschweigen, Brüder und Schwestern, dass ich mir oft vorgenommen habe, zu euch zu kommen – wurde aber bisher gehindert –, damit ich auch unter euch Frucht schaffe wie unter andern Heiden. 14Griechen und Nichtgriechen, Weisen und Nichtweisen bin ich es schuldig;
15darum, soviel an mir liegt, bin ich willens, auch euch in Rom das Evangelium zu predigen.
16Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht; denn es ist eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die glauben, die Juden zuerst und ebenso die Griechen.
17Denn darin wird offenbart die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welche kommt aus Glauben in Glauben; wie geschrieben steht (Hab 2,4): »Der Gerechte wird aus Glauben leben.«

Einführung

Der 3. Sonntag nach Epiphanias rückt die Verbreitung des Evangeliums über die ganze Welt in den Mittelpunkt.

Der Hauptmann aus Kapernaum erfährt die Heilung seines Knechts als jemand, der von seiner Herkunft her nicht dem jüdischen Volk angehört (Mt. 8,5-13). Und Paulus schreibt seine Zeilen an ihm unbekannte Menschen in Rom, dem damaligen Mittelpunkt der Welt. Er möchte ihnen sein Verständnis des Evangeliums nahebringen.

Auch das vorgeschlagene Wochenlied "Lobt Gott, den Herrn, ihr Heiden all" (EG 293) greift diesen Gedanken der grenzüberschreitenden Weitergabe des Evangeliums auf.

Der kleine Text berührt große theologische Themen, deren Bearbeitung in der Regel zu sehr grundsätzlichen Überlegungen führt. Auch Paulus wird im Anschluss ja sehr grundsätzlich.

Demgegenüber wird die kleine Gemeinde, der ich diese Predigt halte, in einer kühlen Kirche auf eine kurze und prägnante Auslegung des Textes hoffen.

Unser Predigttext ist der Abschluss der einführenden Worte, die Paulus an die ihm unbekannte Gemeinde in Rom richtet.

Der Text hat für mich 3 historische Ankerpunkte:

  • Paulus definiert hier theologisch grundsätzlich, was für ihn das Evangelium ist
  • Martin Luther entdeckt in dieser Perikope 1517 die Theologie der Rechtfertigung
  • im Jahr 2023 wird er von einer Gemeinde gehört, die verunsichert ist durch die Krisen zu Beginn des Jahres (Krieg, Klimawandel, Lebenshaltungskosten)

 

 

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Ich möchte Ihnen Marlies Klocker vorstellen. Marlies Klocker leitet die Tafel in Landsberg. Mittwoch für Mittwoch sieht sie Menschen, denen das Geld fehlt, um sich das Notwendigste zum Leben kaufen zu können. Menschen, deren Rente nicht reicht, Menschen, die nicht wissen, wie sie ihre Heizkosten bezahlen sollen. Mittwoch für Mittwoch teilt sie gemeinsam mit ihren Mitarbeitenden die Spenden der Lebensmittelläden an die Bedürftigen aus. Deren Zahl hat sich im vergangenen Jahr mehr als verdoppelt.

I.

Angesichts dieser Entwicklung verzweifelt Marlies Klocker nicht, sondern macht weiter. Das liegt daran, dass sie in ihrer Aufgabe einen Sinn sieht. Sie hat ihre Bestimmung gefunden. Sie sagt: “Es ist einfach schade, wenn man überlegt, was alles weggeworfen wird. Und wenn man dann mit diesen Spenden den Menschen ein wenig Freude machen kann, ist es schön. Das treibt mich bis heute an.”“ (Süddeutsche Zeitung, 24. 12. 2022, Resort “Meinung”) An diesen kleinen Bericht, der am Heiligen Abend in der Süddeutschen Zeitung zu lesen war, musste ich denken, als ich den Predigttext des heutigen Sonntags las. Denn auch darin berichtet ein Mensch davon, dass er anderen eine Freude machen möchte. Auch darin berichtet ein Mensch davon, was ihn lange Zeit seines Lebens antreibt. Es ist der Apostel Paulus.

Paulus möchte der Gemeinde in Rom eine Freude machen. Er möchte sie besuchen und ihr dabei das Evangelium verkündigen. Für ihn ist das Evangelium die Kraft Gottes, die ihn antreibt, allen Menschen von Gott zu erzählen. Der Predigttext des heutigen Sonntages kommt aus dem Brief des Apostels Paulus an die Römer.

(Lesung des Predigttextes Römer 1,13-17)

Ich möchte dem Gedanken nachgehen, was das für eine Kraft ist, von der Paulus da spricht. Vermutlich können wir die Wirkung der Kraft am besten im Leben des Paulus selbst entdecken. Er hatte unter den christlichen Gemeinden zunächst keinen guten Ruf. Er war nicht immer der freundliche Missionar, der die Gemeinde in Rom jetzt besuchen möchte. Er hat vor noch nicht allzulanger Zeit die christlichen Gemeinden verfolgt. Und das sehr “erfolgreich”. Das hatte sich herumgesprochen. Dann berührt ihn die Kraft Gottes. Paulus spürt diese Kraft Gottes nach eigenen Angaben zum ersten Mal, als er erkennt: Es ist Christus selbst, den er verfolgt. Er spricht davon, dass er eine Offenbarung erlebt hat. Wir wissen nicht genau, was er damit meint. Aber wir sehen die Wirkung dieses Geschehens: Er ändert sein bisheriges Leben und macht sich nun zum Ziel, allen Menschen von Jesus Christus zu erzählen. Diese Änderung seines Lebens ist bei uns sprichwörtlich geworden. Wenn jemand sein Leben oder sich selbst grundlegend verändert, sprechen wir davon, dass er “vom Saulus zum Paulus” geworden ist.

Paulus bleibt nicht zu Hause, sondern nimmt Abschied von seiner Familie und allen, die ihm vertraut sind und bricht in die Welt auf. Auf mehreren langen und umfangreichen Reisen wird Paulus Gemeinden gründen und das Evangelium verbreiten. Das Evangelium hat ihn mit einer solchen Kraft berührt, dass er sein ganzes Leben auf diese neue Aufgabe ausrichtet und seine eigentliche Bestimmung für sich gefunden hat. Aus Glauben leben heißt für ihn: mit Gott und der Kraft, die man hat, anderen diese gute Botschaft bringen.

II.

Ein paar Jahrhunderte später wird Martin Luther beim Lesen unseres Predigttextes ein ähnliches Erlebnis haben. Er erkennt, dass er Gott nicht ständig um Vergebung für sein Verhalten bitten muss. Das ist eine sehr anstrengende und Kräfte raubende Tätigkeit. Geradezu befreiend ist dagegen die Erkenntnis: Gerade weil Gott mir die Kraftanstrengung abnimmt, mit ihm ins Reine zu kommen, kann ich meine Kraft für andere Dinge einsetzen. So wird er sich nach dieser Entdeckung dafür einsetzen, dass die Kirche sich auf Jesus Christus konzentriert. Nicht alle folgen ihm, und am Ende finden sich die Parteien in der evangelischen und der katholischen Kirche wieder.

Aus Glauben leben heißt für Martin Luther: mit aller Kraft darauf hinweisen, dass Gott uns liebt, ohne dass wir uns dafür anstrengen müssen. Wir sind nicht Paulus und auch nicht Martin Luther. Dieses Jahr ist erst ein paar Wochen alt, aber wir alle kennen Menschen, die mit ihrer persönlichen Kraft am Rand oder schon am Ende sind.

Die Menschen in der Schlange der Tafel in Landsberg machen sich Sorgen darum, wie sie ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Sie stehen nicht freiwillig dort. Das Leben ist zu teuer geworden für das, was sie im Portemonnaie haben. Sie sind angewiesen auf die Unterstützung. Der Alltag ist sehr kraftraubend, wenn man täglich für das Notwendigste sorgen muss.

Oder schauen wir auf die Situation in manchen Familien. Die Erziehung und das Begleiten der Kinder kosten die Eltern viel Kraft. Und das umso mehr, wenn in der Schule Unterricht ausfällt oder in der Kita die Erzieherinnen krank sind. Vielleicht werden Sie als Oma, Opa, als Nachbar, Nachbarin in solchen Situationen dankbar angefragt. Stehen bereit, wenn das Kind krank ist oder der Schulunterricht ausfällt. Dann helfen Sie mit Ihrer Kraft. Und es ist ein Segen für Ihre Kinder und Enkel, dass Sie da sind. Wer aber nicht auf eine solche Unterstützung zurückgreifen kann, der muss das aus eigener Kraft schaffen. Da ist man schnell am Ende mit den eigenen Kräften.

Vielleicht gehören Sie selbst ja auch zu den Menschen, die durch ihren Beruf oder ihre persönlichen Lebensumstände an die Grenze ihrer Kraft kommen. Es gehört zu unserem Leben, dass wir manchmal nicht mehr können. Dass uns die Kraft fehlt. Dass wir denken, es geht nicht mehr weiter. Auch Paulus und Luther kannten solche Erschöpfungszustände. Beide sind bei ihren Aufgaben deutlich an und über die Grenzen ihrer Kraft gegangen. Das hat ihnen gesundheitlich sehr geschadet. Wo die eigene Kraft fehlte oder zu Ende war, vertrauten sie auf Gottes Kraft. Ihr Glaube half ihnen, nicht aufzugeben und durchzuhalten. Sie spürten: Gott sagt zu ihnen: ich bin da! Ich denke, das ist eine gute Nachricht für alle, deren Kräfte nachlassen zu Hause, im Beruf, in der Pflege eines lieben Angehörigen.

III.

„Ich bin da – du bist nicht allein!“ Das ist für mich das Evangelium, das alle auffängt, die Hilfe brauchen. Aus Glauben leben kann dann heißen: in der Krise darauf vertrauen, dass Gott sagt: “Ich bin da!” Gott bietet uns seine Kraft an. Noch einmal: Wir sind nicht Paulus und nicht Martin Luther. Beide haben ihr Leben vollkommen umgestellt und neu ausgerichtet. Wir werden aus unserem Leben nicht so einfach aussteigen können oder auch wollen. Aber Paulus und Luther erinnern uns heute morgen daran, dass Gott auch uns seine Kraft anbietet. Und damit komme ich nochmal auf Marlies Klocker. Die Tafel-Leiterin, deren Glück die Freude der anderen ist. Sie war viele Jahre ihres Lebens für die Familie und ihre Kinder da. Aber als die Kinder aus dem Haus waren, hatte sie Zeit. Sie fragte sich, was sie anfangen soll mit dieser Zeit. Sie hat sich entschieden, ihre Kraft so einzusetzen, dass andere etwas davon haben. 17 Jahre ist das jetzt her. Dass daraus mal ein solcher Betrieb werden würde, wie er heute an der Landsberger Tafel herrscht, hat sie sicher nicht gedacht. Und wenn ich es recht höre, war es auch keine Entscheidung aus einer frommen Situation heraus. Und trotzdem hat sie nach all den Jahren ihre Bestimmung gefunden. Leben heißt für sie: anderen mit der Kraft, die man hat, eine Freude machen.

Paulus und Martin Luther lebten in ihren schweren Zeiten aus dem Glauben heraus, dass Gott gerade jetzt für sie da ist! Marlies Klocker sieht in der Freude, die sie anderen Menschen mit ihrem Einsatz macht, den Lohn für ihre Zeit und Kraft. Sie zweifelt auch angesichts der schwerer werdenden Aufgabe nicht daran, dass ihr Einsatz gut und sinnvoll ist.

Gott bietet uns seine Kraft zum Leben an,
schenkt sie uns, wenn unsere Kraft klein ist und nicht reicht,
stärkt uns so, dass wir auch Kraft finden, für andere etwas zu tun,
hilft uns in unseren Krisen und wenn wir auf der Suche nach einem sinnvollen Leben sind.
Gott sagt: “Ich bin da!”

 

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Ein Kommentar zu “Gut gestärkt

  1. Pastor i.R. Heinz Rußmann

    Diese Predigt ist markant und verständlich formuliert. Sie beginnt mit dem anrührenden Beispiel von christlichem Engagement von Marlies Klöcker. Paulus wollte und konnte damals auch die Gemeinden ums Mittelmer und in Rom beglücken mit der christlichen Botschaft. Die Predigt möchte die christliche Liebe dem Hörer nahebringen. Paulus war ja zuerst als frommer Jude ein Feind des christlichen Glaubens, der dann auf langen Missionsreisen alle überzeugen wollte von Jesus. Mehr als tausend Jahre später wird Martin Luther von der frohen und befreienden Botschaft von Jesus durch Paulus ergriffen und ein zweitgrößter Missionar für Jesus. Trotz unserer Bedrohung durch Überlastung kann uns Gott immer neue Kraft schenken durch das Evangelium von Jesus. Durch Jesus ist er für uns da und schenkt uns neue Kraft. Paulus und Luther und Frau Klöcker heute leben in diesem bestärkenden Glauben.Eine sehr überzeugende und bewegende Predigt.

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