Guten Mutes

Krisen überwinden

Predigttext: Markus 4,35-41 zum 4. Sonntag vor der Passionszeit
Kirche / Ort: Versöhnungskirche / Travemünde
Datum: 10.02.2019
Kirchenjahr: Sonstige Anlässe
Autor/in: Pastor em. Hans-Dieter Krüger

Predigttext: Markus 4,35-41 (Übersetzung nach Martin Luther)

35 Und am Abend desselben Tages sprach er zu ihnen: Lasst uns ans andre Ufer fahren.
36 Und sie ließen das Volk gehen und nahmen ihn mit, wie er im Boot war, und es waren noch andere Boote bei ihm.
37 Und es erhob sich ein großer Windwirbel, und die Wellen schlugen in das Boot, sodass das Boot schon voll wurde.
38 Und er war hinten im Boot und schlief auf einem Kissen. Und sie weckten ihn auf und sprachen zu ihm: Meister, fragst du nichts danach, dass wir umkommen?
39 Und er stand auf und bedrohte den Wind und sprach zu dem Meer: Schweig! Verstumme! Und der Wind legte sich und es ward eine große Stille.
40 Und er sprach zu ihnen: Was seid ihr so furchtsam? Habt ihr noch keinen Glauben?
41 Und sie fürchteten sich sehr und sprachen untereinander: Wer ist der, dass ihm Wind und Meer gehorsam sind!

Vorbemerkungen zur Predigt

In diesem Gottesdienst wird die Bachkantate „Jesus schläft, was soll ich hoffen“ BWV 81 zu Gehör gebracht. Ausführende sind Mitglieder des Rocaille-Ensemble Lübeck. Den Abschluss dieser Kantate bildet die Choralstrophe von Johann Franck: „Unter deinen Schirmen bin ich vor den Stürmen aller Feinde frei. Lass den Satan wettern, lass den Feind erbittern, mir steht Jesus bei. Ob es jetzt gleich kracht und blitzt, ob gleich Sünd und Hölle schrecken, Jesus will mich decken.“

In der Predigt werde ich versuchen, die positive Stimmung aus der Anfangszeit des Wirkens Jesu aufzunehmen und durchzuhalten. Nicht das Thema „Trost im Leid“ soll im Vordergrund stehen, sondern die „Überwindung von Krisen“. Nicht die Verarbeitung von Niederlagen, sondern die Freude über errungene Siege soll der Gemeinde nahe gebracht werde.

Ich weiß, dass die Frage nach den Katastrophen, Untergängen, schrecklichen Unfällen und Verbrechen nahe liegt. Ich werde sie hier andeuten, aber in der Predigt bewusst nicht ansprechen, um die Hoffnung, Freude und Zuversicht, die ich vermitteln möchte, nicht zu dämpfen. Es ist uns klar, dass es nicht nur Rettung aus Seenot gibt, sondern auch Untergänge. Von einigen Tagen wurde an den Untergang der Gustloff erinnert. Am 30. Januar 1945 wurde dieses Schiff, auf dem tausende Flüchtlinge evakuiert werden sollten, von Torpedos getroffen. Die meisten Passagiere kamen ums Leben.

Was sollen wir dazu sagen? Wo war Gott? Der renommierte Journalist Henryk Broder hat zu solchen Katastrophen vor Kurzem einen bissigen Kommentar geliefert, als er auf die Frage, wo Gott gewesen sei und dabei auch den Holocaust erwähnte, dem Sinne nach folgende Antwort gegeben: „Wahrscheinlich hat Gott gerade ein Schläfchen gehalten oder war auf eine Tasse Kaffee weg“. Eine recht schlichte, ja naive Gottesvorstellung, die leider von Vielen geteilt wird.

Da gibt es bessere Antworten, z.B. die von Gorch Fock: Er schreibt aus dem 1. Weltkrieg, während er bei der Marine ist, an seine Mutter: »Und wenn du hören solltest, dass unser Kreuzer versunken und niemand gerettet sei, dann weine nicht! Das Meer, in das mein Leib versinkt, ist auch nur eine Pfütze in der hohlen Hand meines Heilandes, aus der mich nichts reißen kann.« In der Tat verlor Gorch Fock sein Leben in einer Seeschlacht. Dieses schöne Glaubenszeugnis ist aber im Duktus dieser Predigt nicht angebracht, zumal der Name „Gorch Fock“ inzwischen umstritten ist, weil seine Äußerungen als zu national gelten und die Bundeswehr ein neues  Ausbildungsschiff nicht mehr nach ihm benennen würde.

  

 

 

 

 

 

 

 

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Glückliche Zeiten

Wie schön ist es, wenn unser Lebensschiff sorglos und unbeschwert durch die Wellen gleitet. Wie geht unser Herz auf, wenn uns die Sonne des Glückes lacht, wenn die Winde günstig stehen, wenn uns so gut wie alles gelingt und wir unserm Herrn danken und jubeln können: „Wie groß bist Du, wie groß bist Du!“ Solch glückliche Zeiten hat Jesus auch erlebt, besonders zu Beginn seiner Wirksamkeit. Wir richten unser Augenmerk ja meist auf sein Lebensende, auf die Zeit in Jerusalem, dort, wo er viel Feindschaft erfahren hat und zum Schluss verurteilt und am Kreuz hingerichtet wurde.

Auch wenn wir darum wissen, dass dieser Tod im Plan Gottes vorgesehen war und Jesus sein Lebensende positiv gedeutet hat als er rief: „Es ist vollbracht“ und damit zum Ausdruck brachte, dass in diesen Augenblicken das Heilswerk Gottes, unsere Rettung aus der Macht der Sünde und des Todes, offenbart und vollendet wurde, so ist dieses Passionsgeschehen doch immer wieder bedrückend und macht uns traurig. 

Darum ist es gut, auch auf die Zeiten im Leben Jesu zu blicken, in denen er als junger Mann frisch und unbeschwert durchs Leben wanderte, erfüllt von seiner Berufung, das Reich Gottes anzusagen und ihm in seiner Person durch Wort und Tat Präsenz zu verleihen. Aufgewachsen in Nazareth, wo er das Handwerk seines Vaters erlernte und nach dessen Tod Verantwortung für seine Mutter und die Geschwister übernahm, bis diese selbstständig waren und seine Unterstützung nicht mehr brauchten. Da ließ er sich am Nordufer des Sees Genezareth nieder und begann dort seine Wirksamkeit. 

Es war eine schöne Gegend. Weinberge und Olivenhaine säumten die Wege, wogende Weizenfelder erfreuten das Auge, der See spendete erfrischende Brisen. Hier ließ es sich gut leben. Hier finden wir eine ganze Reihe von idyllisch gelegenen Dörfern und hübschen kleinen Städtchen, darunter auch Kapernaum, wo sich Jesus gerne aufhielt. Hier fand er seine ersten Jünger, darunter Petrus, der einen Fischereibetrieb besaß und mehrere Mitarbeiter beschäftigte. Es steht zwar nicht in der Bibel, aber ich kann mir vorstellen, dass Jesus schon früher Kontakt zu den Fischern des Sees Genezareth unterhielt, indem er ihnen ihre Boote baute und reparierte. Er war als gelernter Zimmermann sozusagen „vom Fach“. 

Eine herrliche Zeit. Glückliche Jahre. Die Evangelien erzählen davon, wie Jesus in Harmonie mit seinem himmlischen Vater lebte und ihm alles gelang. Er besaß heilende Kräfte. So gut er konnte, hat er alle, die mit ihren Krankheiten und Beschwerden zu ihm kamen, gesund gemacht. Seine Predigten zogen Tausende in ihren Bann. Keiner vor ihm hat so herzlich und eindrucksvoll vom Wesen Gottes gesprochen wie er: Von seiner Liebe, seiner Fürsorge, seiner Vergebung, seinem Erbarmen. Er zog die Menschen an wie ein Magnet. Die Liebe, die er ausstrahlte,  war so voller Energie, so überschäumend, so ergreifend, dass sie der Meinung waren, dass sie hier jemandem begegneten, der nicht von dieser Welt sein konnte, der in seiner Art überirdisch war. Und mit dieser Ansicht lagen sie ja nicht falsch. 

So zog sein Lebensschiff ruhig und fröhlich seine Bahn. Sein Wirken in Wort und Tat war reich gesegnet. Es waren wohl drei Jahre, die diese glückliche Fahrt währte. Wie sehr mag er sich an diese schönen und erfüllten Zeiten erinnert haben, als seine Berufung ihn in schweres Wasser führte, als ihm steinige Wege beschieden wurden. Uns mag es auch so ergehen, wenn wir an die Jahre denken, in denen wir sorglos und unbeschwert über die Höhen des Lebens gingen, manchmal vielleicht etwas gedankenlos, aber im nachhinein doch sehr dankbar für alles Glück und Gelingen, für Fürsorge und Bewahrung und daraus Zuversicht und Kraft schöpfen, wenn wir steile und widrige Wege zu gehen und zu bestehen haben.

Krisen

Das Evangelium macht uns aber auch deutlich, wie schnell sich glückliches und gnädiges Geschick wenden kann. Gerade noch schien die Sonne, und auf einmal bewölkt sich der Himmel. Gerade noch genossen wir eine milde Brise, und wie aus dem Nichts kommt Sturm auf und macht aus der ruhigen See einen Hexenkessel. So kann es in unserem Leben zugehen, und mancher hat dies schon erfahren. „Glück und Glas, wie leicht bricht das“, sagt der Volksmund zu Recht. Plötzlich und oft unerklärlich gehen gute und gesunde Beziehungen zu Ende, zerbrechen jahrelange Freundschaften. Da geht man ahnungslos zur Routineuntersuchung und bekommt eine schreckliche Diagnose, die uns den Boden unter Füßen wegzieht.  

In solch bedrohlicher Situation haben sich die Jünger an ihren Herrn gewandt, haben ihn wachgerüttelt und ihm die Gefahr, in der sie waren, vor Augen gehalten, haben ihm sogar zum Vorwurf gemacht, dass es ihn nicht interessiere, ob sie in den Fluten der See versinken. Wir verstehen ihre Panik. Ihren Hilfeschrei machen wir uns zu Eigen, wenn uns das Wasser bis zum Halse steht: „Herr, hilf mir, lass mich nicht im Stich, ich will nicht untergehen.“ 

Jesus hilft

Es ist interessant, wie Jesus auf diese Panikattacke seiner Jünger reagiert. Er hätte sagen können: „Regt euch nicht auf, fürchtet euch nicht. Wenn wir auch untergehen, so bleiben wir doch in Gottes Hand, und in der Ewigkeit sehen wir uns wieder.“  Nein, Nein, Nein und noch mal Nein! Das sind Worte, die sich zwar gut anhören, aber es sind nicht seine Worte. Es ist nicht seine Art, uns Menschen  auf diese Weise Trost und Hilfe zu geben. Wenn ein Blinder ihn um Heilung anflehte, sagte er auch nicht zu ihm. „Finde dich mit deinem Schicksal ab!“, sondern er gab ihm sein Augenlicht wieder. Wenn Aussätzige zu ihm kamen, sagte er auch nicht: „Damit müsst ihr fertig werden, das ist nun mal euer Los auf Erden.“ Nein, er machte sie rein. 

Wenn Jesus mit Menschen zu tun bekam, die unter der Last ihrer Sünde litten, sagte er auch nicht: „Das habt ihr euch selbst eingebrockt, jetzt müsst ihr auch die Konsequenzen tragen“, sondern er hat ihnen Mut zu gesprochen und ihnen geraten, einen neuen Anfang zu wagen und sich zu bessern: „Sündige hinfort nicht mehr“, so kommentierte er oft abschließend solche Begegnungen. Sich mit misslichen Situationen abfinden, das ist nicht seine Sache gewesen und ist es bis heute nicht. Deswegen steht er uns auch bei, wenn wir in Schwierigkeiten sind.

Jesus hilft uns nicht nur, damit fertig zu werden, sondern sie zu überwinden. Darum ist es richtig, wenn wir in Krankheitsnöten nicht einfach aufgeben, sondern um Heilung kämpfen. Darum dürfen wir in der Arbeit der Ärzte seine Hände am Werk sehen, und es ist wunderbar, dass auf diesem Gebiet nicht nur Niederlagen erlitten werden, sondern noch vielmehr Siege errungen werden. Da hat Jesus entscheidende Impulse gegeben und sein heilendes Wirken geht weiter und ist ein Segen für die Menschheit, und mancher von uns hat davon schon profitiert. 

Jesus der Herr über die Elemente

„Und er stand auf und bedrohte den Wind und sprach zu dem Meer: Schweig! Verstumme! Und der Wind legte sich und es ward eine große Stille.“ Was ist die Botschaft dieses Verses? Jesus legt sich mit den Elementen der Natur an, mit den gewaltigen Kräften, denen wir Menschen nicht gewachsen sind. Der Sturm war plötzlich vorbei. Das hat Jesus bewirkt. Oder war es Zufall, wie manche meinen? Die Jünger haben dieses Ereignis auf die Person Jesu bezogen, und die christliche Gemeinde hat sich dieser Deutung angeschlossen: „Der Wolken, Luft und Winden gibt Wege Lauf und Bahn, der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann“ so besingt es Paul Gerhardt. 

Ob Zufall oder nicht: Wenn sich für uns das Blatt zum Guten wendet, wenn uns das Schicksal wohl gesonnen ist, dann können uns solche Überlegungen gleichgültig sein. Wir sind unserem Herrn dankbar und bekennen gern: „Die Sonne, die mir lachet, ist mein Herr Jesus Christ“. Hinter den gebietenden Worten Jesu, mit denen er seinerzeit Wind und Wellen niederzwang, steht die gewaltige Schöpfermacht Gottes, an der er von Anfang an beteiligt ist. Wir können die Zusammenhänge der kosmischen Vorgänge nicht erklären. Wir möchten wohl wissen, wie die Kräfteverhältnisse zueinander stehen: Licht und Dunkel, das Gute und die Bosheit, Gott und Satan, Himmel und Hölle. Unsere Fragen bleiben offen.  Aber wir dürfen dem vertrauen, der die Antwort kennt, der das alles umfasst und eines Tages das letzte Wort spricht. 

Uns allen wünsche ich für unser Lebensschiffchen eine gute und glückliche Fahrt. Wir können guten Mutes sein. Wir haben ja Jesus an Bord, ihn, dem wir Glauben und Vertrauen schenken. Ihn, der Wind und Wetter mächtig gebieten und drohende Katastrophen in Schach halten kann. Mögen wir mit seiner Hilfe den Hafen unbeschadet erreichen und dort ankommen, wo das Ziel unseres Lebens ist und die tiefste Bestimmung unseres Daseins auf uns wartet: Zuhause zu sein in der ewigen Heimat, am Herzen des himmlischen Vaters. Bach hat seiner Kantate mit der wunderbaren, kraftvollen Strophe von Johann Frank einen krönenden Abschluss gegeben, den wir uns gerne zu Eigen machen: „Unter deinen Schirmen bin ich vor den Stürmen aller Feinde frei. Lass den Satan wettern, lass den Feind erbittern, mir steht Jesus bei. Ob es jetzt gleich kracht und blitzt, ob gleich Sünd und Hölle schrecken, Jesus will mich decken“.

   

  

 

 

    

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Ein Kommentar zu “Guten Mutes

  1. Pastor i.R.Heinz Rußmann

    Schon wieder eine wunderbar seelsorgerliche Predigt mit positiver Stimmung von Pastor Krüger ! In sehr vielen Predigten geht es heute ja um Trost im Leid und Ertragen des Bösen. Pastor Krüger malt mit Freude das glückliche erste Jahr von Jesu Wirken am schönen See Genezareth mit seinen Jüngern mit Mission und Heilungen. Jesus reparierte sicher auch die Boote als gelernter Zimmermann von Petrus und den Fischern und ist auch mit den Fischern über den See gesegelt und gerudert. Wegen des Gemeinschaftsgefühl der Ruderer hat er später Petrus zum ersten Papst bestimmt. Jesus lebte in Harmonie mit seinem Vater im Himmel, als Prediger und als Heiler. Im Boot und im Leben gibt es Stürme und Krisen. Jesus hilft auf die Bitten der Jünger hin. Er vertröstet nicht, sondern hilft und heilt. Er hat dem Heilen der heutigen Ärzte vorgearbeitet. Durch sie erfahren wir nach Teilhard de Chardin heute am meisten göttliche Hilfe. Wir können heute nicht Jesu Macht über die Natur erklären, aber an sie glauben. Diese Predigt malt nicht schwarz oder weiss, sondern ist sehr seelsorgerlich für Herz und Seele.

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