Predigt

"Hauptsache gesund"

Ist es manchmal so, dass ein Mensch eine Krankheit braucht, um seelisch wieder zu sich zurück zu finden?

PredigttextMarkus 2,1-12 (mit exegetischer und homiletischer EInführung)
Kirche / Ort:Lutherkirche / Karlsruhe
Datum:11.10.2015
Kirchenjahr:19. Sonntag nach Trinitatis
Autor:Pfarrerin Ulrike Krumm

Predigttext: Markus 2, 1-12 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

1 Und nach einigen Tagen ging er wieder nach Kapernaum; und es wurde bekannt, dass er im Hause war. 2 Und es versammelten sich viele, so dass sie nicht Raum hatten, auch nicht draußen vor der Tür; und er sagte ihnen das Wort. 3 Und es kamen einige zu ihm, die brachten einen Gelähmten, von vieren getragen. 4 Und da sie ihn nicht zu ihm bringen konnten wegen der Menge, deckten sie das Dach auf, wo er war, machten ein Loch und ließen das Bett herunter, auf dem der Gelähmte lag. 5 Als nun Jesus ihren Glauben sah, sprach er zu dem Gelähmten: Mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben. 6 Es saßen da aber einige Schriftgelehrte und dachten in ihren Herzen: 7 Wie redet der so? Er lästert Gott! Wer kann Sünden vergeben als Gott allein? 8 Und Jesus erkannte sogleich in seinem Geist, dass sie so bei sich selbst dachten, und sprach zu ihnen: Was denkt ihr solches in euren Herzen? 9 Was ist leichter, zu dem Gelähmten zu sagen: Dir sind deine Sünden vergeben, oder zu sagen: Steh auf, nimm dein Bett und geh umher? 10 Damit ihr aber wisst, dass der Menschensohn Vollmacht hat, Sünden zu vergeben auf Erden – sprach er zu dem Gelähmten: 11 Ich sage dir, steh auf, nimm dein Bett und geh heim! 12 Und er stand auf, nahm sein Bett und ging alsbald hinaus vor aller Augen, so dass sie sich alle entsetzten und Gott priesen und sprachen: Wir haben so etwas noch nie gesehen.

Exegetische und homiletische Einführung

In Mk 1,45 (vgl. V. 35.38) verlässt Jesus Kapernaum, weil ihm der Erwartungsdruck aufgrund seiner Heilungen zu groß wird. Wieder zurückgekehrt, sagt er ihnen „das Wort“ (2,2). Demzufolge läge der Akzent der Geschichte nicht auf der Heilung, sondern auf der Sündenvergebung! Dennoch ist die Szene so bildhaft gemalt, dass man den Kranken förmlich vor Jesu Füßen liegen sieht. Als Person ist er wahrgenommen. So wird eine Spannung aufgebaut, durch die die in V. 9 gestellte Frage eine echte und keine bloß rhetorische ist. Was ist leichter? Und was ist wichtiger?

In V. 9 wird das „Sagen“ betont, im Gegensatz zum Tun, aber auch als Kommunikations- und damit Beziehungsakt zwischen Jesus und dem Gelähmten. Es ist leicht zu sagen, dass Sünden vergeben sind – wer könnte es nachprüfen? Der Erfolg einer Heilung dagegen liegt vor Augen. Der Gelähmte könnte enttäuscht sein (und die Kirche ertappt: Vergebung verkünden ist leicht – aber wo bewirken wir Heilung)? Die Schriftgelehrten dagegen nehmen gerade an der Zusage der Vergebung Anstoß. Verständlich: Wunderheiler gab es viele, aber Sündenvergebung rührt an die Dimension zwischen Himmel und Erde, das kann nur Gott. Jesus widerspricht ihnen nicht. Aber er argumentiert auf einer anderen Ebene. Er zieht das Dogma von der Sündenvergebung ins Leben hinein – in die konkrete Beziehung zwischen dem Kranken und ihm. Es geht um das „Sagen“ der Sündenvergebung. Will der Kranke es hören? Jesus sah den Glauben seiner Freunde (V.5) – hat der Gelähmte den Glauben und damit sich selbst schon aufgegeben?

Mit dem Zuspruch der Sündenvergebung riskiert Jesus Enttäuschung und Abwehr. Vor allen Leuten spricht er den Kranken auf seine gestörte Gottesbeziehung an. Er scheint sogar der unbarmherzigen Meinung Nahrung zu geben, als sei die Krankheit eine Strafe für seine Sünden! Dabei ist sein Zuspruch der erste Schritt zur Heilung. Jesus reduziert den Kranken nicht auf seine Lähmung. Er entdeckt in ihm den ganzen Menschen und hilft ihm, der sich selbst vielleicht schon längst auf seine Lähmung reduziert hat, sich als ganzen Menschen wieder zu verstehen. Vergebung öffnet den Weg, an Leib und Seele Gottes Heil zu erfahren. Die körperliche Heilung die folgt stellt Jesus in dieses Licht und lässt sie für die Schriftgelehrten im logischen Schluss vom Geringeren auf das Größere zum Zeichen seiner Vollmacht werden. Zum Gelähmten sagt Jesus „Geh heim“ und nicht wie vorher (V. 9) „geh umher“ und meint damit ein Aufgehobensein an Leib und Seele.

Den Gottesdienst in der Lutherkirche feiere ich zusammen mit dem Team der Gemeindebücherei. Das Buch zum Film „Ziemlich beste Freunde“ (Philippe Pozzo di Borgo, Frankfurt, 3. Aufl. 2013) wird, in kleinen Auszügen gelesen, die Predigt begleiten.

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