Predigt

Heiliger Weg

Wohin sind wir eigentlich unterwegs?

PredigttextJesaja 35, 3-10
Kirche / Ort:Wertheim-Bestenheid
Datum:09.12.2012
Kirchenjahr:2. Sonntag im Advent
Autor:Pfarrer Jürgen Steinbach

Predigttext: Jesaja 35, 3-10 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

3 Stärket die müden Hände und macht fest die wankenden Knie! 4 Saget den verzagten Herzen: »Seid getrost, fürchtet euch nicht! Seht, da ist euer Gott! Er kommt zur Rache; Gott, der da vergilt, kommt und wird euch helfen.« 5 Dann werden die Augen der Blinden aufgetan und die Ohren der Tauben geöffnet werden. 6 Dann werden die Lahmen springen wie ein Hirsch, und die Zunge der Stummen wird frohlocken. Denn es werden Wasser in der Wüste hervorbrechen und Ströme im dürren Lande. 7 Und wo es zuvor trocken gewesen ist, sollen Teiche stehen, und wo es dürre gewesen ist, sollen Brunnquellen sein. Wo zuvor die Schakale gelegen haben, soll Gras und Rohr und Schilf stehen. 8 Und es wird dort eine Bahn sein, die der heilige Weg heißen wird. Kein Unreiner darf ihn betreten; nur sie werden auf ihm gehen; auch die Toren dürfen nicht darauf umherirren. 9 Es wird da kein Löwe sein und kein reißendes Tier darauf gehen; sie sind dort nicht zu finden, sondern die Erlösten werden dort gehen. 10 Die Erlösten des HERRN werden wiederkommen und nach Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird entfliehen.

Einführung zum Predigttext

- Alle Ausleger tun sich schwer mit der Ankündigung: Gott „ „(…) kommt zur Rache; Gott, der da vergilt, kommt und wird euch helfen.“ “ (4). Mir geht das auch so, denn ein rächender Gott kommt in Perikopentexten selten vor. Der Gedanke ist in diesem Abschnitt so wichtig, dass er sogar als Teil einer Rede wörtlich festgehalten ist. Und er ist inhaltlich der Angelpunkt um den herum sich die Verse 3.4a und 5.6 lagern. Dass Gott zur Rache kommt und vergilt, läutet einen Wendepunkt ein: Auf diesen Moment hin werden die müden Hände gestärkt, die wankenden Knie gefestigt. Durch ihn werden die verzagten Herzen getröstet, die Augen der Blinden aufgetan, die Ohren der Tauben geöffnet, Lahme springen und die Zungen der Stummen frohlocken. Durch die Rache Gottes kommt all das in Gang. Die Rache besteht hier dabei nicht in einer Vergeltungsaktion, sondern darin, dass „die Augen der Blinden aufgetan und die Ohren der Tauben geöffnet werden.“ Ziel und Mittel der Rache Gottes sind eins. Sie bewirkt Einsicht und Verstehen.

Konkret: Die „Großen“ in Israel, werden in 5, 8 ff als raffgierig und großspurig beschrieben, die das Recht beugen und brechen um daraus persönliche Vorteile zu ziehen. Sie verdrehen die Wahrheit, indem sie Böses gut und Gutes böse nennen. Gott, das ist nur ein Wort, eine Hülse ohne Inhalt, jedenfalls keinen, den es zu achten und zu beachten gilt. Der Glaube an Gott ist lediglich ein Lippenbekenntnis. Was Gott will, ist für die „Großen“ unerheblich. Sie rechnen nicht mit ihm. So machen sie Politik nach eigenem Gutdünken. Kritische Einwände verhallen ungehört. Der Vergleich mit Sodom liegt nahe (vgl. 1, 7 ff). Das Ergebnis ist katastrophal: Gott wird verraten, und das Volk wird zu einem Spielball der Großmächte. Die „Kleinen“ sind die Leid tragenden. Die politisch Verantwortlichen sind zur Führung aus dieser Lage nicht imstande. Nur Gott selbst kann hier Neues schaffen. Wenn Gott kommt, dann wird es mit all dem ein Ende haben und eine „große Wandlung“ (vgl. 29, 17 – 24) wird stattfinden. Dann werden Gottes Weisungen in Politik und Gesellschaft endlich wieder gehört und gelebt werden. Das ist Grund zum Tanzen und Jubeln.

- Wenn Gott kommt, dann wird das sichtbar sein. Er wird die Welt vom Kopf auf die Beine stellen. Das Leben wird wieder aufblühen. Wie Wasser die Steppe zum Grünen bringt. Verwüstete Landstriche werden wieder zum Lebensraum. Wenn Gott kommt, dann wird durch diesen Lebensraum hindurch ein Weg führen. Führte der Weg in die Gefangenschaft von Zion weg, so bewegen sich nun alle direkt dorthin. Menschen, die andere verunsichern könnten, weil sie die Zielrichtung nicht kennen, wird es auf diesem Weg nicht geben. Alle sehen klar, der Weg ist eindeutig. Auch wilde Tiere gibt es dort nicht, denn der Weg in die Stadt des Friedens ist selbst ein Weg des Friedens. - Als weiterführend empfinde ich den Verweis in der Lutherbibel auf Jes 56, 1-8. Dort wird stark gemacht, dass in Jerusalem Platz ist für viele. Gott selbst schafft Platz für die, die das Recht wahren, die Gerechtigkeit üben, den Sabbat halten und die ihre Hand hüten, nichts Arges zu tun. Davon ausgeschlossen ist, wer all das nicht tut. Das öffnet den Text schon in der Zeit seiner Kanonisierung für Nichtjuden und lässt hoffen, dass Gott auch für uns Christen Platz in Jerusalem schafft. Sollte dann nicht auch Platz für Muslime sein? Die Kriterien sind genannt.

- Die evangelische Landeskirche in Baden diskutiert in ihren Bezirkssynoden aktuell ein Positionspapier zur Friedensethik. Mich beschäftigen, während ich mir diese Gedanken mache, folgende politische Schlagzeilen: „Gestern (01. 12. 2012) hatte der "Spiegel" berichtet, dass Saudi-Arabien erneut Interesse an deutschen Rüstungsgütern bekundet habe. Das Königreich habe Deutschland offiziell wegen des Kaufs von mehreren Hundert Radpanzern des Modells "Boxer" (…) angefragt. Über das Anliegen sei bereits am vergangenen Montag in der geheimen Sitzung des Bundessicherheitsrats verhandelt worden. Das Vorhaben wurde aber vorerst auf das kommende Jahr verschoben. Der "Boxer" zählt zu den modernsten Gefechtsfahrzeugen der Welt (…) Der Radpanzer ist straßentauglich und geeignet zur Bekämpfung von Aufständen. An der Herstellung des Radpanzers sind die Rüstungskonzerne Rheinmetall und Krauss-Maffai Wegmann KMW beteiligt“. (Quelle: http://www.tagesschau.de/inland/saudiarabienpanzer102.html) - Außerdem teile ich die öffentliche Empörung darüber, dass „die Bundesregierung (…) ihren Armuts- und Reichtumsbericht in einigen Passagen entschärft (hat). Die überarbeitete Fassung vom 21. November, (…) unterscheidet sich deutlich von einem Entwurf von Mitte September“. Hier wird meiner Meinung nach offenbar, dass aus politischem Kalkül heraus die Beschreibung der Realität nicht der Wirklichkeit entspricht. (Quelle: http://www.tagesschau.de/inland/armutsbericht106.html)

- Da Jerusalem das Ziel des Weges ist, beschäftigt mich folgende aktuelle Nachricht besonders: „Bereits am Freitag hatte die israelische Regierung beschlossen, den Siedlungsbau in den besetzten Gebieten zu forcieren. 3000 neue Wohnungen sollen auf palästinensischem Gebiet errichtet werden. (…) Besonders umstritten ist die Ankündigung, in dem Gebiet zu bauen, das auf den Namen E-1 getauft wurde. Dieses Gebiet ist die letzte Lücke im Siedlungsring, mit dem Israel auf palästinensischem Gebiet Jerusalem umschlossen hat. (Quelle: http://www.tagesschau.de/ausland/nahost678.html) - Wenn man diesen Text für sich nimmt, dann besteht bei seiner Predigt die Gefahr, dass die HörerInnen in eine bloße Erwartungshaltung geführt werden. Es ist richtig, dass Gott kommen und alles richten wird. Der Prophet Jesaja legt dabei aber die Hände nicht in den Schoß. Er ruft zur Stärkung auf, damit alle für den Weg nach Jerusalem gut gerüstet sind. Er wird dabei nicht müde, seine Stimme zu erheben und den „Großen“ die Meinung zu sagen, um der Ehre Gottes Willen und für das Heil der Menschen. - Möglich ist eine szenische Lesung der Predigt. Benötigt werden dann einE ErzählerIn und mehrere SprecherInnen.

Literatur und Quellen

Predigtmeditationen im christlich-jüdischen Kontext, Zur Perikopenreihe V, hrsg. von Studium in Israel e.V., S. 8-12, Hans Maaß. - Göttinger Predigtmeditationen 67 (2012), S. 18-22, Dr. Regina Sommer. http://www.tagesschau.de/inland/saudiarabienpanzer102.html http://www.tagesschau.de/inland/armutsbericht106.html http://www.tagesschau.de/ausland/nahost678.html

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