Heilsame Erinnerung

Gründonnerstag - Einsetzung des Heiligen Abendmahls

Predigttext: Markus 14,17-26
Kirche / Ort: Magdeburg
Datum: 13.04.2017
Kirchenjahr: Gründonnerstag
Autor/in: Pfarrer Rudolf Herrmann

Predigttext: Markus 14,17-26 (Übersetzung nach Martin Luther)
17 Am Abend aber kam er mit den Zwölfen.
18 Und als sie zu Tische saßen und aßen, sprach Jesus: Wahrlich, ich sage euch: Einer unter euch, der mit mir isset, wird mich verraten.
19 Und sie wurden traurig und sagten zu ihm, einer nach dem anderen: Bin ich's ? und der andere: Bin ich's?
20 Er antwortete und sprach zu ihnen: Einer aus den Zwölfen, der mit mir in die Schüssel taucht.
21 Zwar des Menschen Sohn geht hin, wie von ihm geschrieben steht; weh aber dem Menschen, durch welchen des Menschen Sohn verraten wird. Es wäre demselben Menschen besser, daß er nie geboren wäre.
22 Und indem sie aßen, nahm Jesus das Brot, dankte und brach's und gab's ihnen und sprach: Nehmet, esset; das ist mein Leib.
23 Und nahm den Kelch, dankte und gab ihnen den; und sie tranken alle daraus.
24 Und er sprach zu ihnen: Das ist mein Blut des neuen Testamentes, das für viele vergossen wird.
25 Wahrlich, ich sage euch, daß ich hinfort nicht trinken werde vom Gewächs des Weinstocks bis auf den Tag, da ich's neu trinke in dem Reich Gottes.
26 Und da sie den Lobgesang gesprochen hatten, gingen sie hinaus an den Ölberg.
(Mar 14:17-26 LUO)

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Es gibt Dinge, in die werde ich hineingeboren, die muss ich nicht erlebt haben, um mit ihnen zu leben. Dazu gehört das Passahmahl. Es erinnert an den Auszug des Gottesvolkes aus Ägypten, es erinnert an das Lebenszeichen Gottes in der Welt der Sklaverei. Das Volk Gottes lebt aus der Erinnerung an diese Befreiung aus Ägypten, als Gott eingreift und mit Hilfe des Moses sein Volk ins Leben führt. Jährlich wird es gefeiert, das Erinnerungsmahl an den Vorabend der Befreiung, es ist das Fest, an dem das jüdische Volk den Bund mit Gott wieder neu schließt, egal, wo es sich befindet, in Deutschland, in Amerika oder in Israel. Jesus hat mit seinen Jüngern das Passahmahl gefeiert, am Vorabend seines Todes. Daran lässt der Evangelist keinen Zweifel. Und Jesus hat mit seinen Jüngern sicherlich die Worte der Schrift aus dem zweiten Buch Mose gelesen – die Einsetzung dieses Mahles durch Gott selber.

(Lesung Exodus 12,1-15)

Wir sitzen am Tisch, wie die Israeliten und Juden am Tisch saßen und sitzen, am Tag, an dem sie des Auszugs aus Ägypten gedenken. Der Tisch ist heute mit Ausnahme des Lammbratens gedeckt, wie er zu all den Zeiten beim Passamahl gedeckt war. Wir finden das Brot, ungesäuert soll es sein, um an den überstürzten Aufbruch aus Ägypten zu erinnern. Es sollte keine Zeit mehr sein für das Ansetzen eines Sauerteiges, keine Zeit, sich häuslich einzurichten. Wein ist dabei als Zeichen des Festes – und Bitterkräuter: Sie gelten als Erinnerung an Ägypten, an die bitteren Tage, und als Mahnung, in der Freiheit nicht übermütig zu werden, das Bittere im Leben mit hinein zu nehmen. So sitzen wir jetzt am Tisch, mit den Zeichen, die Gott seinem Volk gegeben hat – was wir mitbringen, legen wir nieder mit den Worten des Liedes „Du hast zu deinem Abendmahl als Gäste uns geladen“ (EG 224).
Der Evangelist lässt keinen Zweifel daran, dass Jesus mit seinen Jüngern dieses Passahmahl feierte.

(Lesung Markus 14,12-16)

Das Passahmahl feiert man im Familienkreis. Jesus feiert es mit denen, die ihm Vater und Mutter, Schwester und Bruder sind: seinen Jüngern. Er feiert es nicht zu Hause, er lädt sich in das Haus eines Menschen ein, der uns namentlich unbekannt ist. Es hätte uns interessiert, ob es vielleicht einer seiner reichen und berühmten Sympathisanten gewesen ist. Jedenfalls fühlte sich Jesus dort zu Hause, und er erwartet auch keinen Widerspruch. So sind wir heute eingeladen in ein Haus, in dem wir uns nicht fremd fühlen, in dem wir sein dürfen, ohne zu fürchten, auf Ausreden zu treffen wie: „Der Platz ist bei uns ein bisschen knapp, weil meine ganze Familie da ist“. „Heuer feiern wir gar nicht groß, weil es uns wirtschaftlich nicht so gut geht.“ „Nächstes Jahr gerne, aber heuer sind wir selber eingeladen.“ Nein, wir müssen keine Ausrede fürchten, der Gastgeber hat Tische aufgestellt, er hat den Tisch gedeckt, und es ist alles bereit, wie bei Jesus alles bereit war. Der Hausherr, der Gastgeber, betet mit den Gästen, mit der Familie. Wer bei diesem besonderen Passahmahl die Rolle des Gastgebers übernommen hat, ist nicht überliefert. Vielleicht der Mann, dem das Haus gehörte. Vielleicht Jesus selbst. Das Gebet des Hausherrn übernimmt heute unser Vertrauensmann im Kirchenvorstand:

Vater im Himmel – das Mahl zum Gedenken Deines Wunders feiern wir heute: Du hast Dein Volk aus der Sklaverei befreit. So fühlen wir uns eingeladen an Deinem Tisch, wie Jesus eingeladen war. Wir gedenken seines letzten Mahles mit seinen Jüngern. So wie sie seine Familie waren, so wollen wir eine Familie um seinen Tisch sein, eine Gemeinschaft von Schwestern und Brüdern, die das zurücklassen, was uns trennt, die das vor der Tür lassen, was uns unterscheidet. Schenke uns Deinen Geist am heutigen Abend, dass wir das Geheimnis dieses Mahles begreifen. Das bitten wir Dich durch Deinen Sohn Jesus Christus. (Alle: Amen.)

Wie ließ Jesus es an den uns unbekannten Gastgeber ausrichten? „Meine Zeit ist abgelaufen“, die Trennung liegt wie ein Schatten über diesem gemeinsamen Mahl. Das Mahl in Erinnerung an die Rettung des Gottesvolkes aus der Sklaverei wird einen neuen Beigeschmack bekommen. Der Sohn Gottes wird seinem Volk noch einmal vorausziehen, wie damals die Wolke vor den Israeliten vorauszog. Seine Zeit in der Welt ist abgelaufen, weil er einen Auftrag hat, der die Sklaverei unmöglich machen soll. Er wird durch seinen Tod den Tod selber überwinden.

Wie wichtig ist es, den rechten Zeitpunkt für das Gottesreich nicht zu verpassen. Wie wichtig ist es, auf dieser Welt die Hungrigen und Durstigen zu versorgen, die Gefangenen zu besuchen, die Fremden aufzunehmen. Meine Talente, meine Gaben, soll ich hier auf Erden für das Gottesreich einsetzen, damit es wächst und mehr wird. Und nun: „Meine Zeit ist abgelaufen“. Er muss das Zeichen setzen, dass die menschliche Macht zum Tod führt. Er muss das Zeichen setzen, dass die göttliche Macht zur Auferstehung führt. So wird das abendliche Mahl am Passahfest eine eigenartige Stimmung gehabt haben. Fröhlich, aber doch verhalten. Freundschaftlich und verunsichert. Ein Lied bringt diese Stimmung am besten zum Ausdruck, das wir vielleicht heute nicht erwarten. Ein Lied, das Jesu Abschiedsreden mit aufgreift, die Stunde der Entscheidung, die Freude und doch die Spannung.

Lied: „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ (EG 147,1-2)

Jesus und seine Jünger liegen zu Tisch, wie man das damals so machte, er verbrachte den Abend mit seinen Jüngern. Er war eingeladen, und er hat alle eingeladen, auch Judas Ischkarioth, diesen „Mann aus Karioth“, der etwas tut, was getan werden muss. Er ist das Werkzeug der menschlichen Macht, die mit diesem Jesus und seiner Bewegung Schluss machen will. Ohne es zu wissen, ist er damit ein Werkzeug der göttlichen Macht. Durch ihn und seinen Verrat wird das Kreuz erst möglich und damit die Auferstehung. Jesus lädt ihn ein, wie er alle einlädt, die Schuld auf sich geladen haben, wie er jedem die Chance gibt, einzusehen, dass die Sünde sein Leben bestimmt. Jesus schickt diesen Judas nicht vorher weg, er gibt ihm noch eine Chance zum Neubeginn, gibt ihm bis zuletzt die Möglichkeit, seinen Weg zu verändern. Judas, der den Hauch des Todes über diesen Abend gelegt hat, der den Preis schon kennt: 30 Silberlinge. Er wird nicht weggeschickt, weder vor dem Passahmahl noch danach, aber er wird durch Jesus besonders bedacht: Er spricht ihn an, um ihm die Folgen seines zerstörerischen Handelns deutlich zu machen.

(Lesung Markus 14,17-21)

Keine Reaktion vonseiten des Judas ist uns überliefert, kein Widerwort, keine Scham, kein Bedauern, aber eben auch keine Änderung seines Lebens. Er hat es in der Hand, dass dieses letzte Mahl nicht das letzte Mahl ist. Er sucht die Gelegenheit, die Polizei zu Jesus zu bringen, wenn er allein ist, wenn das Volk nicht um ihn ist. Kein Aufsehen soll die Verhaftung erregen und deshalb spioniert er für die Tempelpolizei. „Judas suchte nach einer günstigen Gelegenheit, sein Vorhaben auszuführen“, heißt es bei Matthäus. Judas arbeitet heimlich, er ist auf der Seite der menschlichen Macht und dient doch letztlich der Vollendung der göttlichen Macht. Judas zeigt keine Reaktion auf das Wort Jesu. Wir wollen es ihm nicht gleichtun, sondern gemeinsam Gott bitten, dass er in unser Leben komme und es reinige und uns von den alten Wegen abbringe. Was Gott Euch in der Taufe gegeben hat, Vergebung der Sünden und Befreiung von der Macht des Bösen, das wird uns heute neu geschenkt.

Jesus hat das Passahmahl mit seinen Jüngern gefeiert, es ist ein Zeichen des Lebens in der Welt des Todes. Diese Welt hat in der Bibel einen Namen: „Ägypten“, das Land der Sklaverei, in der das Volk Israel gefangen war. Aber dieses Passahmahl ist seit dem Abend in dem Haus in Jerusalem für uns verändert. Für uns, die wir nicht nur die Befreiung aus Ägypten damit verbinden, sondern auch die besondere Rolle Jesu in der Befreiung aller Menschen, den Beginn des dreitägigen Werkes Gottes vom Kreuzestod bis zur Auferstehung. Dieses Besondere kommt in den Worten Jesu bei diesem Passahmahl zum Ausdruck.

(Lesung Markus 14,22-26)

Wir wollen es so halten, wie Jesus es uns vorgelebt hat und das Lobgebet sprechen: Schöpfer des Lebens, wir loben dich. Du schenkst uns das Brot, die Frucht der Erde und der menschlichen Arbeit. Wir nehmen die Einladung zu deinem Tisch gemeinsam an und bitten Dich: Lass dieses Brot für uns zum Brot des Lebens werden. Schöpfer des Lebens, wir loben dich. Du schenkst uns den Wein, die Frucht des Weinstocks, das Zeichen des Festes. Wir bitten dich: Lass diesen Kelch für uns zum Kelch des Heils werden. Wie aus den Körnern das Brot, aus den Trauben der Wein geworden ist, so mache aus uns eine Gemeinde, ein Zeichen des Friedens für diese Welt. (Alle: Amen.)

Jesus nahm das Brot, teilte es und gab es seinen Jüngern mit den Worten: „Da, nehmt und esst, das bin ich“. So teile ich jetzt dieses Brot, und wir geben es weiter mit den Worten: „Nimm und iss, das ist Jesus Christus.“ Wir wollen es so halten, wie Jesus es uns vorgelebt hat und das Dankgebet sprechen: Zu Deinem Mahl sind wir gekommen, weil wir mit den Augen unseres Herzens das Heil sehen wollten. So sind wir Dir begegnet und haben das Brot geteilt, von dem Du sagtest, dass Du es bist. Unser Dank soll es sein, dass wir nun in den Menschen Deine Brüder und Schwestern sehen. (Alle: Amen.) – Dann nahm Jesus den Becher, sprach das Dankgebet, reichte ihnen den Becher und sagte: „Trinkt alle daraus. Denn das ist mein Bundesblut, ausgeschenkt für alle, damit Sünden vergeben werden können.” (Weitergabe der Kelche)

Lied: „Du hast uns Leib und Seel gespeist“ (EG 216)

 

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