Predigt

Heilsame Unterbrechung

"Kirche, die Hoffnung hat für die Welt und für einen jeden Menschen"

PredigttextApostelgeschichte 16,6-15 (mit exegetischen, homiletischen und liturgischen Hinweisen)
Kirche / Ort:Hamelner Münster St. Bonifatius / 31787 Hameln
Datum:23.02.2014
Kirchenjahr:Sexagesimae (60 Tage vor Ostern)
Autor:Pastor i. R. Herbert Dieckmann

Predigttext: Apostelgeschichte 16, 9-15 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

9 Und Paulus sah eine Erscheinung bei Nacht: ein Mann aus Mazedonien stand da und bat ihn: Komm herüber nach Mazedonien und hilf uns! 10 Als er aber die Erscheinung gesehen hatte, da suchten wir sogleich nach Mazedonien zu reisen, gewiß, daß uns Gott dahin berufen hatte, ihnen das Evangelium zu predigen. 11 Da fuhren wir von Troas ab und kamen geradewegs nach Samothrake, am nächsten Tag nach Neapolis 12 und von da nach Philippi, das ist eine Stadt des ersten Bezirks von Mazedonien, eine römische Kolonie. Wir blieben aber einige Tage in dieser Stadt. 13 Am Sabbattag gingen wir hinaus vor die Stadt an den Fluß, wo wir dachten, daß man zu beten pflegte, und wir setzten uns und redeten mit den Frauen, die dort zusammenkamen. 14 Und eine gottesfürchtige Frau mit Namen Lydia, eine Purpurhändlerin aus der Stadt Thyatira, hörte zu; der tat der Herr das Herz auf, so daß sie darauf achthatte, was von Paulus geredet wurde. 15 Als sie aber mit ihrem Hause getauft war, bat sie uns und sprach: Wenn ihr anerkennt, daß ich an den Herrn glaube, so kommt in mein Haus und bleibt da. Und sie nötigte uns.

(Übersetzung nach Basisbibel, 2012, und Gute Nachricht, 2013)

6 Danach zogen Paulus, Timotheus und Silas weiter durch Phrygien und das Gebiet von Galatien. Denn der Heilige Geist hinderte sie daran, Gottes Wort in der Provinz Asien zu verkünden. 7 Als sie, westwärts ziehend, schon fast in Mysien waren, wollten sie von dort in das nördlich gelegene Bithynien weiterreisen. Aber auch das ließ der Geist nicht zu, durch den Jesus sie führte. 8 Also zogen sie an Mysien vorbei und gingen zum Meer hinunter nach Troas. 9 Dort in Troas hatte Paulus in der Nacht eine Vision. Ein Mann aus Mazedonien stand da und bat ihn: "Komm herüber nach Mazedonien und hilf uns!" 10 Kaum hatte Paulus diese Vision gehabt, da suchten wir sofort nach einem Schiff, das uns nach Mazedonien mitnehmen konnte. Denn wir waren sicher: Gott hatte uns gerufen, den Menschen dort das Evangelium, die Heilsbotschaft, zu bringen. 11 Wir legten von Troas ab und fuhren auf dem kürzesten Weg zur Insel Samothrake. Einen Tag später erreichten wir Neapolis. 12 Von dort gingen wir landeinwärts nach Philippi. Das ist eine bedeutende Stadt in diesem Bezirk Mazedoniens und römische Kolonie. In dieser Stadt blieben wir einige Zeit. 13Am Sabbattag gingen wir durch das Stadttor hinaus an den Fluss. Wir vermuteten dort eine jüdische Gebetsstätte und fanden sie auch. Wir setzten uns und sprachen mit den Frauen, die sich an diesem Ort versammelt hatten. 14 Unter den Zuhörerinnen war auch eine Frau namens Lydia. Sie handelte mit Purpurstoffen und kam aus der Stadt Thyatira. Lydia ehrte als Nicht-Jüdin den Gott Israels. Der Herr öffnete ihr das Herz, sodass sie begierig aufnahm, was Paulus sagte. 15 Sie ließ sich taufen - zusammen mit ihrer ganzen Hausgemeinschaft, ihren Angehörigen und Dienstleuten. Danach bat sie: "Wenn ihr überzeugt seid, dass ich wirklich an den Herrn glaube, dann kommt in mein Haus. Ihr könnt bei mir wohnen!" Und sie drängte uns förmlich dazu.

Exegetische, homiletische und liturgische Hinweise

Als hellenistischer Christ der 3. Generation verfasst Lukas die Apostelgeschichte etwa um 90 n. Chr. als eine „historische Monographie“ (s. U. Schnelle, S.338), die die frühe Kirchengeschichte in eine apostolische (Apg. 1,1-15,35, Hauptakteur:Petrus) und eine nachapostolische Epoche (Apg. 15,36-28,31, Hauptgestalt: Paulus) unterteilt und die heidenchristliche Kirche als unangefochtenen Teil des Gottesvolkes darstellt. Apg 16,6-15 steht also am Anfang der von Paulus dominierten Kirchenepoche und markiert durch die Stilmittel der Vision (V.9) und des Wir-Berichtes (V. 10f.) den wichtigen Übergang des Evangeliums (dem eigentlichen Akteur der Apg.) von Kleinasien nach Griechenland, auf seinem eiligen Weg nach Rom. Die enge kulturelle und staatliche Verbindung beider Gebiete des Römischen Reiches lässt den oft benannte „Übergang der Mission nach Europa“ wohl eher als neuzeitlichen Eintrag erscheinen, der allerdings modernem Empfinden gut entspricht.

Mit Mitteln des hellenistischen Historikers veranschaulicht Lukas den geschichtlichen Weg des geistgeleiteten Christuszeugnisses von Jerusalem nach Rom immer wieder in vielen Einzelszenen, so auch in Apg. 16,6-15. (Die Erweiterung der Perikope um die Verse 6-8 lässt Lukas’ Sicht von der strikten Leitung der paulinischen Mission durch Gott noch deutlicher erkennen)

In vier Szenen schildert Lukas, wie Gott „seine“ Mission selbst leitet, indem er die Missionare zweimal völlig ausbremst (V. 6-8), sie dann aber über eine Vision (V. 9-10) und eine hastige Fahrt zum Missionsort Philippi lenkt (V.11-12), um schließlich dort mit „seiner“ (s. v. 14b!) Bekehrung der Lydia, Purpurhändlerin aus Kleinasien und heidnische Sympathisantin der jüdischen Gemeinde, die Evangeliums-Mission zu ihrem Ziel zu führen: die Gründung der Gemeinde Jesu Christi in Philippi (V. 13-15). Kirchen und Gemeinden blicken oft besorgt in die Zukunft. Sie befürchten massive Verluste an Mitgliedern, Einnahmen und Einfluss und flüchten sich oftmals in hektisches Agieren und Reformieren. Doch Lukas ermutigt zum Perspektivwechsel und lenkt unsern Blick auf die verheißungsvolle Geburt unserer Kirche in Europa. Dankbar bestaunt Apg 16,6-15 das Wunder, wie die Heilsbotschaft von Jesus Christus über seltsame Umwege und unscheinbare Anfänge am Ende „hundertfache Frucht“ (Lk 8,8) bringt, weil Gottes wirksames Wort nie fruchtlos bleibt, sondern stets gute Folgen hat (Jes 55,11).

Diese befreiende Botschaft sollte die Predigt mutig weitertragen, damit verunsicherte Kirchen und Gemeinden ihr angstbesetztes und selbstherrliches Planen aufgeben und sich in „evangelischer“ Achtsamkeit Gottes heutigen Wegweisungen öffnen können. Denn immer noch schickt Gott seine Boten zu Menschen, die sehnlich auf Begegnung und Begleitung warten und sich eine geschwisterliche Gemeinde wie die der Lydia in Philippi wünschen, in der kulturelle, ethnische, soziale, sexuelle, ja auch religiöse Gegensätze in Jesus Christus angenommen und miteinander versöhnt sind. In diesem neuen Licht könnten dann sogar die zahlreichen kirchlichen Misserfolge als Fingerzeige Gottes für eine Wegänderung erscheinen - vom freudlosen Machen zur erneuerten „Freude am Evangelium“, für die z. B. Papst Franziskus in seinem „Traumgesicht“ so ergreifend wirbt: „Ich will keine Kirche, die darum besorgt ist, der Mittelpunkt zu sein...Wenn uns etwas in heilige Sorge versetzen und unser Gewissen beunruhigen soll, dann ist es die Tatsache, dass so viele unserer Brüder und Schwestern ohne die Kraft, das Licht und den Trost der Freundschaft mit Jesus Christus leben, ohne eine Glaubensge­meinschaft, die sie aufnimmt, ohne einen Hori­zont von Sinn und Leben.“ (s. „Evangelii Gaudium“, S. 47)

Zur Liturgie

Psalm 119 (Auszüge. S. EG) Lesungen: Jesaja 55,10-12a; Lukas 8,4-8

Lieder

„Lobt Gott getrost mit Singen“ (EG 243) „Mache mich zum guten Lande“ (EG 166,4-6) „Herz und Herz vereint zusammen“ (EG 251,1-3) „Ins Wasser fällt ein Stein“ (EG Regionalteil „Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt“ (EG Regionalteil)

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